Gisela Gebhard
IRGENDWO GRÜNT DOCH DIE LIEBE
Erzählungen
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2015
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.
Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
www.engelsdorfer-verlag.de
Cover
Titel Gisela Gebhard IRGENDWO GRÜNT DOCH DIE LIEBE Erzählungen Engelsdorfer Verlag Leipzig 2015
Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte beim Autor Hergestellt in Leipzig, Germany (EU) 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015 www.engelsdorfer-verlag.de
Auch ein Lied an die Freude Auch ein Lied an die Freude Das Stundenglas verrinnt für uns vergesst drum dieses nicht: Das Leben ist ein kurz Geschenk, ein Strahl vom Sonnenlicht. Ein jeder Tag vergeht für uns ohn’ eine Wiederkehr. Drum sieh, dass deiner Tage Lauf nicht trübe sei und leer. Leg in ihn ein die letzte Kraft, die letzte Fröhlichkeit! Schöpf’ alles aus, was sich dir schenkt, nutz redlich deine Zeit! Bist du einst alt und müd und schwach, weinst du dann nicht danach, weil Frühling und auch Sommer dir so manche Knospe brach. Es weint nur um vergangnes Glück, wer keines ganz besaß und nie im Arm der Seligkeit von seinem Leid genas. Erfüllte Stunde, die verklang, ist niemals ganz verweht, weil sie am Ende immer noch in der Erinn’rung steht.
Das Bildnis der Schönen
Das Findelkind
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Etwas Namibia: Tsumeb
Im Sommer 1912
In der Nazizeit - Warum?
Mein Garten
Notaufnahme
Meine Augen (Das alte Paar)
Letztes Buch
Fußnoten
Auch ein Lied an die Freude
Das Stundenglas verrinnt für uns
vergesst drum dieses nicht:
Das Leben ist ein kurz Geschenk,
ein Strahl vom Sonnenlicht.
Ein jeder Tag vergeht für uns
ohn’ eine Wiederkehr.
Drum sieh, dass deiner Tage Lauf
nicht trübe sei und leer.
Leg in ihn ein die letzte Kraft,
die letzte Fröhlichkeit!
Schöpf’ alles aus, was sich dir schenkt,
nutz redlich deine Zeit!
Bist du einst alt und müd und schwach,
weinst du dann nicht danach,
weil Frühling und auch Sommer dir
so manche Knospe brach.
Es weint nur um vergangnes Glück,
wer keines ganz besaß
und nie im Arm der Seligkeit
von seinem Leid genas.
Erfüllte Stunde, die verklang,
ist niemals ganz verweht,
weil sie am Ende immer noch
in der Erinn’rung steht.
Bei Halle, einst Halla, ließ Karl der Große im Jahre 809 eine Burg errichten. Die sollte an der Saale, nahe dem Einfluss der Elster, den Weg der alten Salzstraße sichern, die weit vom Südosten her kommend bis in den Norden führte. Halle an der Saale, wichtiger Übergang der alten Salzstraße, besaß und besitzt auch heute noch eine eigene Salzquelle, die genutzt wird.
Otto der Große beurkundete im Jahre 961 das Stadtrecht für Halle und führte die Stadt bald darauf in das neu gegründete Erzbistum Magdeburg ein. 1281 wurde die Stadt Mitglied der Hanse.
Von der Burg Karls des Großen ist heute kein Stein mehr zu finden. In den sich oft verzweigenden Armen der Saale ist sie wohl untergegangen. Eine neue, Oberburg genannte Festung, erwuchs Anfang des 12. Jahrhunderts am Rande der nahegelegenen Siedlung Giebichenstein. Sie bestand aus einem Wohnturm, einer Kapelle und mehreren Wirtschaftsgebäuden. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erbaute man die Unterburg dazu. Da gab es dann ein großes Torhaus, weitere Wirtschaftsgebäude, ein Kornhaus und eine Vorburg, alles umgeben von einer Ringmauer und einem Burggraben.
