Samstag, 14. Juli 1866:
Winnetou beschloss, mit seinen zehn Apatschen heimzureiten, denn seiner harrten nach Abschluss des Kampfes mit den Komantschen noch die Verhandlungen, die zwischen beiden Stämmen den Frieden sichern sollten. Auch der Neger Hektor reiste ab.
Samstag, 15. September 1866:
Und zwei Monate später saß ich bei dem guten Ordensmann Benito von der Bruderschaft El bueno Pastor in Chihuahua. Ihm, dem berühmten Arzt der nördlichen Provinzen, hatte ich meinen Kranken gebracht, und es war ihm gelungen, ihn völlig herzustellen. Es war, als sei mit dem Kolbenhieb in Ohlert die unglückliche Zwangsvorstellung, ein wahnsinniger Dichter zu sein, erschlagen worden. Er war munter und wohlauf und sehnte sich nach seinem Vater. Er wusste noch nicht, dass ich meinen Auftraggeber erwartete. Ich hatte ihm nämlich einen Bericht geschickt und darauf die Nachricht erhalten, dass der Vater selbst kommen werde, seinen Sohn abzuholen. Nebenbei hatte ich bei Mr. Josy Tailor um meine Entlassung gebeten. Heute saßen wir nun wieder beisammen: der Pater, Ohlert, Harton und ich. Da ließ der Diener einen Herrn herein, bei dessen Anblick William einen Freudenschrei ausstieß: Es war sein Vater, der Bankier Ohlert aus New York. Da gingen wir anderen still hinaus.
Ohlert brachte mir von Josy Tailor die erbetene Entlassung und den Gehaltsrest, dem der Bankier eine ansehnliche Sondervergütung beifügte.
Sonntag, 16. September 1866:
Jetzt hätte ich eigentlich mehr als genügend Mittel gehabt, um meine ursprüngliche Absicht, heimzukehren, endlich auszuführen. Aber ich sah ein neues Abenteuer winken, vor dem der Gedanke an die Heimat verblasste. Ich gab Fred Harton meine Zustimmung, ihn zu begleiten.
Mitte Dezember 1866:
Es kam auch jetzt wieder so, wie schon oft auf meinen Reisen: Ich blieb länger von zu Hause fort, als anfänglich mein Plan gewesen war. Es ist zu sagen, dass wir, allerdings unter großen Beschwerden und Gefahren, so glücklich waren, die von Old Death entdeckte Bonanza aufzufinden.
Bei meinen weiteren Streifzügen durch die Sonora, das nordöstliche Gebiet Mexikos, lernte ich einen Südamerikaner aus den La-Plata-Staaten kennen, der sich Pena nannte. Wir hatten uns einander angeschlossen, hatten Freud und Leid miteinander geteilt und mancherlei Abenteuer miteinander gemeinsam bestanden2. Ich musste ihm bei unserer Trennung versprechen, ihn in Tucuman zu besuchen, falls ich einmal nach Argentinien kommen sollte.
Samstag, 2. Februar 1867:
Nicht ganz ungefährlich gestaltete sich mein Weg nach St. Louis zu Mr. Henry, wo ich meinen Bärentöter und den Henrystutzen abholen wollte. Ich hielt mich kurz am Rio Pecos bei den Mescaleros auf, ritt dann durch den Llano Estacado zur Oase von Bloody-Fox. Danach ging es weiter nach Nordost, wo ich teilweise die Bahn benutzen konnte, bis ich bei Mr. Henry in St. Louis war, bei dem ich heute ankam. Er hatte sich ja vor mehr als einem halben Jahr bereit erklärt, meine beiden Gewehre, die allzu auffällig und mir daher bei der Verfolgung von Gibson und Ohlert hinderlich waren, bis zu meiner mutmaßlichen Rückkehr von New Orleans aufzubewahren. Hätte ich damals freilich geahnt, welch unerwünschte Ausdehnung die Verfolgung annehmen würde, so hätte ich die Gewehre mitgenommen. Ich musste Mr. Henry versprechen, mich einige Zeit bei ihm von meinen Strapazen zu erholen, bis ich wieder nach Deutschland zurückkehren würde, was ich auch gerne tat.
