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Dieser Beitrag behandelt die im Rahmen einer sich auf der arbeitsrechtlichen Ebene abspielenden Restrukturierungsmaßnahme zu beachtenden rechtlichen und praktischen Aspekte. Derartige Restrukturierungsmaßnahmen umfassen insbesondere Organisationsänderungen auf betrieblicher Ebene, wie z.B. Teilungen, Verschmelzungen und Verlegungen von Betrieben und Betriebsteilen sowie Betriebsstilllegungen. Auch die Harmonisierung oder Anpassung von Arbeitsbedingungen kann Folge einer Restrukturierung sein. Im Fokus des Beitrags werden insbesondere die Beteiligungsrechte von Arbeitnehmervertretungen liegen, spielen diese doch für die erfolgreiche Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen regelmäßig eine große Rolle. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf dem Thema Personalabbau einschließlich Massenentlassungen liegen. Gerade weltweit agierende Unternehmen sind aufgrund des schnellen Wandels in Wirtschaft und Technik, der den Einsatz von Mitarbeitern teilweise obsolet macht, von Personalabbaumaßnahmen betroffen. Doch auch die aktuelle politische und gesellschaftliche Lage, wie z.B. der Brexit, verschärft derzeit die Notwendigkeit von erheblichen betrieblichen Veränderungen. Darüber hinaus hat die im Frühjahr 2020 bereits seit Wochen anhaltende Covid-19-Pandemie eine weltweite Wirtschaftskrise ausgelöst. Versuchen viele Unternehmen in Europa derzeit noch, einen größeren Stellenabbau durch Maßnahmen wie Kurzarbeit (z.B. in Deutschland) oder ähnliche Instrumente vorübergehend abzuwenden, ist für die zweite Jahreshälfte mit einer Restrukturierungs- und Insolvenzwelle zu rechnen, die in Teilen auch einen Personalabbau unausweichlich machen wird.
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Detailliert eingegangen wird im Folgenden ferner auf die praktische Umsetzung einer internationalen Restrukturierung, einschließlich aller ihr vorgelagerten praktischen Vorüberlegungen, wie z.B. der Mandatierung eines geeigneten Rechtsberaters sowie der Kommunikation gegenüber den Arbeitnehmern und ihren Arbeitnehmervertretungen. Für viele Unternehmen und Berater, die keine oder wenig Erfahrung auf diesem Gebiet haben, mag eine solche Planung den Eindruck eines unüberschaubaren Vorhabens erwecken. Doch durch eine detaillierte und vor allem rechtzeitige Planung einer internationalen Restrukturierung lässt sich auch ein solches Projekt sehr gut bewerkstelligen.
2. Praktische Vorüberlegungen
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Internationale Restrukturierungsmaßnahmen bedürfen von Beginn an einer globalen und koordinierten Herangehensweise. Da eine internationale Restrukturierung verschiedene Etappen durchläuft, ist eine frühzeitige Planung sowohl in praktischer als auch in rechtlicher Hinsicht unumgänglich. Dafür ist es erforderlich, alle (rechtlich) notwendigen Schritte zu identifizieren. Hierzu zählen in der Regel die folgenden Schritte:
– Planung der internationalen Restrukturierung;
– Durchführung der Informations- und Konsultationspflichten;
– Anzeige gegenüber Behörden/Behördenkommunikation (sofern sinnvoll bzw. eine entsprechende Verpflichtung besteht);
– Implementierung der Restrukturierungsmaßnahme;
– Durchführung von eventuellen Gerichtsstreitigkeiten.
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Der erste Schritt wird bereits vor Beginn der eigentlichen Restrukturierung relevant, ist aber für deren Erfolg sehr wichtig.
a) Planung der internationalen Restrukturierung
aa) Frühzeitige Mandatierung eines geeigneten Rechtsberaters
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Für Großunternehmen, die über eine eigene Rechtsabteilung verfügen, besteht die Möglichkeit, Restrukturierungen auch ohne Inanspruchnahme externer Rechtsberatung umzusetzen. Immer mehr Unternehmen verfügen über große Rechtsabteilungen mit Juristen verschiedenster Rechtsgebiete, einschließlich Arbeitsrechtsexperten, und können mithin Restrukturierungen grundsätzlich mit ihren eigenen Ressourcen stemmen. Ein Trend in Richtung großer Rechtsabteilungen hat sich in den letzten Jahren klar abgezeichnet.
