1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 Nach einer kurzen Rast im Auto werde ich dann zur Schullernstraße (nach einer Innsbrucker Gelehrten-Familie, 19. und 20. Jahrhundert) chauffiert, ich beginne meinen Weg am Südring. Dann gehe ich die kleine Straße hinauf bis zur Kaufmannstraße und ärgere mich unterwegs, dass ich schon wieder nicht darauf geachtet habe, dass der Weg minimal bergauf führt. Das kostet mich mindestens fünf Minuten Pause am Beifahrersitz, aber es gibt Schlimmeres.
Die Rast war auch wirklich notwendig, alleine schon als Vorbereitung für den nun folgenden Paschbergweg (nach dem Amraser Paschberg). Den kannte ich bislang auch nur vom Hörensagen, denn es handelt sich dabei um einen reinen Spazier- und Radweg. Aber er hat es von seiner Länge her in sich, denn er verbindet die Amraser Straße mit dem Sillufer. Zum Glück ist der Paschbergweg gut mit Parkbänken bestückt, dreimal nutze ich das aus. Es ist ein sogenannter „Grüß-Gott-Weg“, denn alle Gassi-Geher, Spaziergänger, Radfahrer und Rollschuhfahrer grüßen sich – es sei denn, sie haben Sound-Stöpsel in den Ohren. Aber die meisten nicken einem auch dann zu … Einmal stürmt ein leinenloser Hund auf mich zu – schwarz, langhaarig und so groß wie eine mittlere Kühltruhe. Er begrüßt mich aber nur freundlich und wedelt dabei so heftig mit seinem Schwanz, dass er dadurch fast das Gleichgewicht verliert. Nett.
Unmittelbar nach dem Paschbergweg absolviere ich die Helblingstraße (nach einer hier ansässigen Familie, 14./15. Jahrhundert), die ist in etwa so kurz wie der Weg davor lang war. Also sehr kurz. Ilse wartet an der Ecke zum Sillufer und ich bin schon wieder dankbar über den feinen Beifahrersitz. Die erholsame Pause verlängert sich dann noch um die Fahrtzeit bis rüber zur Kaufmannstraße, denn ungefähr in deren Mitte entspringt die Dr.-Glatz-Straße (Innsbrucker Gemeinderat und Armenarzt, 1825–1890), die letzte noch ausständige Straße von „Stalingrad“. Ich wandere die Straße in Richtung Norden und kurz vor dem Südring treffe ich beim „Billa“ meinen guten, alten Freund Jörg und seine Frau Dhan. Wir begrüßen uns lachend mit dem „Corona-Shake“, also mit dem Zusammenstoßen unserer Schuhe. Jörgi war einkaufen, der Andrang im Geschäft sei völlig wahnsinnig, klagt er. Viele Regale sind total leergekauft, es gibt kein Obst und kein Gemüse mehr, keine Konserven, kein Stück Brot und die Leute balgen sich um die letzten Packungen Klopapier. Der Corona-Wahnsinn nimmt immer groteskere Formen an, die Menschen bereiten sich offenbar auf eine Art Zombie-Apokalypse vor. Das kommt davon, wenn man sich zu viele drittklassige Seuchen-Filme anschaut, denn so schlimm wird es sicher nicht werden. Ilse und ich vertrauen da ganz auf unseren Hausverstand, übrigens haben wir unseren „Hamsterkauf“ bereits Ende Februar erledigt. Zwar ohne fünf Packungen Klopapier, aber dafür mit Reis, Nudeln, Haltbarmilch und Konserven, was man halt so braucht, falls man mal ein paar Tage nicht aus dem Haus darf.
Die Dr.-Glatz-Straße geht nach dem Südring noch ein ordentliches Stück weiter und erst bei der Amraser Straße ist Schluss.
Jetzt stellt sich die Frage, ob ich die nächste ins Auge gefasste Straße wirklich angehen soll, denn die würde mich bis in die Reichenau hinunterführen. Ich beantworte mir die Frage damit, dass ich mich zum Anfang der Gumppstraße (Innsbrucker Baumeister- und Architektenfamilie, 17./18. Jahrhundert) fahren lasse. Gehe ich halt aus Pradl raus, diese Straße führt nun mal in den Nachbarstadtteil, was soll ich machen?
Nach dem Queren der Langstraße komme ich in den eher ruhigeren Teil der Gumppstraße und ein paar hundert Meter weiter wird es dann noch ruhiger. Denn da befinden wir uns schon im „Fahrverbot, ausgenommen Anrainer und Berechtigte“. Zu denen gehören seit Neuestem übrigens auch wir, denn wir haben hier eine Parkgarage für unser geliebtes Wohnmobil gemietet. Nach Überschreitung der Egerdachstraße ist die Gumppstraße immer noch nicht zu Ende und nach der Andechsstraße auch nicht. Denn sie führt doch tatsächlich vor bis zum Langen Weg – das ist ja nicht nur in der Reichenau, sondern sogar schon eine Außengrenze dieses Stadtteils. Denn auf der anderen Straßenseite des Langen Wegs beginnt schon die Roßau. Puh, die Gumppstraße war wirklich anstrengend und ich genieße die Pause im Auto.
