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Unternehmen sollten auch rechtzeitig einen Kommunikationsplan erarbeiten, der die Kommunikationsabfolge innerhalb des Unternehmens – abseits vom Zeitpunkt der Einbindung der Arbeitnehmervertretungen (siehe Rn. 181ff.) – vorgibt. Je nach Struktur des Unternehmens wird die Restrukturierungsmaßnahme möglicherweise nicht direkt von der Geschäftsführung des Unternehmens, sondern von dessen Gesellschafter(n), z.B. einer im Ausland ansässigen Muttergesellschaft, getroffen. Oftmals soll das Vorhaben zunächst vertraulich behandelt werden, doch ist man auch auf die Mitwirkung der nationalen Geschäftsführung und bestimmter Mitarbeiter angewiesen. Hier gilt es, den richtigen Spagat zwischen Vertraulichkeit und rechtzeitiger Einbindung von bestimmten Arbeitnehmern zu finden, auf deren Mitwirkung das Unternehmen im Zuge der Umsetzung angewiesen ist.
dd) Berücksichtigung von Kostenfaktoren
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Die Durchführung einer internationalen Restrukturierung und insbesondere der Abbau von Personal ist häufig mit erheblichen Kosten verbunden. Zu berücksichtigen sind nicht nur die eigenen Beraterkosten, sondern möglicherweise auch die Übernahme der Kosten der anwaltlichen Beratung der Arbeitnehmervertretung. Hinzukommen die durch die Umsetzung der Maßnahme entstehenden Kosten, wie z.B. Abfindungszahlungen. Die Höhe der Kosten ist jedenfalls von vielfältigen Faktoren abhängig und kann daher stark variieren. Es empfiehlt sich daher, bereits vorab ein Budget zur Orientierung zu vereinbaren.
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Wichtiger Kostenfaktor ist das Timing der Restrukturierungsmaßnahme. Während das Unternehmen in der Regel den Zeitplan vorgibt, sollte dieser an die gängige Beteiligungspraxis mit Arbeitnehmervertretungen des Unternehmens (sog. past practice) angepasst werden. Haben sich längere Verhandlungsphasen mit den Arbeitnehmervertretungen etabliert, wird man dies bei der Kostenberechnung einpreisen müssen. Im Rahmen einer Restrukturierungsmaßnahme von der Past Practice abzuweichen, empfiehlt sich ohne triftigen Grund nicht. Dies würde gegenüber den Gremien zu Recht falsche Signale senden und auch im Hinblick auf zukünftige Maßnahmen das Verhältnis nachhaltig stören. Beteiligungsrechte dienen schließlich nicht nur der Erfüllung der gesetzlichen Pflichten, sondern auch dem regelmäßigen und konstruktiven Austausch zwischen Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretung.
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Im Übrigen können kurze, von dem Unternehmen vorgegebene Deadlines Verhandlungsspielräume gegenüber Arbeitnehmervertretungen schmälern und damit letztlich Kosten erhöhen. Gewinnt die Arbeitnehmervertretung den Eindruck, dass das Unternehmen seine Entscheidung schnell umsetzen möchte und entsprechend Druck auf das Gremium ausübt, steigen in der Regel die Anforderungen, die von Arbeitnehmerseite gestellt werden.
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Ein weiterer, sich auf das Timing auswirkender Faktor sind parallel laufende Beteiligungsverfahren – entweder mit demselben Gremium oder mit einem über- oder untergeordneten Gremium. Konstruktive Verhandlungsrunden in anderen Verfahren können sich positiv auf das Beteiligungsverfahren bzgl. die Restrukturierungsmaßnahme auswirken. Andersherum können sich weniger zielführende und nicht zufriedenstellende Verhandlungsrunden entsprechend negativ auswirken. Jedes Verfahren für sich einzeln zu betrachten fällt oftmals schwer – vielmehr werden einzelne Verhandlungspositionen regelmäßig miteinander verknüpft. So kann es dazu kommen, dass eine Partei für das Entgegenkommen in der einen Sache wiederum ein Entgegenkommen der anderen Partei in der zweiten Sache fordert. Auch hier gilt es daher, wenn möglich, die bisherigen Gepflogenheiten zu berücksichtigen und einzuhalten.
