Marc Rosenberg - Ich bin dein Hirte

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Klaus Peter Larsen, vermutlich ein junger Mann zwischen 25 und 35, hält in einem verborgenen Raum im Keller seines Hauses eine junge Frau gefangen, die er Claudia nennt. Sie liegt nackt auf einem Bett, ist an Armen und Beinen gefesselt und trägt eine Augenbinde. Sie ist ihm vollkommen ausgeliefert. Er will zunächst ihren psychischen und schließlich ihren physischen Zerfall beobachten. Sie ist sein Experiment. Nicht sein erstes und nicht sein letztes.
Dass mit Larsen etwas nicht stimmt, ist sofort klar.
Er nennt seine Opfer Claudia, nach einer Jugendlichen, die in seiner Nachbarschaft wohnt und die er liebt, aber nicht anrührt. Er beobachtet Claudia von seinem Haus aus und sieht eines Tages, wie Claudia von ihrem Vater sexuell belästigt oder gar missbraucht wird. Claudia, die Larsen vertraut, versteckt sich bei ihm. Larsen wird bald darauf verhaftet, weil die Nachbarn gesehen haben, wie Claudia zu ihm gegangen ist. Seitdem wird sie vermisst. Nachdem Claudia bei der Polizei war und ihnen erklärt, was tatsächlich geschehen ist, wird Larsen auf freien Fuß gesetzt. Aber die Polizei behält ihn im Auge, da auch seine Mutter von den Nachbarn vermisst wird, zumindest stimmt etwas nicht. Mit Perücke und Frauenkleidung spielt er seit Tagen den Nachbarn vor, dass seine Mutter lebt.
Seiner Umwelt spielt er den leicht durchgeknallten Irren vor. Tatsächlich ist er alles andere als ein harmloser Irrer, sondern ein mordender Psychopath, der den Bezug zur Realität vollkommen verloren hat. Er schafft sich seine eigene Realität und schreibt Geschichten. Geschichten, in denen er das beschreibt, was er tatsächlich tut: foltern, quälen und morden.
Er lernt seine Opfer durch das Internet kennen, tötet sie entweder sehr schnell oder versteckt sie im Keller, in dem geheimen Raum, über Wochen hinweg. Die Morde geschehen im Verborgenen, in der Dunkelheit und in aller Stille.

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Marc Rosenberg

Ich bin dein Hirte

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Inhaltsverzeichnis Titel Marc Rosenberg Ich bin dein Hirte Dieses eBook wurde - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Marc Rosenberg Ich bin dein Hirte Dieses eBook wurde erstellt bei

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Impressum

1.

„Am Leben bleiben“, flüstert sie.

Ich liebe sie für ihre Worte, ich liebe diese Stimme umso mehr, je öfter ich sie höre, ihren Klang, ihren Ton, die Vibrationen, die sie erzeugt.

„Du musst nur lebendig bleiben“, fährt sie fort, „nur am Leben bleiben. Reiß dich zusammen. Es ist unbedingt notwendig am Leben zu bleiben ... am Leben bleiben. Es ist lebensnotwendig“, sagt sie nachdrücklich, aber ihre Angst und ihre Nervosität sind nicht zu überhören. Sie ist kurz vor der Panik.

Schön. Noch kann sie sich kontrollieren. Noch. Obwohl sie flüstert, spricht sie sehr deutlich, jedes einzelne Wort. Wie um sich selbst von der Bedeutung und der Kraft ihrer eigenen Wörter zu überzeugen. Sie ist noch stark. Faszinierend. Ah, meine Haut kribbelt. Ist das gut.

Dann atmet sie wieder schnell. Und seufzt tief. Atmet ein und atmet aus. Deutlich hörbar.

Ich weiß schon, was jetzt kommt.

