In der Sala de los Reyes, an der Ostseite des Patios und ebenfalls prachtvoll mit Stalaktitenkuppeln geschmückt, ist ein Verstoß gegen den Koran zu sehen: ein Deckenfresko mit der Darstellung von zehn Männern, die man als Könige interpretierte (daher der Name „Saal der Könige“) - der islamische Glaube verbietet jedoch figürliche Darstellungen. Auch in mehreren Nischen sind solche Abbildungen erkennbar; vielleicht ein Zeichen der langsamen Aufweichung von Glaubensvorstellungen zum Ende der Dynastie hin.
Die Sala de las Dos Hermanas („Saal der zwei Schwestern“) hat ihren Namen von den zwei großen Marmorplatten am Boden; ihre Stalaktitenkuppel und die gesamte Ausstattung übertrifft noch die des Saals gegenüber. Von hier gelangt man zu einem kleineren Raum, dessen Balkon als Mirador de Daraxa bekannt ist, als „Aussichtspunkt der Sultanin“. Danach führt der Weg durch eine Reihe von Räumen, die der christliche König Karl V. während seiner Flitterwochen und auch danach noch gelegentlich bewohnte. In diesen Habitaciónes de Carlos V. lebte und arbeitete 1829 der amerikanische Schriftsteller Washington Irving. Seine 1832 erschienenen „Erzählungen aus der Alhambra“ machten den allmählich verfallenden Palast weithin bekannt und verhinderten so dessen fortschreitende Zerstörung.
Die Baños Reales, die „königlichen Bäder“, erreicht man über Treppen und den „Zypressenhof“ Patio de los Cipreses. Die aus mehreren Räumen (Ruheraum, Baderäume, Dampfbad) bestehenden Bäder stammen ursprünglich aus der Zeit Yusufs I., wurden aber später mehrfach umgebaut.
Jardines de Partal
Aus den Baderäumen gelangt man in die wunderbaren Gärten der Alhambra. Bis ins 20. Jahrhundert waren die Jardines de Partal verödet; die ursprüngliche Form der Anlage war jedoch bekannt geblieben, so dass sie neu bepflanzt werden konnte. Die zu fast jeder Jahreszeit blühenden Gärten geben einen schönen Rastplatz ab, an ihrem Rand bietet der Palacio de las Damas weite Ausblicke auf Albaicín und Sacromonte. Durch ein Tor geht es hinaus aus dem Palastgelände, der Rückweg ist nicht möglich.
Palacio Carlos V.
Der gewaltige Palast, den König Karl V. ab 1527 in die Alhambra setzen ließ, ruft unterschiedliche Reaktionen hervor. Verständliches Befremden einerseits, passt er doch so gar nicht in diesen islamischen Mikrokosmos; Nachsicht andererseits, da er die vor allem nach innen gekehrte Architektur der Nasriden nicht allzusehr stört und gleichzeitig als bedeutendstes Bauwerk der Hochrenaissance in Spanien gilt. Der quadratische Palast auf einem Grundriss von 63 Meter Seitenlänge blieb unvollendet; fertiggestellt wurde jedoch der kreisrunde Innenhof mit umlaufenden Säulengalerien in jedem der beiden Stockwerke. Er wird oft mit einer Stierkampfarena verglichen, und genau so sieht er auch wirklich aus.
In den Gärten des Generalife
Der Palacio beherbergt zwei sehenswerte Museen. Im Museo de la Alhambra (Mi-Sa 8.30-18 Uhr, Di/So 8.30-14.30 Uhr; gratis) ist eine Ausstellung des maurischen Kunsthandwerks zu sehen, die auch eine ganze Reihe von Einrichtungsgegenständen der Alhambra selbst umfasst; ihr Prunkstück ist die wunderbar gefertigte Vase „Jarron de las Gacelas“ aus der Mitte des 14. Jh. Das Museo de Bellas Artes (Museum der Schönen Künste, Di-Sa 9-18 Uhr, So 9-15 Uhr; Eintritt für EU-Bürger frei, sonst 1,50 €) zeigt Skulpturen und Gemälde von Meistern wie Diego de Siloé und Alonso Cano. Die Ausstellung besitzt eine lange Tradition: Sie wurde bereits 1839 gegründet und residiert seit 1958 im Palacio Carlos V.
Generalife
Die Gärten des Generalife sind auf ihre eigene Art fast so reizvoll wie der Nasridenpalast und sie kommen den Schilderungen des Korans bezüglich des Paradieses wohl recht nahe - so nicht gerade mehrere Reisegruppen über sie herfallen.
