1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 „Ich verstehe, was Du meinst“ antwortete der H’mong.
Gerhard fuhr eindringlich fort: „Unser Vorhaben können wir nur in Thailand verwirklichen. Dort könnt Ihr als politische Flüchtlinge anerkannt werden. Dort können wir Öffentlichkeit herstellen. In Bangkok gibt es eine große UNHCR Niederlassung, als Teil des riesigen UN-Komplexes.“
Er wandte sich wieder Chris zu. „Wenn wir die Leute erst mal dort haben, haben wir gewonnen. Die deutsche Botschaft ist nicht weit davon entfernt. Ich war einmal dort. Die Leute waren sehr freundlich.“
Chris wandte sich an Ler. „Wie viele Leute genau seid Ihr nun?“
„Drei Kinder, vier Frauen und vier Männer.“
„Also elf Personen. Die passen bequem in einen Minibus.“
„Wie kommen wir an einen Minibus?“,fragte Gerhard.„Wenn wir Weiße einen Bus mieten, und fahren Asiaten durch die Gegend, würde das auffallen. Es gibt hier auf den Straßen oft Kontrollen.“
Chris schlug vor: „Wir können einen Bus mit Fahrer mieten. Damit fahren wir an die Grenze.“
„Aber wenn wir so verfahren, würde der Fahrer merken, dass es H’mong sind. Er wüsste, dass wir zur Grenze wollen. Er könnte den Schluss ziehen, dass sie fliehen wollen. Er könnte uns an die Polizei verraten.“
„Langsam,.“sagte Ler, „wir haben einen Verwandten in der Stadt, direkt in Phonsavan. Es ist der Neffe von unserem Ältesten. Sein Name ist Lia Thao. Er hat nie für die Amerikaner gearbeitet. Er verbrachte seine Jugend in China, und ist mit einer Chinesin verheiratet.“
„Du denkst, er könnte uns fahren?“ fragte Gerhard ihn.
„Er hat eine kleine Reiseagentur mit zwei Minibussen. Wir haben zwar schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm. Aber gegen Geld würde er uns helfen; da bin ich sicher. Er könnte fahren. Er ist verwandt. Das zählt hier mehr als vieles Andere.“
„Gut, dann schreibe uns seine Adresse auf und ein paar Worte an ihn, damit er weiß, worum es geht.“ Gerhard war begeistert.
„Wir werden für Euch alle heute Nachmittag Kleider besorgen, in denen Ihr wie Thailänder ausseht. Wir kaufen keine neuen Kleidungsstücke. Gestern haben wir einen großen Markt gesehen, wo Second- Hand Sachen verkauft werden. Thailändische Touristen gibt es hier etliche. Ihr solltet mit diesen Kleidern nicht auffallen. Natürlich, wenn Polizisten oder Soldaten nach Pässen fragen sollten, haben wir ein Problem.“
„Ja, erinnere Dich mal, Onkel“ mischte Chris sich ein, „wir sind auf der Fahrt hierher dreimal an Polizeikontrollen angehalten worden.“
Gerhard wies den Einwand zurück. „Im Bus waren außer uns und einem anderen Weißen ausschließlich Laoten oder Thailänder. Trotzdem hat der Polizist nur kurz mit dem Fahrer gesprochen und ohne Kontrolle den Bus durch gewunken.“
„Der Polizist wollte Trinkgeld haben. Das ist hier in Laos üblich“ sagte Ler.
„Also Trinkgeld können die Polizisten ruhig haben,“ sagte Gerhard, „dann ist alles soweit klar. Wir sind morgen Mittag wieder hier mit den Kleidern, und informieren euch, ob Euer Verwandter mitspielt. Wenn er mitmacht, sollten wir uns einige Tage später wieder an diesem Rastplatz treffen. Von hier werden wir direkt zur Grenze am Mekong fahren. Wir mieten ein kleines Boot, in das wir alle hineinpassen- und setzen über. Einverstanden?“
„Ja, so könnte es funktionieren.“
Chris und Gerhard standen auf. Die H’mong folgten ihnen zum Wagen. Auf der Rückfahrt frage Gerhard Ler: „Euer Führer will wirklich nicht mit? Es ist schwer zu verstehen.“
„Man kann nicht alles verstehen. Trotzdem muss man vieles akzeptieren. Das zeichnet einen weisen Menschen aus.“
Sie brachten die H’mong unbehelligt vom Parkplatz zum Treffpunkt zurück. Sie verabschiedeten sie, und fuhren zurück nach Phonsavan.