„Ich will doch nur leben“, flüstert sie noch immer. „Am Leben bleiben. Atmen. Ich muss doch nur einatmen und ausatmen. Das ist einfach, das schaffe ich. Ich schaffe es“, macht sie sich Mut. „Das ist einfach. Ich bleibe am Leben. Irgendwie. Ich zähle bis zehn, und dann wache ich auf, und wenn nicht, dann fange ich wieder von vorn an. Ja, das schaffe ich.“

Ihre Stimme wird noch leiser und bricht am Ende, sie beginnt zu schluchzen. Und hustet. Ich kann alles gut hören, die Mikrofone sind gut, auch die Bilder, viele Details sind zu sehen. Das Gesicht. Ihre Haut. Die kleinen Härchen, die ihr an Armen und Beinen zu Berge stehen. Selbst ihre Scham steht ihr zu Berge. Vor Aufregung. Was für ein Anblick! In ihrem Innersten bebt und zittert sie. Ich kann es sehen.

Trotzdem bin ich überrascht wie viel Lebenswille, wie viel Kraft sie noch hat. Es freut mich. So habe ich mehr davon, und sie auch. Ja, sie nötigt mir Respekt und ein kleines Lächeln ab. Ich schalte die Mikrofone aus und auch die Kameras. Dann erst öffne ich langsam die Tür. Sie knarrt. Sie zuckt zusammen und ... erstarrt. Und dreht den Kopf ruckartig in meine Richtung. Sie hat in der Zeit, in der sie bei mir ist, gelernt auf jedes kleine Geräusch zu achten. Hochachtung. Ich warte kurz und genieße, was ich sehe, dann erst bewege ich mich langsam und vorsichtig, nahezu geräuschlos, in ihre Richtung. Meine nackten Füße berühren den kalten Boden. Das ist angenehm. Ihr Kopf folgt mir. Sie ahnt, sie fühlt, wo ich mich befinde. Aber sie sieht mich nicht, sie kann mich nicht sehen. Ihr Körper ist angespannt, in Erwartung des Unerwarteten. Des Nichtvoraussagbaren. Unberechenbar. Das fördert die Angst. Ich habe sie soweit. Es ist Angst. Sie zittert. Erst war es Ungewissheit, dann Hoffnungslosigkeit, und jetzt ist es reine, pure Angst. Ihre Brüste sind gespannt, ihre Brustwarzen hart. Deutlich zu sehen. Sie erwartet mich. Aber ich werde sie nicht berühren, noch nicht. Auch wenn sie nicht weiß, was sie erwartet. Ich bin freundlich gewesen, nicht unhöflich oder grob. Ich bin zu ihnen immer freundlich. Sie bekommt, was sie braucht. Und zärtlich bin ich. Ja, ich kann sehr zärtlich sein.

Ich stehe direkt vor ihr. Und warte. Sie spürt meine körperliche Nähe. Ich spüre ihre Wärme. Und ihre Angst. Ich rieche sie, ich kann ihre Angst riechen. Und drunter: sie selbst. Es ist überwältigend.

Die meisten können nicht warten. Das ist für viele unerträglich. Nicht zu wissen, wann es passiert, oder wann überhaupt etwas passiert. Was passiert. Aber es passiert immer etwas, irgendwann passiert es. Und selbst wenn nichts passiert, passiert etwas, denn mit Nichts muss man auch umgehen können. „Nichts“ wird unterschätzt. Sträflich vernachlässigt. Das rächt sich eines Tages. Denn auch Nichts ist etwas. Das wissen die wenigsten. Ich weiß es, ich habe es erfahren. Ja. Ich weiß, was Dunkelheit ist. Darin befindet sich das Nichts.

Sie darf mich nicht sehen.

Es ist so still. So entsetzlich still. Und dunkel. Fast greifbar. Feste Dunkelheit. Als könnte ich sie mit einem Messer schneiden und zerlegen.

Mama?“

Nichts.

Mama! Bitte!“, flüsterte ich. Aus Angst, dass er mich hören könnte. Wie lächerlich.