(2) Anwendbare Rechtsordnung
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Auch die jeweils anwendbare Rechtsordnung kann sich auf die Höhe der Kosten auswirken. Dies lässt sich ebenfalls am Beispiel von Personalabbau verdeutlichen: Nach der jeweils anwendbaren Rechtsordnung bestimmt sich unter anderem, ob und welcher Kündigungsschutz Anwendung findet, welche gesetzlichen Kündigungsfristen gelten und ob bzw. in welchem Umfang Abfindungen zu zahlen sind. Da regelmäßig abweichende Regelungen auf kollektiv- und/oder individualrechtlicher Ebene vereinbart werden, ist es notwendig, für jedes einzelne Arbeitsverhältnis zu überprüfen, welche Regelungen jeweils Anwendung finden. Insbesondere individualvertragliche Regelungen, die von der gesetzlichen Regelung zugunsten des Arbeitgebers abweichen, sollten auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Bestehen Zweifel an der Wirksamkeit derartiger Regelungen, kann dies ein zusätzliches Kosten- und gleichzeitig Prozessrisiko bedeuten.
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Steht für jedes einzelne Arbeitsverhältnis fest, welche Regelungen anzuwenden sind, ist einzelfallbezogen zu überprüfen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung rechtlich möglich ist. Dafür bedarf es verschiedener Informationen über den jeweils betroffenen Arbeitnehmer. Nach deutschem Recht zählen hierzu in der Regel zunächst alle Informationen, die für etwaigen Sonderkündigungsschutz von Bedeutung sein können, wie etwa Schwerbehinderung, Mutterschutz/Elternzeit, Mitgliedschaft in einer Arbeitnehmervertretung oder Wahrnehmung einer bestimmten Funktion (z.B. Datenschutzbeauftragte/r). Für den allgemeinen Kündigungsschutz können – je nach Jurisdiktion – etwa die Größe des Betriebs, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter sowie etwaige Unterhaltspflichten von Bedeutung sein. Einige dieser Parameter können darüber hinaus für die Berechnung der Kündigungsfristen oder Höhe der Abfindung eine Rolle spielen.
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Anhand dieser Informationen lässt sich bezogen auf den Einzelfall eine Aussage darüber treffen, ob Kündigungen überhaupt möglich sind, welche Kündigungsfristen gelten und ob bzw. in welcher Höhe Abfindungen zu zahlen sind. Eine Kostenkalkulation sollte zudem stets das Risiko anschließender Rechtsstreitigkeiten berücksichtigen.
3. Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen
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Beteiligungsrechte spielen auch außerhalb des von der starken Rolle der Arbeitnehmervertretungen geprägten Deutschlands eine wichtige Rolle. Während es in Teilen von Asien, Südamerika und dem afrikanischen Kontinent in der Regel kaum bis keine Beteiligungsrechte gibt, weisen vor allem viele europäische Länder eine hohe Dichte an Beteiligungsrechten auf. Doch auch in den USA werden Arbeitnehmer – je nach Branche, in der Regel denen der Industrie – durch teils sehr mächtige Gewerkschaften vertreten. Auch in Südafrika stehen den Arbeitnehmervertretungen in Teilen Beteiligungsrechte zu.
a) Unterschiedliche Gremien
aa) Nationale Arbeitnehmervertretungen
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Zwischen den nationalen Arbeitnehmervertretungen, die für Maßnahmen auf betrieblicher Ebene zu beteiligen sind, bestehen global betrachtet große Unterschiede. Während das zentrale Arbeitnehmervertretungsorgan für derartige Maßnahmen beispielsweise in Deutschland, Österreich oder Luxemburg der Betriebsrat ist, findet die entsprechende Arbeitnehmerbeteiligung in einigen Jurisdiktionen wie etwa Frankreich oder Belgien zusätzlich auch auf gewerkschaftlicher Ebene statt. In Großbritannien findet die Beteiligung, wenn überhaupt, ausschließlich auf gewerkschaftlicher Ebene statt; in Betrieben, in denen die Gewerkschaften nicht vertreten sind, gibt es daher zumeist auch keine Arbeitnehmervertretung. In China vertritt in der Regel eine Betriebsgewerkschaft die Arbeitnehmerinteressen.4 Diese verfügt über eine vergleichbare Funktion wie der Betriebsrat in Deutschland.5 In den USA gibt es kein Organ, das in seiner Funktion mit einem deutschen Betriebsrat vergleichbar ist; allerdings werden Arbeitnehmer in manchen Branchen der Industrie durch Gewerkschaften vertreten.6 Auch in Kanada7 und Brasilien8 kommt Gewerkschaften eine wichtige Bedeutung zu.
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