Unterwegs sah Gerhard Chris an und sagte: „Jetzt wird es spannend. Hoffentlich halten Deine Nerven durch.“
„Wer A sagt, muss auch B sagen. Meine Nerven sind besser als Deine. Vielleicht solltest Du vorher eine Apotheke aufsuchen. Es gibt heute sehr gute nerven- und herzstärkende Mittel für ältere Leute. Ich denke da an Knoblauch- oder Ginsengpräparate. Und an Schnaps, in den Schlangen und Skorpione eingelegt sind. Na, Onkel, was hältst Du davon?“
„Ich bin fit. Ich brauche auch kein Viagra. Im Gegensatz zu einem gewissen jungen Mann, dem ich aus Asien schon des öfteren solche Beschleuniger mitbringen musste.“
„Nur für meine Freunde, nur für Freunde.“
*****
In der Stadt angekommen, fanden sie das Reiseunternehmen in einer versteckten Seitenstraße. Der Chef, Herr Lia Thao, ein kleiner, grauhaariger Herr Ende vierzig, musterte sie neugierig. Sein gepflegtes Äußeres und sein grauer, makelloser Anzug mit geschmackvoller Krawatte passten nicht zu der heruntergekommenen Gegend, in der sich sein Büro befand. Ein moderner, kleiner Flachbildschirm stand auf einem riesigen, aufgeräumten Schreibtisch. Sein weltmännischer Habitus stand in seltsamem Gegensatz zu dem vernachlässigten Haus und dem stallähnlichen Hinterzimmer, in dem Herr Lia Thao seine Besucher empfing.
Sie grüßten höflich und stellten sich vor. Gerhard kam sofort zur Sache: „Wir sind hier, weil wir Kontakt zu Ihren Verwandten, diesen H’mong-Leuten haben.“
Lia Thao sah Gerhard erstaunt an. „Augenblick.“ Er stand auf und schloss die Bürotür. „Besser so!“
Gerhard schilderte ihm das Anliegen und übergab ihm das Schreiben von Ler.
„Von denen haben wir lange nichts gehört. Sie sind ganz in der Nähe, sagen Sie? Sie müssen wissen, jeder Kontakt kann für mich und meine Familie gefährlich sein,.“ sagte er leise.„Der Älteste hat nicht nur für die CIA gekämpft, sondern vorher für die Franzosen und danach auch noch für den König. Es kommt sehr selten vor, dass jemand drei Kriege überlebt. Es sind drei schlimme Gründe für die Machthaber, die ganze Gruppe auszumerzen. Es sind schlimme Zeiten. Immer noch, obwohl es schon sehr lange her ist.“
Er schüttelte den Kopf. „Von den alten Kämpfern lebt kaum noch einer, aber die Verwandten und Nachkommen werden verfolgt. “Er schwieg und kratzte sich am Kopf.
Dann fuhr er leise fort: „Wenn ich helfe, riskiere ich dieses Unternehmen, meinen Kopf und das Leben meiner ganzen Familie.“
„Wir würden selbstverständlich für Ihre Dienste bezahlen. Was halten Sie von fünf Millionen Kip?“
„Würden Sie für 700 Dollar ihre Existenz und das Leben Ihrer Familie auf das Spiel setzen?“ Er sah sie ärgerlich an. „Das Geld ist schön. Aber wenn ich es tue, dann tue ich es für die Verwandtschaft. Für die Familie. Lassen Sie mich etwas nachdenken. Wohin genau soll es denn gehen?“
„Zum nächsten Punkt am Mekong, wo er die Grenze zu Thailand bildet.“
Lia Thao stand auf und ging zu einer großen Landkarte an der Wand. Sie gesellten sich neben ihn. Er zeigte mit einem Lineal auf eine Fläche, die von einer dicken,blauen Linie durchtrennt wurde.
„Das wäre die Gegend zwischen Vientiane und Muang Palxxan.“ sagte er nachdenklich und setzte sich wieder. „Kommen Sie bitte später noch einmal wieder. Ich muss darüber nachdenken. Sie können bis 22.00 Uhr kommen. Dann schließen wir. Ich bin die ganze Zeit hier im Office.“
Sie verabschiedeten sich und fuhren zu den Second Hand Geschäften, die sie am Vortag in einer großen Wellblechhalle entdeckt hatten. Auf dem Weg dorthin sagte Gerhard „Mal gespannt, wie dieser Herr Thao sich entscheiden wird. Ob der Mann wohl mitspielt?“
„Ich denke schon. Sie sind verwandt. Für Asiaten ist die Familie heilig. Ein Stamm entspricht einer Großfamilie in Südeuropa. Asiaten würden nie ein Familienmitglied oder einen Stammesangehörigen hängen lassen.“
Sie kauften eine große Menge Kleidungsstücke und Schuhe, sowie viele kleine Utensilien, die nötig waren, allen das Aussehen von zivilisierten Thailändern zu geben. Als sie die Sachen in den Wagen brachten, sagte Gerhard:„Es kann verdammt gefährlich werden, für alle.“
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