Für die vielen langen Straßen am heutigen Wandertag folgt nun die Belohnung, denn jetzt warten einige wirklich kurze Adressen auf mich. Wir beginnen diese Tour mit der Reithmannstraße (Glückloser Tiroler Erfinder des Vier-Takt-Motors, 1818–1909), die von der Andechsstraße abgeht und an deren Ende das gleichnamige Gymnasium steht. Nadja hat hier am „Europa-Gymnasium“ maturiert, das war damals ein Schulversuch mit den Fremdsprachen Englisch, Französisch, Italienisch und Latein. Der Versuch dürfte sich bewährt haben, denn das „Euro-Gym“ gibt es heute noch.
Gegenüber des Gymnasiums beginnt die Lutterottistraße (Tiroler Dialektdichter, 1793–1872), die ist mit wenigen Schritten abgehakt. Es folgt die Renkstraße (Innsbrucker Dichter, 1871–1906) und da muss ich unbedingt meinen Verleger Markus Renk anrufen und ihm einen Zwischenbericht meiner Wanderung durch Innsbruck durchgeben. Der vielbeschäftigte Markus hebt sofort ab und erzählt mir gleich in kurzen Stichworten den Lebenslauf seines Großonkels Anton Renk, der als der „Dichter von Innsbruck“ in die heimische Literaturgeschichte eingegangen ist. Ich bin schon längst mit der kurzen Straße fertig, da telefonieren wir immer noch.
Die Mitterhoferstraße (Glückloser Südtiroler Erfinder der Schreibmaschine, 1822–1893) verspeise ich als Nächstes, dazu muss ich nur den relativ kurzen Weg von der Reichenauer Straße bis zur Egerdachstraße gehen. Die folgende Straße ist gleich noch kürzer, denn die Maderspergerstraße (Glückloser Tiroler Erfinder der Nähmaschine, 1768–1850) führt überhaupt nur von der Lutterottistraße bis zur Reichenauer Straße, das sind wahrscheinlich nicht einmal 150 Meter. Als letzte Straße in diesem Geviert fehlt mir jetzt nur noch die Kravoglstraße (Erfolgreicher Südtiroler Erfinder, 1823–1889), ein gehtechnisches Freispiel sozusagen. Denn auch diese Straße verbindet die Reichenauer Straße mit der Egerdachstraße, ist also keine 300 Meter lang. Die Kravoglstraße war neun Jahre lang (ups, habe ich jetzt etwa aus Versehen gepetzt?) der letzte Teil von Nadjas Schulweg, denn hier befindet sich der Haupteingang des Reithmann-Gymnasiums.
Jetzt geht’s mit den Straßen aber echt dahin, mal schauen, wie viele ich heute noch zusammenbringe. Also lasse ich mich zur Pembaurstraße (Direktor des Innsbrucker Musikvereins, 1848–1923) bringen, sie ist die Verlängerung der Langstraße in Richtung Norden. Und damit sind wir jetzt beim letzten Teil eines ehemaligen Schulwegs von mir, denn hier befindet sich die Pembaur-Schule. Zu meiner Zeit hat sie noch Renner-Schule geheißen und als sie mein Vater vor 75 Jahren besucht hat, da ging er an dieser Stelle noch in die Schemm-Schule. Das Schulhaus hat sich für mich in all den Jahren um keinen Deut verändert, nur das riesige Zahnrad ist damals noch nicht davor gestanden. Die Pembaurstraße geht über die Reichenauer Straße drüber und endet erst an der Sill, also an der Grenze zum Stadtteil Saggen. Wir fahren dann wieder in unsere eigene Wohngegend, denn da gilt es auch noch ein paar kleinere Straßen zu erledigen. Ich beginne mit der Mitterergasse (Südtiroler Priester, 1824-1899), dieses Mini-Sträßchen werden nicht viele Innsbrucker kennen. Sie stellt eine Verbindung von der Koflerstraße zur Dürerstraße (Nürnberger Maler, 1471–1528) her und die Dürerstraße nehme ich dann sogleich in Angriff. In der gesamten Gegend hier lässt es sich wunderbar wohnen, es herrscht kein nennenswerter Verkehr auf den Straßen und man hört den ganzen Tag die Vöglein zwitschern. Ilse wartet bereits am Ende der Dürerstraße beim Senioren-Wohnheim auf mich, erspare ich mir also die paar Meter bis zur Rilkestraße (österreichischer Lyriker, 1875–1926). Die reicht von der Dürerstraße in Richtung Norden bis zur Gumppstraße und ich hätte sie beinahe übersehen.
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