Statt die deutliche Zurückweisung zu akzeptieren, schlägt Hans Reger der sexunwilligen Frau mehrfach mit der Faust ins Gesicht. Wut, Schmerz und Enttäuschung bündeln sich in der Härte der Hiebe. Die Frau sackt zusammen und schlägt dumpf mit dem Kopf auf dem Boden auf. Der verhinderte Liebhaber scheint zur Besinnung zu kommen. »Hanna, was ist mit dir? Bitte schau mich an!« Auf sein Rütteln und Schütteln an Kopf und Armen gibt es keine Reaktion. Angst wegen der Misshandlungen paart sich nun mit Eifersucht und Wut darüber, dass Hanna Rose seine Zuneigung mit dem Hodengriff genauso abgewiesen hat, wie sie es schon zuvor bei anderen Männern getan haben soll. Er würgt sein Opfer mit beiden Händen und mit aller Kraft und transportiert es in eine Kuhle zwischen den Salzsäcken. Er zerfetzt wie von Sinnen die Kleidung der Frau, bis Ober- und Unterkörper vollständig entblößt sind. Wenn ich sie nicht habe, soll sie auch kein anderer bekommen, schießt es ihm durch den Kopf. Mit voller Wucht drückt Reger seine Knie auf ihren Bauch und manipuliert mit mehreren Fingern an und in ihrer Vagina. Voller Wut beißt er in ihre Brüste, in die Beine sowie ins Gesäß. Bei ihm kommt es dabei zum Samenerguss. Erst als Blut aus dem Mund des Opfers tropft, hält er inne. Er deckt Hanna, die auf dem Papier schon seine Ehefrau war, mit seinem Jackett ab, stürmt aus dem Kesselhaus und verlässt die Nervenklinik, ohne dass ihn jemand aufhält.
Die Flucht von Hans Reger ist schnell beendet. Nur einen Tag später wird er von der Polizei aufgegriffen und zurück in die Nervenklinik gebracht. Eine Streife hatte ihn erschöpft und müde auf dem Gelände eines Holzhandelsbetriebs in Neuruppin überrascht. Er hatte sich ein Schläfchen gegönnt. Der Abend und die Nacht waren schließlich anstrengend gewesen – mit sechs Straftaten durch Einbrüche in Bungalows und in eine Gaststätte in Neuruppin. Neben Geld waren Zigaretten, Schnaps und Wein sein Beutegut.
Zurück gebracht in die Nervenklinik, wird er nach dem Verbleib von Hanna Rose befragt. Die Liebschaft zwischen den beiden Sechsundzwanzigjährigen war nicht unbemerkt geblieben. Er gibt sich als Unschuldslamm, das von nichts etwas weiß.
Hanna Rose wird erst am 7. Februar 1981 von einem Wärter in dem mit Salzsäcken gefüllten Nebenraum des Kesselhauses gefunden. Einen Tag später erlässt das Kreisgericht Haftbefehl gegen Hans Reger wegen Mordverdachts.
Das Bezirksgericht Potsdam verurteilt ihn im November 1981 wegen Mordes und weiterer, von ihm während seiner Flucht begangener Verbrechen zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren. Hemmungslos habe der Angeklagte das Leben des Opfers ausgelöscht, um seine egoistischen Ziele durchzusetzen, heißt es in der Urteilsbegründung. Strafmildernd wirkt sich die bei ihm diagnostizierte leichte Debilität aus.
Die Notwendigkeit für Festlegungen nach Verbüßung der Strafe sieht das Gericht nicht. Weiterer medizinischer Maßnahmen bedürfe es nicht, da schon bisher eine wesentliche Korrektur seines Verhaltens nicht erreicht werden konnte und Gleiches mit Wahrscheinlichkeit auch für die Zukunft zutreffen werde, lautet die fragwürdige Begründung.
Hans Reger verbüßte seine Strafe in der Justizvollzugsanstalt Bautzen. Das dortige Kreisgericht lehnte im Februar 1991 eine vorzeitige Entlassung ab. Ein Gutachter des Sächsischen Krankenhauses für Psy-
chiatrie war nach seiner Untersuchung zu dem Schluss gekommen, dass nach Verbüßung der Strafe eine Einweisung in ein geschlossenes psychiatrisches Pflegeheim dringend notwendig sei.
Aufgelauert. Vergewaltigt. Ausgesetzt.
Mittwoch, 27. Juni 1990, gegen Mittag
An der Kreuzung einer Straße, die zwei Gemeinden im Kreis Finsterwalde, dem heutigen Elbe-Elster-Kreis, miteinander verbindet, steht am Rande eines abzweigenden Feldwegs ein weißer Mercedes. Der Fahrer im Alter von etwa fünfunddreißig Jahren lehnt lässig an seinem Gefährt und beobachtet die Gegend. Aufmerksam registriert er den Verkehr auf der schmalen Straße. Der Mercedes hat ein Wiesbadener Kennzeichen. So etwas fällt jetzt, in der Wendezeit, natürlich auf. Eine Stunde später ist von dem Auto und seinem Fahrer nichts mehr zu sehen. Hatte er nur eine kurze Rast gemacht? Sich von einer langen Autofahrt erholt? Die Anschlussstelle Ortrand der Autobahn Berlin–Dresden ist nicht weit.
