Nicole Kruska
DIE KORINTHER
Historischer Roman
Dieses Buch als E-Book: ISBN 978-3-943362-61-9
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.deabrufbar.
Lektorat: Arwed Vogel (Freies Literaturprojekt München)
Umschlaggestaltung: spoon design, Olaf Johannson
Umschlagillustration: „Earthtone Pottery“ von Anita Carden
Satz und Herstellung: Edition Wortschatz, Sauerbruchstraße 16, 27478 Cuxhaven
© 2020 Nicole Kruska
Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise,
nur mit Genehmigung der Autorin
www.edition-wortschatz.de
Nicole Kruska
DIE KORINTHER
Historischer Roman
Für Viviane und Marlene
Inhalt
Kapitel I 9
Kapitel II 24
Kapitel III 36
Kapitel IV 52
Kapitel V 62
Kapitel VI 68
Kapitel VI 83
Kapitel VII 115
Kapitel VIII 130
Kapitel IX 146
Kapitel X 151
Kapitel XI 159
Kapitel XII 172
Kapitel XIII 190
Kapitel XIV 221
Kapitel XV 233
Kapitel XVI 272
Kapitel XVII 288
Kapitel XVIII 308
Kapitel IX 335
O du, den unser größter
Regent uns zugesagt:
komm zu uns, werter Tröster,
und mach uns unverzagt.
Gib uns in dieser schlaffen
und glaubensarmen Zeit
die scharf geschliff‘nen Waffen
der ersten Christenheit.
aus dem Lied „O komm, du Geist der Wahrheit“
von Karl Johann Philipp Spitta (1833)
Einige Hinweise zur Aussprache der Personen- und Ortsnamen
Wichtig: Diese Seite richtet sich ausschließlich an Leserinnen und Leser, die es tatsächlich interessiert, wie meine Figuren die griechischen Namen ausgesprochen hätten. Alle anderen bitte ich, sich von diesen Regeln das Lesevergnügen nicht trüben zu lassen, die Seite einfach zu überspringen und die Namen so zu lesen, wie es ihnen in den Sinn kommt.
Iesoús spricht sich fast wie gewohnt Jesus, nur mit scharfem s und Betonung auf der letzten Silbe. Christos hat keinen k-Laut am Anfang, sondern wird mit einem ch wie in Dach am Anfang gesprochen. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, dem lateinischen Namen des Apostels Paulus die griechische Endung -os zu geben, weil das genau so auf allen Inschriften, die ich in Griechenland gesehen habe, zu lesen ist. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Paulos es gestört hat, so genannt zu werden. Dasselbe gilt für Timotheos, den wir aus der Bibel als Timotheus kennen, wobei das tatsächlich ein griechischer Name ist und somit das o „richtiger“ als das u.
Das Griechische hat ähnlich wie das Englische ein „Ti-Äitsch“. Th – wie in Kynthia, Timotheos und Kórinthos – wird also korrekterweise etwa wie im englischen Thursday ausgesprochen. Ein großer Teil meiner Leserschaft wird mit der alten Schreibweise für Fremdworte aus dem Griechischen wie Delfin oder Foto groß geworden sein. Für diejenigen, die nur die neuen Rechtschreibregeln gelernt haben: ph = f, und deshalb Phaistos = „Faistos“. Die Aussprache von Danaë scheint sich vom Alt- zum Neugriechischen verändert zu haben: Die Betonung liegt auf der zweiten Silbe, also Da‘naē. Früher klang das ë wohl wie ein langes e, heute tendiert es eher zum i. Ich habe mir angewöhnt, meine Figur Da’nai zu nennen.
Die Akzente auf Ortsnamen wie Kórinthos und Léchaion haben nichts mit griechischer Grammatik zu tun. Sie sollen lediglich darauf hinweisen, dass die Betonung auf einer anderen Silbe liegt als auf der, die wir vom Deutschen her intuitiv wählen würden.
Man könnte die korrekte griechische Akzentuierung im Text noch genauer kennzeichnen. Aber als ich damit anfing, stellte ich fest, dass das den Lesefluss einfach zu sehr stören und deshalb womöglich den meisten die Freude an der Geschichte rauben würde. Daher bitte ich diejenigen, die es gerne noch genauer wüssten, um Nachsicht, und wünsche nun euch und Ihnen allen eine schöne und spannende Reise ins Korinth des ersten Jahrhunderts nach Christi Geburt!