Lass mich nicht allein, Mama. Lass nicht zu, dass er mir weh tut. Und warum ist es so still? Wo bist du?“

Und wieder höre ich nur Geräusche. In der Dunkelheit. Ich lauere und warte. Und mache mir meine eigenen Bilder. Ja, eigene Bilder. Noch darf sie mich nicht sehen.

Ich kann warten. Auf den richtigen Moment. Den gibt es, immer. Ich habe immer schon warten können. Bis ich bekam, was ich wollte. Heute helfe ich nach. Wenn es nicht anders geht. Ich mache mir meine eigene Wirklichkeit. Fantasie ist nichts dagegen. Wirklichkeit wird zur Fantasie.

Und sie denken, dass es Fantasie ist. Am Ende werde ich lachen. Über sie. Und sie werden sich um mich reißen, um meine Geschichten. Sie wollten es so haben.

Ich gehe um das Bett herum. Langsam, und schaue sie mir an. Ihr Kopf folgt mir. Hatte sie ihren Kopf als ich den Raum betrat noch hoch erhoben, um zu hören wo ich bin, nimmt ihr Körper langsam eine zurückhaltende, geduckte Haltung ein. Aber schützen wird sie sich nicht können. Ihr gesamter Körper ist angespannt. Dass sie dafür noch die Kraft hat! Respekt. Schon wieder. Was ist anders mit ihr? Anders als bei den anderen ... Sie weiß, dass ich sie beobachte. Sie spürt meine Blicke auf ihrer Haut, auf ihren Brüsten, auf ihren Beinen und zwischen ihren Schenkeln. Sie weiß, wohin ich schaue. Weil sie es erwartet. Sie erwartet mich. Sie erwartet, dass ich ihr wehtue.

Aber sie hält es nicht lange aus. Ihre Lippen zittern, ihre Gesichtszüge drohen zu entgleiten.

„Bitte“, fleht sie, „tun Sie mir nicht weh.“ Nicht zum ersten Mal. Und wieder. „Bitte.“

Ich habe ihr nie wehtun wollen. Ich verabscheue physischen Schmerz. Und ich weiß, was das ist, Schmerz. Ich kenne Schmerzen. Ich weiß, was Schmerzen sind.

Sie sieht nicht, wie ich lächle. Schade eigentlich.

„Bitte, tun Sie mir nicht weh.“

„Warum klammerst du so?“, flüstere ich.

„Was?“, fragt sie mit zitternder Stimme. Sie hat gehört, was ich sagte, aber sie kann es wohl nicht verstehen.

„Warum klammerst du dich so sehr an dein erbärmliches, kleines Leben?“

Sie schluchzt.

„Ich will doch nur leben. Ich mache, was Sie wollen, aber lassen Sie mich am Leben. Tun Sie mir nicht weh. Bitte.“

„Na dann. Auf die Knie!“

„Was?“ Sie horcht. Und ist erschrocken.

Ich warte. Und sie bewegt sich, will vom Bett herunterrutschen, um vor mir auf die Knie zu fallen. Fast kommen mir die Tränen, ich spüre fast so etwas wie Rührung. Aber es ist noch nicht Zeit. Noch nicht. Ich habe sie erst vor ein paar Tagen von der dritten Fessel befreit. Das hatte sie sich verdient. Bewegungsfreiheit. Ein bisschen Sicherheit, Vertrauen, Dankbarkeit. Bisher konnte sie sich nur zum Duschen frei bewegen und wenn sie auf die Toilette musste. Auch da würde bald vorbei sein. Ansonsten mag ich Sauberkeit. Sie riechen so gut. Aber Zerfall ist etwas anderes.

Sie kniet vor mir und hebt schon die Hände. Und bewegt ihren Kopf in die richtige Richtung. Es ist genau die passende Höhe. Wunderbar.

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