Schietwetter
ÄRGER MIT DEM WETTERGOTT
10. ETAPPE. LOJA – CATACOCHA, 96 KILOMETER, 2.273 HÖHENMETER
Ein Blick zum Himmel verspricht Ärger. Wo gestern noch Sonne Fröhlichkeit auf die Gesichter der Menschen zauberte, verdüstern heute dichte Wolken die Gemüter. Während wir uns zum Startblock aufstellen, fallen die ersten Tropfen. Wir verlassen Loja im Konvoi. Als wir in eine Seitenstraße einbiegen, beginnt der erste Anstieg. Er führt durch eine dieser Favelas, die in Südamerika überall um die Städte herum wuchern. Durchgepflügte Erdpisten, Hütten aus rohem Stein, Holz und Wellblech. Wilde Hunde, tobende Kinder. Kühe, Schafe. Kaum Autos. Wenn sich jemand ein motorisiertes Gefährt leisten kann, ist es ein Moped. Als kleine Gruppe pflügen wir uns über die schlaglochübersäte Piste. Irgendwann dünnt die Besiedlung aus, gelangen wir in eine wolkengetränkte Grünlandschaft. Die Luft ist feucht. Mit jedem Meter wird die Sicht schlechter. Autos sieht man nur, weil man sie hört.
Nach 20 Kilometern biegen wir wieder auf die PanAmericana ein, und der Verkehr nimmt zu. Dafür ist die Straße nun breiter. Mein Tacho ist schon wieder ausgefallen, und ich habe keine Ahnung, wie weit ich schon bin. Im Talboden liegt Catamayo. Musik erfüllt die Luft. Reggae. Wo sie herkommt, kann ich nicht sehen. Schlagartig hat sich die Atmosphäre verändert. Catamayo wirkt wie eine Stadt am Meer. Frecher, frischer, ausgedörrter, aber auch abgezockter als die Orte im Hochland. Auf den breiten Boulevards sind nur wenige Fahrzeuge unterwegs. Überall liegt Müll. In den Straßengräben, an den Bäumen. Trotz der fröhlichen Musik und der wärmenden Sonne wirkt Catamayo traurig. Resigniert.
Wir sind auf 1.200 Meter. So tief wie noch nie seit dem Start. Die Regenwolken kleben an dem Hang, den ich gerade heruntergeflogen bin. Im Tal ist es sonnig und schwülheiß. Wo eben noch Regen über meine Wangen lief, breitet sich nun Schweiß aus. Rasch schmiere ich meine Nase mit Sonnencreme ein. Der Rest des Tages ist ein ständiges Auf und Ab, das immer wieder von Regenschauern begleitet wird. Als ich Catachocha erreiche, bricht erneut die Sonne durch. Das Örtchen thront hoch oberhalb der PanAmericana. Ein letztes Mal steige ich aus dem Sattel, stemme mich gegen die Schwerkraft und erreiche das Tagesziel.
Catacocha ist eine kleine Universitätsstadt im Hinterland der Anden. Voller junger Menschen, die die Welt entdecken wollen. Wir kommen aus dieser und wecken entsprechend Neugierde. Vor dem Hotel warten sie auf uns. Die Mutigsten kommen näher und schauen genauer hin. Radebrechen auf Englisch, wenn sie merken, dass es mit unserem Spanisch nicht zum Besten steht. Die Fahrradtechnik wird allgemein bestaunt. Eine zehnfache Kettenschaltung kennt man in Ecuador nicht. Und dass ein Fahrrad so leicht sein kann wie mein Crosser (um die elf Kilogramm) glaubt hier niemand. Also wird er hochgehoben und dazu ein entsprechender Gesichtsausdruck gemacht. So gibt es viel zu lachen. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass direkt neben dem Hotel ein Kosmetikshop Make-up und andere Hilfsmittel zur Verschönerung bzw. Betonung des eigenen Daseins offeriert. Fernab aller Metropolen treffen in Catacocha wahrlich die Welten aufeinander.
Die morgendliche Beladung der beiden Fahrzeuge sorgt oft für Aufsehen
Anstieg in der Mittagshitze. Mir verschaffte er einen Sonnenstich
11. ETAPPE. CATACOCHA – MACARÁ, 94 KILOMETER, 1.417 HÖHENMETER
Zum Frühstück erntet Wilbert Jubel, als er die Zettel mit der Tagesaufgabe verteilt. Vom Startpunkt auf 1.900 Metern zieht sich ein gerader Strich hinunter auf 1.000 Meter. 20 Kilometer bergab. Dazu keine Zeitnahme, was die Atmosphäre im Fahrerlager zusätzlich entspannt. Auch die Racer können den Tag also genießen und müssen nicht auf ihre Zeit achten. Fröhlich grinsend stürzen wir uns talwärts. Die PanAmericana ist dünn befahren, und wir können die ganze Breite der Fahrbahn nutzen. Viel zu schnell liegen die 20 Kilometer hinter uns. Der Rest des Tages ist wie gewöhnlich. Hoch und runter, selten flach. Unser Lunchtruck parkt idyllisch an einem Fluss, durch den gewaltige Wassermassen donnern.
Nach dem Mittag schließe ich mich einer kleinen Gruppe um Buck und Michelle an. Nach 60 Kilometern stehen wir vor dem letzten Anstieg des Tages. Kein Gigant, doch in der Mittagshitze brennt die Sonne mit goldener Kraft. 43 Grad meldet mein Tacho. Schlagartig bin ich müde. Jeder Tritt fällt schwer, die wahrlich nicht steile Steigung scheint plötzlich unüberwindbar. Im Rekordtempo leeren sich meine beiden Bidons. Der Gipfel ist noch kilometerweit entfernt, und ich wandle bereits an den Grenzen meiner Kräfte. Sehne das Ende der Qual herbei. Hasse die glühende Sonne. Schaffe es mit zittrigen Gliedern gerade so ins Camp.
Dann nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Gegen Abend überfällt mich bohrender Hunger. Im wie verlassen wirkenden Macará finde ich ein Chifa. Doch der dampfende Nudelteller macht keinen Appetit, sondern bewirkt das Gegenteil. Schlagartig verweigert sich mein Magen. Schluckt nur widerwillig ein paar Gabeln der undefinierbaren Masse. Weil es der Verstand mit eindringlicher Stimme befiehlt. Als gar nichts mehr geht, lasse ich den Teller stehen. Fühle mich hundeelend. Komplett entkräftet. Zittre mit Schweißtropfen auf der Stirn vor Kälte. Der 200 Meter lange Weg zurück zur Unterkunft meilenweit. Sofort verschwinde ich im Bett.
In der Nacht bricht die Hölle los. Wütende Revolte im Magen. Ich muss mich übergeben, der Darm schickt Durchfall. Dreimal wiederholt sich das traurige Spektakel. Jedes Mal klettere ich ein Stückchen geschwächter zurück ins Bett.
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