Mit einem Ruck war er aus dem Bett und stieg, ein Licht in der Hand, bleich und ernst die Treppe hinauf, jener Türe zu, hinter der die Ärmste wohl mit aufgelöstem Haar und leidendem Lächeln auf den schönen Zügen, eine neue Ophelia, ihre wirren Spiele trieb.
Wieder tönte von innen ein rhythmisches Hüpfen und ein sonderbarer, wie Brrr! klingender Laut. Er blieb betroffen stehen. Vielleicht war sie auch krank, litt an Fieberfrost infolge von Erkältung und überfülltem Magen. Aber dagegen sprach wieder der feine, fast unmerkliche Zigarrettendunst, der – dem strengen Rauchverbot zum Trotz – durch die Fugen wehte.
Einerlei! Gewissheit musste er haben! Mit zitternder Faust schlug Martin Siebenpfeiffer an die Tür des Damenzimmers. Im selben Augenblick wurde es drinnen mäuschenstill. Eine bange Pause trat ein. Sie innen und er aussen schienen sich voreinander zu fürchten.
„Wer ist denn da?“ flüsterte es endlich ganz dicht an der Tür durch das Schlüsselloch.
„Ich! Doktor Siebenpfeiffer, Vorstand der Sektion der Törlihütte!“
„Und Was ist denn los?“
„Das möchte ich Sie fragen, gnädiges Fräulein! Ich höre Sie hier hüpfen und lachen!“
„Lachen? Ich zittere vor Frost und mache Luftsprünge und tanze herum, um ein bisschen warm zu werden. Es ist ja entsetzlich, wie ich friere!“
„Sie frieren?“
„Wie ein Schneider! Ich habe ja gar keine Wollsachen mit! Ich bin gar nicht für die Berge eingerichtet. Und in den Kleidern, die ich anhab’, steckt immer noch die Nässe. Trotz des Herdfeuers!“
„Dann gehen Sie doch wieder ins Bett!“
„Da ist es ja noch kälter!“ sagte kläglich die Mädchenstimme hinter der Türe. „Der reine Eiskeller! Ich halte es nicht darin aus, mit der dünnen Wäsche. Ich erfriere noch heute nacht!“
„Gibt es denn kein warmes Winkelchen im ganzen Haus!“ forschte die Stimme weiter. „Und ein Licht? Meines ist abgebrannt. Ich muss ein Streichholz nach dem anderen anzünden. Sonst stosse ich mir hier bei meinen Turnübungen Arme und Beine an den Betten entzwei. Ich fürchte mich im Dunkeln!“
„Ein Licht halte ich in der Hand!“ sagte Martin Siebenpfeiffer dumpf und betäubt von all dem Wirbel der Ereignisse. „Und warm ist’s unten im Speisezimmer. Und in der Küche daneben auch!“
„Gott sei Dank!“ Ein tiefer Seufzer der Erleichterung tönte von innen. „Bitte, stellen Sie das Licht auf den Boden! Neben die Lackschuhe. Ich komme gleich hinunter. Sind Sie auch unten? Bitte, ja! Ich finde mich sonst am Ende nicht zurecht, wenn Sie nicht die Güte haben, mir die Honneurs Ihres Hauses zu machen. Also gehen Sie nur voraus! Ich folge Ihnen in einer Minute.“
Wie ein Nachtwandler tastete er sich die Treppe hinab und zündete im Gastzimmer die Hängelampe an. Er wusste nicht, ob er wachte oder träumte. Ein ungeheures Erstaunen war in ihm. Beinahe eine Art Angst. Wenn jene Tür sich öffnete, dann trat mit losem Haar, die flackernde Kerze in der Hand, auf leichten Sohlen endlich – endlich die Romantik in sein Dasein.
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