Donnerstag, 28. Juni 1990, gegen 6.30 Uhr
Zwei Mädchen, Monika und Jasmin, sind mit ihren Fahrrädern auf dem Weg zur Schule. In einer Woche hat Monika Geburtstag, und die Sommerferien beginnen genau an diesem Tag. Das ist doppelter Grund zur Freude. Die Mädchen radeln dahin, reden vielleicht über ihre Ferienpläne und über Monikas Geburtstag. Sie wird vierzehn Jahre alt. Den Mann am Rande des Feldwegs beachten sie nicht. Der scheint ohnehin in Gedanken woanders zu sein. Jedenfalls macht er keine Anstalten, mit den Mädchen Kontakt aufzunehmen. Ein paar Meter weiter hat Monika Pech. Etwas am Sattel Befestigtes hat sich selbständig gemacht. Das Mädchen hält an, holt sich das verlorene Stück. Die Schulkameradin Jasmin ist derweil langsam weitergefahren.
Als Monika das verlorene Teil auf ihr Gefährt montieren will, steht plötzlich der Mann am Wegesrand hinter ihr, legt seinen Arm um ihren Hals und droht: »Wenn du schreist, bringe ich dich um.« Die Dreizehnjährige bekommt Todesangst. Sie wehrt sich nicht gegen den viel stärkeren Mann. Und schreien kann sie auch nicht. Der Täter hält ihr mit der einen Hand den Mund zu, mit der anderen wirft er das Fahrrad zu Boden und zerrt das Mädchen zu seinem Auto, einem weißen Mercedes. Er stößt Monika auf die hintere Bank. »Leg dich jetzt hin und sei ruhig. Dann passiert dir auch nichts«, herrscht er sein Opfer an. Kein eventuell Vorbeifahrender könnte das völlig verängstigte Kind auf der Rückbank sehen. Der Mann fährt mit dem Auto durch Finsterwalde in Richtung Elsterwerda. Er scheint sich in der Gegend auszukennen, gibt sich aber harmlos. »Wie alt bist du?«, fragt er.
»Ich bin dreizehn, werde in einer Woche vierzehn«, flüstert Monika, die vor Angst zittert.
Wenige Kilometer hinter Elsterwerda biegt der Täter plötzlich in einen Waldweg ein, an dessen Ende ein Bienenwagen steht. An einer Stelle, die von hohem Farn kaum einzusehen ist, hält der Fahrer an, steigt aus dem Auto und umgehend wieder ein zu dem auf der Rückbank liegenden Kind. »Los, schieb den Pully hoch«, fordert der Entführer. Er manipuliert mit den Händen an der Brust des Mädchens. Es genügt ihm nicht, der Mann will mehr. »Zieh dich unten rum aus«, ist der nächste Befehl. Es bleibt nicht nur bei der Manipulation mit den Fingern. Der Täter vergewaltigt das Mädchen. Vor Schmerzen weint es. »Hör bitte auf, du tust mir weh«, fleht das Kind. Gnade kennt der Vergewaltiger nicht. »Hier gibt’s nichts mit aufhören«, höhnt er. Sein skrupelloses Verhalten kennt keine Grenzen. »Hat deine Freundin mehr Haare als du?« Auf das geflüsterte »Ja« kommt die zynische Erwiderung: »Dann hätte ich lieber die nehmen sollen.«
Nachdem der Mann seinen Orgasmus hatte, darf Monika aussteigen. Doch das Martyrium hat damit noch längst kein Ende. »Zieh dich an«, befiehlt er. Dann drängt der Vergewaltiger Monika wieder auf den Rücksitz und fährt mit dem verzweifelten Kind weiter. Bei Ortrand erreicht er die Autobahn nach Dresden. Am Kilometerhinweis »126,5« lenkt der Unbekannte das Auto auf den Randstreifen, schaltet die Warnblinkanlage des Mercedes ein und schleppt sein Opfer in den angrenzenden Wald. Dort muss sich das entführte Mädchen wieder entblößen und erneut eine sexuelle Tortur über sich ergehen lassen. Gönnerhaft kommandiert er nach der zweiten Vergewaltigung: »Bleib hier stehen und warte, ich hole Wasser. Dann kannst du dich saubermachen.« Der Täter hat nichts davon im Sinn. Er verschwindet und überlässt das geschundene und ausgesetzte Mädchen sich selbst. Per Anhalter gelangt Monika in die Nähe eines Pflegeheims. Von dort wird die Polizei benachrichtigt.
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