Auch dieser Mord wird von der Polizei als Einzeltat behandelt. Die Bevölkerung ist aufgeschreckt. Mädchen und Frauen trauen sich kaum noch in die Wälder oder in verlassene Gegenden. Dem »Rosa Riesen« bleibt das nicht verborgen. Ihm fällt es immer schwerer, Opfer zu finden, mit denen er seine gefährlichen sexuellen Veranlagungen ausleben kann. Doch es gelingt ihm immer noch.
Freitag, 22. März 1991.
Tat fünf: Mord an Irina Maschenkowa und
Igor Maschenkow
Nur eine reichliche Woche nach dem Mord an Ilse Förster führt der Zwang, seine schier nicht zu befriedigende sexuelle Gier, den »Rosa Riesen« in einen Wald südwestlich der Ortschaft Beelitz-Heilstätten. Dort trifft er auf Irina Maschenkowa, die mit dem Kinderwagen unterwegs ist, in dem Igor, ihr drei Monate alter Säugling, satt und zufrieden in der erfrischenden Waldluft schläft. Sie ist Russin, ihr Mann dient bei der russischen Armee, die noch nicht vollständig vom Territorium im Osten Deutschlands abgezogen ist.
Der »Rosa Riese« ist, natürlich wieder als »sexy Frau«, auf das Äußerste erregt. Irina hat gegen den Mann, der ihr an Kraft und Körperbau gewaltig überlegen ist, keine Chance. Ehe sie die Gefahr auch nur erahnen kann, umfassen seine kräftigen Hände ihren Hals und drücken zu. Irina wehrt sich verzweifelt. Da dem Mann die »Hände schmerzten«, wie er später zugab, nutzt er einen mitgebrachten Büstenhalter zum Strangulieren und zieht ihn so lange zu, bis die Frau und Mutter tot zu Boden fällt. Igor wird durch den Kampf auf dem Waldweg aus dem Schlaf gerissen und tut das, was ein Säugling nur machen kann: Er schreit, was seine kleinen Lungen hergeben. Es sind Schreie, die für das Baby den Tod bedeuten. Der Mörder schiebt, aus Angst vor Entdeckung, den Kinderwagen ein paar Meter weiter weg in eine Kiefernschonung, nimmt den Jungen heraus und wirft den winzig kleinen Knaben aus Schulterhöhe mit Wucht auf den Boden. Dort trifft das kleine Köpfchen auf einen Baumstamm. Die Schreie verstummen sofort. Schmidt will das später nicht zugeben, sagt, dass der Säugling aus dem umgestürzten Kinderwagen gefallen sei. Das Brandenburgische Landesinstitut für Rechtsmedizin nennt im Ergebnis der Obduktion eine »massive stumpfe Gewalteinwirkung auf den Schädel mit schwerem geschlossenem Schädelhirntrauma« als Todesursache.
Zur Besinnung hat das Geschehene den Täter nicht gebracht. Er befriedigt sich an der toten Irina Maschenkowa, deckt die Leiche mit Kiefernzweigen ab und fährt nach Hause.
Einen Tag nach dem Verschwinden von Irina Maschenkowa und Baby Igor startet ein Trupp russischer Soldaten eine Suchaktion. Sie entdecken die Leichen der Gesuchten. Der Kinderwagen, der sich fünfzig Meter neben dem Waldweg befindet, ist umgestürzt. Drei Meter davon entfernt liegt der kleine Junge. Zehn Meter davor finden die Soldaten die mit gefällten Kiefern bedeckte Leiche der Frau. Deren Oberbekleidung ist aufgerissen, der Unterkörper ist nackt.
Freitag, 5. April 1991, 17.30 Uhr.
Tat sechs: Versuchter Mord an Sandra Kurzweg
und Sandra Wichert
Die Spirale der Gewalt und des Todes dreht sich inzwischen rasend schnell. Nach dem Doppelmord an Irina Maschenkowa und ihrem kleinen Igor ist Wolfgang Schmidt wieder unterwegs. Am Vormittag hat er sich bei verschiedenen Betrieben im Industriegebiet in Potsdam und in Drewitz erfolglos um Arbeit beworben. Zu Fuß macht er sich in Richtung Sputendorf, einem Ortsteil von Stahnsdorf, auf den Weg. Auf verschiedenen Müllkippen ist er fündig geworden. Wäschestücke und Kataloge mit bunten Bildern von Frauen in Dessous sind seine Ausbeute, die er – gut in Säcke verpackt – in eine Kiefernschonung schleppt, wo er sich ein neues »Lager« einrichtet.