Ein Brand vernichtete während des Dreißigjährigen Krieges weitgehend sowohl Ober- wie Unterburg. Die Reste der Oberburg, die noch heute über der Saale thronen, heißen seit dem letzten Jahrhundert nun Burg Giebichenstein, wurden renoviert und ausgebaut. Seit Jahrzehnten lehrt und werkt nun darin die Kunsthochschule von Halle.
Dies ist die lange Einleitung einer Geschichte. Die erzählt von Andreas Rufer, 27 Jahre alt, dunkelblond, schlank, 1,82 Meter groß, verhältnismäßig schmales Gesicht mit blauen Augen. Der junge Mann hat Geschichte, Kunst und Philosophie studiert. Jetzt arbeitet er als Assistent am historischen Institut, will da auch promovieren und später an der Hochschule bleiben. Er wohnt in der Innenstadt. Zur Arbeit führt ihn sein Weg durch Gassen der Altstadt zum Institut nahe dem Dom. Früh muss er sich eilen. Am späten Nachmittag dagegen kann er sich, falls keine Verabredung ansteht, Zeit nehmen.
Heute hat er die Zeit. Mit seiner Freundin gab es einen leichten Disput. Sie wollte in die Disko. Ihn interessierte die nicht. Sie deshalb schnippisch: „Dann gehe ich eben allein!“
„Tu das“, war seine Antwort und damit trennten sie sich.
Er schlendert zum Antiquariat. Dort hat er schon oft gekauft und beim Stöbern erstaunliche Bücher gefunden. Am Morgen prangte im leeren Schaufenster nur ein Anschlag, der NEUZUGÄNGE anpries. Also hin!
Jetzt zeigt das Schaufenster Alt-Halle in kolorierten Stadtplänen, Radierungen, Kupferstichen und Skizzen vom Roten Turm und der Burg Giebichenstein. Zwischen zwei Zeichnungen von Ritterspielen überrascht den jungen Mann das Portrait einer jungen Frau. Haartracht und Ansatz des Kleides weisen ins Mittelalter. Ihr Blick, der sich direkt auf Andreas richtet, scheint aber zu leben. Das Bild im dunklen Holzrahmen steht fast im Schatten der anderen Bilder, hat die Größe eines DIN-A5-Blattes und beherrscht plötzlich das ganze Schaufenster. Andreas ist fasziniert. Die junge Frau scheint ihm zuzulächeln. Ganz leise sitzt dieses Lächeln in ihren Mundwinkeln. Es war vorhin nicht da! Oder doch? Dieses Lächeln scheint mit ihren Augen zu leben. Die Lider senken sich leicht, als läge ein Schatten darauf. Dann blicken sie wieder klar und direkt zu Andreas hin. Hat eines ihrer Lider gezuckt. Will sie ein Zeichen geben?
Andreas schüttelt den Kopf, schließt die Augen, öffnet sie wieder, meint, er habe geträumt. Als er aufschaut, lächelt die Schöne noch – aber anders. Die untere Lippe, leicht vorgezogen, erscheint voller. Dieses Lächeln fordert ihn auf zurück zu lächeln. Er tut es – und findet sich albern. Hier stimmt mit ihm etwas nicht! Weder Alkohol noch Drogen hat er konsumiert, ist völlig nüchtern und kommuniziert mit einem kleinen Frauenbild im Schaufenster des Antiquariats. Das muss ein Fixierbild sein, wo mehrere durchsichtige Lagen übereinander beim Verändern des Sichtwinkels eine Bewegung vortäuschen.
„Ich muss reingehen und fragen“, denkt er, wendet sich nicht mehr hin sondern den beiden Stufen zu, die zur Tür führen. Als er die Klinke der Tür drückt, ist das Bild außer Sicht. Andreas tritt ein. Im Hintergrund kramen schon zwei Bekannte in Bücherstößen.
Er wird freundlich von der Inhaberin empfangen.
„Sie haben unsere Auslagen studiert“, meint sie. „Wir konnten aus einem Nachlass sehr schöne Stücke von Alt-Halle erwerben. Mein Mann und ich haben heute mit besonderer Freude dekoriert. Sie werden aber auch hier noch außer den Büchern alte Stiche und Karten finden.“
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