Am Morgen, wenn sich alles auf die Alhambra stürzt, und am Abend kann man dieses kleine Paradies aus Wasser, Blüten und Licht am schönsten genießen. Der Generalife gibt aber auch einen feinen Ruheplatz an heißen Nachmittagen ab. Einst diente er als Sommersitz der Nasriden-Könige, die sich hier auch einen Palast hinstellen ließen. Von christlichen Herrschern mehrfach umgebaut, hält der Bau allerdings keinen entfernten Vergleich mit den Palacios Nazaríes aus. Es sind die Parkanlagen selbst, die diesen „schönsten aller Gärten der Welt“ so anziehend machen.
Wer Alhambra und Generalife gesehen hat, wird vielleicht nicht auf dem selben Weg zurückkehren wollen. Eine Alternative zur Cuesta de Gomérez bietet die Cuesta del Rey Chico (auch: Camino de los Chinos), die zwischen Generalife und Alhambra hindurch bergab zum Darro-Flüsschen führt. Unten angekommen, steigt man entweder zum Albaicín auf oder geht zurück zur Plaza Nueva, gönnt sich dabei vielleicht in den Freiluftbars am Paseo del Padre Manjon eine Ruhepause mit Alhambra-Blick.
„Ein Paradies, für viele verschlossen, Gärten, für wenige geöffnet“
Soto de Rojas über Granada, zitiert von Lorca
La Antequeruela
Ornamentale Pracht im Cuarto Real de Santo Domingo
Eine weitere Möglichkeit des Abstiegs von der Alhambra zur Innenstadt, beziehungsweise des Aufstiegs in umgekehrter Richtung, bietet der Weg durch das Viertel Antequeruela.
Benannt ist das Gebiet nach den Mauren, die einst aus der Stadt Antequera vertrieben und dann hier angesiedelt wurden. Das ruhige Viertel mit seinen schönen, großzügigen Häusern erstreckt sich zwischen dem Campo del Principe und dem großen, im 16. Jh. angelegten Park des Alhambrahügels. Verehrer des Komponisten Manuel de Falla können nahe der Straße Antequeruela Baja sein Wohnhaus besichtigen, in dem das Museum Casa Museo Manuel de Falla (Di-So 9-14.30 Uhr; Führungen 3 €) untergebracht ist. Ganz in der Nähe liegt am Callejón Niños del Rollo 8 die Fundación Rodríguez-Acosta (tägl. 10-18.30 Uhr, im Winter bis 16.30 Uhr; 6 €), das von ihm selbst zwischen 1916 und 1930 gestaltete Anwesen des Malers José María Rodríguez-Acosta; interessant sind insbesondere die auf enger Grundfläche, aber in mehreren Ebenen angelegten, fast surrealistisch wirkenden Gärten mit Teichen, Patios, Statuen, Galerien und Balkonen. Ebenfalls nicht weit entfernt von der Casa Museo Manuel de Falla, jedoch in der Gegenrichtung, erstrecken sich am „Märtyrerfeld“ Campo de los Mártires die romantischen Gartenanlagen Carmen de los Mártires (Mo-Fr 10-14, 18-20 bzw. im Winter 16-18 Uhr, Sa/So 10-20 bzw. im Winter 18 Uhr; gratis), die überwiegend aus dem 19. Jahrhundert stammen. Als Abschluss, oder im Fall eines Aufstiegs als Auftakt, empfiehlt sich eine Rast in einer der Terrassenbars am Platz Campo del Príncipe.
Cuarto Real de Santo Domingo: Erst seit 2015 zugänglich sind die Reste dieses Nasridenpalasts nahe der Plaza de los Campos, der zur Zeit der Herrschaft von Mohammed II. (1273-1302) an die Stadtmauern gebaut worden war. Erhalten blieb nur ein Verteidigungsturm, der heute in ein modernes Gebäude integriert ist. Sein Inneres beherbergt die einstige Empfangshalle („Qubba“) des Palasts, die unter den Katholischen Königen von Dominikanern in eine christliche Kapelle umgewandelt wurde (daher der Name); ihre reizvolle ornamentale Dekoration gilt als ein direkter Vorläufer derjenigen des Königspalasts der Alhambra. Quasi eine Etage tiefer liegen die Grundmauern einer älteren Militäranlage. Die Gärten im Stil des 19. Jh. erstrecken sich an derselben Stelle, an der auch die Gartenanlagen des ursprünglichen Palasts lagen.
Читать дальше