»Scheint so – Ungarn.« Er schaut wieder in sich hinein, und sie glaubt jetzt bestimmt und fest, er habe eine Vision. Sie selber kennt das ja auch, bloß kommt’s zu ihr nur, wenn sie bedrückt und geängstigt ist, und das kann der Dichter ja nicht sein. Denn Dichter und Professoren müssen doch eigentlich immer eine nahe Beziehung zum Himmel haben und zur ewigen Glückseligkeit …
Er fragt, ob sie auch fahren könne. Er müsse sich etwas Wichtiges aufschreiben, und sie nimmt die Zügel. Frischlin kritzelt. Ihm ist ein Vers eingefallen.
Er sieht den Mann, als wäre er ganz nah neben ihr: Sie will ja, daß er zurückkommt: ein Drama, wahrhaftig, ein Drama oder eine Elegie, für ihn selber und vielleicht – er lächelt bitter –, vielleicht auch für sie.
Frischlin steigt aus, er steht am Wegrand und winkt.
Katharina wartet solang mit ihrem Wägelchen, bis der Fuhrmann mit dem Pferd antrabt; er ist bald schon neben ihr.
Als der Mann auf den Bock steigt und Katharina die Zügel abnimmt, steht Frischlin noch immer und hält das Tier, das unruhig hin- und hertrappelt und den Kopf wirft. Es schaut mit wilden Augen auf den neuen Reiter, der am Sattel herumtastet.
Frischlin redet ihm zu: »Das ist dir nicht recht, daß ein anderer dich jetzt wieder reiten soll, Bukephalos? Mach mir’s nicht so schwer wie dem Alexander, ich will ja kein Mazedonierkönig werden! Komm, sei ruhig, halt still – kennst mich denn nimmer, alter Leihgaul? So … spürst jetzt die kräftigen Beine? Los, trab!«
Er beugt sich herunter und streckt Katharina die Hand hin.
Jetzt hat das Tier den Schenkeldruck verstanden und setzt die Hufe voreinander, langsam und dann in wiegender Gangart. Frischlin ruckt sich zurecht und schiebt sich bequem in den Sattel, halb noch nach hinten gewendet, mit wehendem Bart.
Katharina lacht, so zwiespältig ihr zumute ist und obwohl sie die gelehrten Anspielungen nicht versteht. Aber als sie hinter dem struppigen Knecht wieder im Wagen sitzt, wird ihr doch bänglich; sie winkt und winkt, auch als sie den Reiter nicht mehr sieht.
Es ist dämmrig, es geht gegen Leonberg zu, und sie denkt auf einmal daran, wie man sie empfangen wird. »Kommt der Johannes bald heim zum Helfen?« Und wenn sie den Kopf schüttelt – »Was? Nicht? Was nützt denn das Studieren?«
So werden sie fragen, und nur der Großvater wird ihn in Schutz nehmen, stolz auf das »Ingenium, so ihn zum Stipendiaten würdig gemacht« …
Und was soll sie sagen vom Nutzen des Studiums? Sie weiß, was die engen Hirne im »Städtle« unter Nutzen verstehen und ahnt, was Johannes darunter versteht. Frischlin weiß es auch, obwohl er kaum davon geredet hat, aber als der Dichter neben ihr im Wagen von der »elastischen Phantasia in der Exaktheit« gesprochen, ist’s ihr wie ein junggeborenes Wesen im Flug vor Augen gekommen, ihrem mütterlichen Instinkt nicht fremd, von liebender Angst begleitet, ein Ikarus im Aufschweben … Was wird ihr Johannes finden, der so tief gräbt, unbeirrbar und planvoll? Sie sieht, schon abendmüde, Bilder und Bilder …
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