Nicole Kruska
I
Kynthia
Kynthia wartete. Noch immer stand Nikos mit zehn anderen Männern bis zu den Waden in der Töpferschlammgrube und schaufelte feuchten Lehm in einen großen, mit einem Leinentuch ausgelegten Korb. Gleich würde er den Korb zu den anderen auf den Wagen stellen, in dessen Schatten Kynthia am Boden saß. Es machte ihr nichts aus zu warten. Sie genoss es, von hier oben aus den Hügeln auf die große Stadt hinunterzublicken, in der sie aufgewachsen war. Einige Gebäude dort unten waren deutlich zu erkennen. Nicht mehr lange und die Abendsonne würde den mächtigen Tempel des Apollon in ihre Strahlen tauchen und in seiner ganzen farbigen Pracht erleuchten lassen. Und wenig später würde der Aphroditetempel ganz oben auf dem Akrokórinthos, dem die Stadt überragenden mächtigen Fels, von Hunderten von Fackeln erleuchtet werden.
Einmal hatte Kynthia mit Nikos auf einer kleinen Bühne mitten auf der Agorá1 ein Theaterstück gesehen, zwei zum Leben erwachte Statuen von Apollon und Aphrodite im Wortgefecht: Wer hatte den besseren Platz, wer lag den Menschen mehr am Herzen? Kräftig geschminkt und in farbenprächtige, knappe Gewänder gehüllt, hatten sich die beiden gegenübergestanden und der Gott des Lichts, der Heilung und der Künste hatte so etwas gesagt wie:
„Ich, Apollon, bin den Menschen wichtiger als du. An mich denken sie viel öfter, nicht nur wenn sie meinen prächtigen Tempel sehen hier mitten in der Stadt, sondern beim Anblick jedes Kunstwerks, beim Klang jeder Melodie, die in den Straßen und Häusern ertönt!“
„Aber meinen Tempel da oben auf dem Felsen“, hatte die Göttin gestenreich geantwortet, „sieht man schon, bevor man überhaupt durch eines der Stadttore eingetreten ist. Und wer den Blick auf den Akrokórinthos richtet, wird an mich erinnert und an die Liebe. Und an nichts denken die Menschen lieber!“
„So, das reicht für heute!“
Nikos‘ Stimme riss Kynthia aus ihrer Erinnerung. Gemeinsam mit dem jungen Sklaven, den er sich für diesen Tag ausgeliehen hatte, hob er den vollen Korb auf den Wagen und wischte sich den Schweiß von der Stirn, während der Junge ihre Schaufeln holte. Dann griff er nach dem vollen Wasserschlauch, den Kynthia mit Brunnenwasser gefüllt und für ihn mitgebracht hatte. Als Nikos seinen Durst gestillt hatte, reichte er den Schlauch an den Sklaven weiter. Kynthia stand auf und betrachtete den Wagen, dessen Räder auf beiden Seiten tief in den lehmigen Boden gesunken waren.
„Hoffentlich hält der Karren das Gewicht aus“, murmelte sie. Nikos zuckte die Schultern und grinste breit. Kynthia war nach der Arbeit in der Töpferwerkstatt zur Tongrube hinaufgewandert, um ihren Mann nach Hause zu begleiten. Nikos war größer als die meisten anderen Männer und sein lockiges schwarzes Haar war noch ebenso so dicht wie bei ihrer Hochzeit vor neun Jahren. Die ebenmäßig schönen Züge einer Marmorstatue waren ihm nicht eigen: Die Nase war ein kleines bisschen zu groß und der volle Mund wirkte ein wenig schief. Aber wenn er, wie jetzt, gut gelaunt war, lachte das ganze Gesicht. Besonders in Momenten wie diesem fand Kynthia ihren Mann schön: wenn ihm, der sich inzwischen eher zu den Händlern zählte als zu den Handwerkern, die Freude an der körperlichen Anstrengung ins Gesicht geschrieben stand, wenn der Schweiß seine über straffe Muskeln gespannte Haut zum Glänzen brachte und die Haare sich in Stirn und Nacken kräuselten.
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