Donnerstag, 21. März 1867:
Ich hatte mir vorgenommen, mich auf dem Weg nach New York ein wenig in den Oststaaten umzusehen, da ich hier, außer bei meiner ersten Nordamerika-Reise, fast kaum etwas von der Landschaft und von den Städten gesehen hatte. Bis auf eine Begebenheit, die mich leicht das Leben hätte kosten können, ist nicht viel davon zu berichten. Dieses eine Ereignis geschah, als ich einen Abstecher zum Kanawha machte, einem Nebenfluss des Ohio in West Virginia. Dort wurde ich Zeuge, wie ein Ölbohrturm explodierte und die in der Nähe stehenden Arbeiter mit in den Tod riss. Ich werde dieses furchtbare Ereignis nie vergessen, denn ich war in unmittelbarer Nähe, aber doch glücklicherweise noch so weit entfernt, dass ich mit dem Schrecken davonkam. Wann und wie das meterhoch senkrecht in der Luft stehende lodernde Feuer gelöscht wurde, erfuhr ich nicht mehr, denn da war ich schon aus dem Kanawhatal heraus. Ich setzte danach meine Reise über die Industriestadt Pittsburg und über Philadelphia, wo ich mich etwas länger aufhielt, fort. In New York besuchte ich als erstes das Bankhaus Ohlert, wo ich von Vater und Sohn Ohlert freudig begrüßt wurde. William Ohlert hatte sich in der kurzen Zeit, in der er offiziell als Juniorchef im Bankhaus tätig war, gut eingearbeitet, wie mir sein Vater bestätigte. Selbstverständlich wurde ich eingeladen, während meines New Yorker Aufenthalts in ihrem Haus zu wohnen und mich so zu fühlen, als ob ich hier daheim wäre. Nach kurzem Zögern nahm ich das Angebot dankend an und fühlte mich dort die ganze Zeit recht wohl. Ich nahm dann auch noch Verbindung zur ‚New Yorker Staatszeitung‘ auf, die die Berichte meiner letzten Erlebnisse freudig annahm, denn solche Artikel bekam sie nicht jeden Tag. Natürlich nannte ich darin William Ohlert nicht bei seinem richtigen Namen, sondern veränderte die Angelegenheit etwas, sodass niemand auf den Gedanken kommen konnte, dass damit ein Angehöriger des Bankhauses Ohlert gemeint sei. In zwei Tagen wird ein Dampfer den New Yorker Hafen in Richtung Hamburg verlassen, auf dem mir Mr. Ohlert, obwohl ich das nicht wollte, eine Kabine erster Klasse gebucht hat. So nobel werde ich wohl nie wieder auf einem Schiff die Heimreise antreten. Ich hoffe, bis spätestens Ende dieses Monats wieder zu Hause anzukommen.
Sonntag, 12. Mai 1867:
Ich habe mich ganz kurzfristig entschlossen, eine Rom-Reise anzutreten, und morgen früh werde ich abreisen. Wenn ich Glück habe, werde ich Papst Pius IX. sehen, der seit über zwanzig Jahren das Oberhaupt der katholischen Christen und nun schon 76 Jahre alt ist.
Pfingstsonntag, 9. Juni 1867:
Im Petersdom habe ich am Pfingstgottesdienst teilgenommen, einem feierlichen Pontifikalamt, das der Heilige Vater zusammen mit den in Rom anwesenden Kardinälen zelebrierte. Zu einer Audienz wurde ich leider nicht zugelassen.
Dienstag, 25. Juni 1867:
Heute bin ich von meiner eindrucksvollen Rom-Reise zurückgekommen. Es waren wunderschöne Tage, die ich dort verlebte. Ich habe die Heilige Stadt, die seit der Rückkehr von Papst Pius IX. aus dem Exil von Gaeta mit Hilfe der Franzosen wieder zum Kirchenstaat gehört, reichlich genossen. Nicht nur die wichtigsten christlichen Kirchen und Katakomben habe ich besucht, sondern bin auch regelrecht in den antiken Stätten herumgekrochen und habe die alte römische Zeit an mir vorüberziehen lassen.
10. ZWEITE ORIENT-REISE (1867)
Freitag, 19. Juli 1867:
Ich bin heute wieder auf der Reise in den Süden. Über Genua und Monaco, das durch seine Spielbank1 weltbekannt ist, will ich nach Marseille weiterreisen. Von hier werde ich nach Algier übersetzen und mich von dort aus über die Grenze nach Tunesien begeben.
Dienstag, 13. August 1867:2
Es war erst neun Uhr vormittags, und doch brannte die afrikanische Sonne schon stechend auf das vor uns liegende Tal herab. Wir kamen aus der Provinz Constantine, hatten gestern zwischen Dschebel Frima und Dschebel el Maallega die tunesische Grenze überschritten und waren dann quer durch das Wadi Melis gegangen. Wir wollten bis zum Abend Seraïa Bent erreichen. Mein Diener Achmed es Sallah war lange Zeit in Algier gewesen, stammte aber aus der Gegend, wo wir hinwollten, und war daher für mich der ideale Führer. Er hatte seine Heimat verlassen, da er arm war und Mochallah, die Tochter des Scheiks der Uëlad Sedira, liebte, die ihm dieser jedoch verweigerte. Er hatte in Algier viele Franken und Piaster verdient und nun konnte er dem Scheik bezahlen, was dieser für seine Tochter gefordert hatte.
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