Im Anschluss an die »schwere Arbeit« will er sich Erleichterung und Genuss verschaffen. Er entkleidet sich und zieht die neu »erworbenen« Kleidungsstücke über, die er zuvor mit seinen Exkrementen besudelt hat: einen BH, einen Damenslip, eine lilafarbene Jogginghose, einen Pullover und eine Kittelschürze, in deren Tasche er ein Küchenmesser steckt. So bekleidet und sexuell hoch erregt, durchforstet er das Unterholz. Nun ist Wolfgang Schmidt wieder der »Rosa Riese«, der sich schon lange wünscht, mal mit zwei Frauen Gruppensex zu haben.
Und er handelt so. Es ist 17.45 Uhr, als er weibliche Stimmen vernimmt. Es sind die von Sandra Kurzweg und Sandra Wichert. Die zwölfjährigen Mädchen wollen sich ein totes Reh ansehen, das dort in der Nähe liegen soll. Dazu kommt es nicht. Der als Frau verkleidete Täter stürmt aus dem Unterholz und stürzt sich auf sie. Er holt sofort das Küchenmesser aus der Kittelschürze und rammt es Sandra Kurzweg in den Bauch. Das Mädchen ist allerdings zu flink für den Mann. Es kann sich aus der Umklammerung befreien und entkommt in Richtung der Rieselfelder, in denen Abwasser versprüht werden und wo es mächtig stinkt. Auch Sandra Wichert wehrt sich heftig gegen den »Räuber«, der sie von hinten würgt und ihr mit dem Messer in den Bauch und in die Brust sticht. Dennoch kann auch sie entfliehen, weil der »Rosa Riese« plötzlich von ihr ablässt. Er hat erkannt, dass er diesmal sein perverses Verlangen nicht erreichen kann, und nimmt Reißaus in dichte Kiefernschonungen.
Freitag, 5. April 1991, 21.45 Uhr.
Tat sieben: Mord an Margarete Schneller
Nach der Flucht der beiden Mädchen, die für den Täter ein Desaster mit allerhöchster Gefahr ist, irrt der »Rosa Riese« durch den Wald, den er bei Rehbrücke verlässt. Vom dortigen Bahnhof aus fährt er mit dem Zug nach Beelitz-Heilstätten. Dann macht er sich mangels eines direkten Anschlusses zu Fuß auf den Weg zum Wohnort seiner Verlobten. Der führt ihn vorbei an einem in die Jahrzehnte gekommenen Einfamilienhaus. Das Anwesen sieht unbewohnt aus. Mit einem Brikett, das in der Gegend liegt, schlägt er im Erdgeschoss eine Scheibe ein und gelangt in die Küche. Bei der Suche in der unteren Etage entdeckt er im Wohnzimmer einen Schrank. Seine sexuelle Erregung ist noch immer nicht abgeklungen und steigert sich ins »Wahnsinnige«, als er im Schrank eine Damenunterhose und ein Mieder findet. Im Obergeschoss hängen auf einer Leine neben anderer Wäsche ein BH und ein Unterrock. Was für eine Beute! Als er das Haus verlassen will, vernimmt er Geräusche. Sie kommen von der sechsundsechzig Jahre alten Rentnerin Margarete Schneller, die in ihrem Schlafzimmer aufgeschreckt von dem Einbrecher auf ihrer Liege sitzt. Das Entsetzen der alten Frau steht auch Wolfgang Schmidt ins Gesicht geschrieben. Nach der Flucht der Mädchen soll es nicht noch eine weitere Zeugin geben. Schmidt würgt die alte Dame erst mit beiden Händen. Als die Kraft in seinen Fingern nicht ausreicht, erdrosselt er sein Opfer mit einem langärmeligen Unterhemd. Er schneidet das Nachthemd der Frau über der welken Brust auf, entkleidet sich, manipuliert nackend mit einer Kerze an seinem Opfer herum und erleichtert sich durch Geschlechtsverkehr mit der vermutlich schon toten alten Dame. Schmidt zieht seine Männerbekleidung an und lässt die von ihm getragene Unterwäsche und die manipulativ benutzte Kerze neben dem Leichnam zurück.
Nach diesem Verbrechen fahndet die Polizei, die endlich eine Sonderkommission gebildet hat, nach dem Serienmörder. Nach Angaben der beiden geflüchteten Mädchen wird ein Phantombild erstellt. Allerdings ist es, was die Haarlänge angeht, nicht korrekt. Wer wollte es den Kindern verdenken. Auch Schmidt sieht die Fotos, doch er ist sich sicher, dass er nicht der »Rosa Riese« sein kann, der so Schreckliches getan hat. In seiner Phantasie hätten die Frauen alle noch gelebt, alles auch mitgemacht bis zu seiner Erregung, wird er später dem Gutachter sagen.
Die öffentliche Fahndung zeigt Wirkung. Die Mordserie reißt ab. Zwar treibt sich der »Rosa Riese« – stets weiblich gekleidet – weiter in den Wäldern herum, doch Frauen, mit denen er seine abnormen sexuellen Vorlieben befriedigen kann, findet er nicht mehr. Keine Frau traut sich mehr in die Wälder um Beelitz.
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