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Manchen Unternehmen mit großen Rechtsabteilungen fehlen teilweise aber auch die personellen Ressourcen, da oftmals mehrere Großprojekte parallel betreut werden müssen. In diesem Fall stellt sich, wie auch in Unternehmen mit keiner oder kleineren Rechtsabteilungen, die Frage, welche Kanzlei am besten für die Umsetzung einer internationalen Restrukturierung geeignet ist. Diese Frage lässt sich jedoch nicht pauschal beantworten, sondern hängt immer von dem konkreten Vorhaben ab.
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Eine Möglichkeit ist die Mandatierung einer großen internationalen Wirtschaftskanzlei. International agierende Kanzleien sind mehr oder minder weltweit vernetzt und können innerhalb kürzester Zeit ein globales Team aus bestens qualifizierten Rechtsexperten in verschiedenen Rechtsgebieten zusammenstellen. Dies gilt auch für Jurisdiktionen, in denen die Wirtschaftskanzlei selbst keinen Sitz hat. Hier kann in der Regel auf ein weltweites Netz von Partnerkanzleien zurückgegriffen werden. Sofern während des Projektverlaufs neue Jurisdiktionen hinzukommen oder ein weiterer Expertenkreis benötigt wird, kann dies ohne Verzögerung bewerkstelligt werden. Im Gegenzug ist die Mandatierung einer internationalen Wirtschaftskanzlei allerdings in der Regel mit hohen Kosten verbunden – dafür ist die Vorgehensweise sehr effizient.
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Als kostengünstiger kann sich die Beauftragung mehrerer kleinerer Kanzleien erweisen, die jeweils nur für ihre entsprechende Jurisdiktion eingesetzt werden. Dies kann insbesondere für Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung sinnvoll sein, sind diese doch oftmals lediglich in einzelnen Jurisdiktionen auf externe Rechtsberatung angewiesen. Doch auch für Unternehmen ohne eigene oder mit kleiner Rechtsabteilung kann es sinnvoll sein, mehrere kleinere Kanzleien zu mandatieren, wenn nur eine überschaubare Anzahl von Jurisdiktionen involviert ist. Je mehr Jurisdiktionen involviert sind, desto höher ist allerdings das Risiko, dass die Weitergabe von Informationen zwischen den einzelnen Kanzleien zu Verzögerungen führt und gleichzeitig der Überblick über das „große Ganze“ verloren geht.
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Auch die Mandatierung von sog. „Boutiquen“, die auf einen bestimmten Rechtsbereich spezialisiert sind und oftmals in kleineren Einheiten arbeiten, kann sich in bestimmten Fällen anbieten, z.B. wenn die Rechtsabteilung des Unternehmens zwar gesellschaftsrechtlich gut aufgestellt ist, aufgrund der Komplexität der arbeitsrechtlichen Maßnahmen jedoch auf besondere arbeitsrechtliche Expertise angewiesen ist. In solchen Fällen kann sich die Mandatierung einer Boutique für den arbeitsrechtlichen Teil empfehlen. Nachteil ist jedoch, dass die Boutique in der Regel nicht auf andere Fachexpertise zurückgreifen kann, sollten im Laufe der Beratung andere Rechtskreise hinzukommen. Die in den letzten Jahren steigende Zahl an Boutiquen hat andererseits aber auch dazu geführt, dass diese inzwischen immer besser vernetzt sind und immer öfter ebenfalls auf ein Netzwerk von Partnerkanzleien zurückgreifen können.
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Diese Erwägungen zeigen, dass bei der Kanzleiauswahl immer das konkrete Vorhaben, die eigenen Ressourcen sowie die gewünschte Schwerpunktsetzung zu berücksichtigen sind.
bb) Erstellen eines Legal Steps Plans
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Zur Identifizierung aller rechtlich notwendigen Schritte ist es hilfreich, frühzeitig einen sog. Legal Steps Plan zu erstellen. Hier werden einzelne Handlungsschritte gemeinsam mit der Festlegung der Verantwortlichkeiten, einer Zeitachse sowie dem jeweils aktuellen Status aufgeführt. Gerade bei umfangreichen Restrukturierungen, die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen auslösen und bei denen eine Vielzahl von Jurisdiktionen sowie unterschiedlichen Beratergruppen betroffen ist, ermöglicht es der Legal Steps Plan , den Überblick zu behalten.
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