Wer schon eine gültige Eintrittskarte hat (oder nur mal in die Anlage hineinschauen möchte, denn der Eintritt ins Burginnere an sich ist als „öffentliche Zone“ frei) kann durch dieses Tor den Komplex betreten, alle anderen müssen noch gut einen halben Kilometer weiter zum Haupteingang beim Großparkplatz. Von dort geht es, nunmehr innerhalb des Mauerrings, quer durch das gesamte Gelände zur Festung Alcazaba und zum Königspalast. Man ist eine Weile unterwegs und muss vor dem Nasridenpalast zudem mit einer Warteschlange rechnen; wenn der festgelegte Zugangs-Zeitpunkt unmittelbar bevorsteht, sollte man also nicht bummeln.
Alcazaba
Die Festung Alcazaba ist der älteste Bereich der Alhambra und auch für ihren Namen verantwortlich: al-Hamra, „Die Rote“, wurde sie von den Mauren genannt, nach der rötlichen Farbe ihrer Mauern. Der doppelte Mauerring deutet mit zahlreichen Türmen keilförmig auf die Stadt. Das Gebiet innerhalb hat leider ziemliche Zerstörungen erlitten und deshalb kaum noch hochrangige Sehenswürdigkeiten aufzuweisen.
Torre de la Vela: Der am weitesten zur Stadt vorgeschobene, 26 Meter hohe Turm kann bestiegen werden, was man sich nicht entgehen lassen sollte. Der Blick auf die Stadt und die fruchtbare Flussebene Vega ist besonders im Abendlicht einfach superb. Die Glocke auf dem Flachdach gab in früheren Zeiten die Signale für die Bewässerung der Vega. Heute wird sie nur selten geläutet, z. B. am 2. Januar, dem Tag des Einmarschs der christlichen Könige. Wer sie einem alten Volksglauben zufolge an diesem Tag berührt, wird bald heiraten.
Palacios Nazaríes (Palacio Real)
Höchster Turm der „roten“ Alcazaba: Torre de la Vela
Der Königspalast der Nasriden, gelegentlich als „Achtes Weltwunder“ bezeichnet, bildet den Höhepunkt der Alhambra. In seinen Anfängen stammt er aus der Zeit von Mohammed Al-Ahmar, dem Begründer der Dynastie, die prächtigsten Abschnitte entstanden jedoch unter Yusuf I. (1333-54) und Mohammed V. (1354-91). Verblüffend: Die Dekoration im Inneren dieses himmlischen Traums besteht in weiten Teilen aus den gewöhnlichen Materialien Holz und Gips. Die verschlungenen Wandornamente, die filigranen arabischen Schriftzüge, die „Spinnweben Gottes“ genannt wurden - schlichter Gips, der früher bunt bemalt war. Man kann darin durchaus die Philosophie sehen, nicht für die Ewigkeit zu bauen, sondern zur Freude der jeweiligen Bewohner. Wenn die Stuckdekoration nicht mehr gefiel, ließ man die Ornamente ändern, Ausbesserungen schadhafter Stellen waren problemlos möglich. Aus ähnlichen Gründen wirkt der Palast von außen so schlicht: Aller Prunk und Glanz leuchten im Inneren, eben da, wo man lebte.
Die meist in der Pluralform als „Nasridenpaläste“ bezeichneten Palacios Nazaríes gliedern sich in drei Bereiche, die räumlich streng getrennt sind: Der Mexuar diente Versammlungen und der Gerichtsbarkeit, El Serrallo war der eigentliche Palast. Der sich anschließende Harem war als „Allerheiligstes“ nur den Herrschern, ihren Familien und ausgewählten Dienstboten zugänglich. Mittelpunkt jedes Traktes ist nach orientalischer Tradition ein Innenhof, auf den alle Räume münden.
Mexuar
Der Gerichts- und Empfangssaal der arabischen Herrscher ist mit farbigen Azulejo-Kacheln ausgekleidet; in christlicher Zeit diente er als Kapelle. Der anschließende Innenhof Patio de Mexuar stellt die Verbindung zum eigentlichen Palast her und besitzt eine wunderschöne Fassade. Ein Zugang führt zum Cuarto Dorado, dem „Goldenen Zimmer“, dessen fantastische Dekoration hauptsächlich von den Katholischen Königen stammt, aber in orientalisch inspiriertem Mudéjar-Stil gehalten ist.
El Serrallo
Restauriert: der „Löwenhof“ Patio de los Leones
Ein weiterer Raum leitet vom Mexuar zum „Myrtenhof“ Patio de los Arrayanes (auch: Patio de Comares) über, dem zentralen Innenhof des Serrallo. Spätestens hier beginnt man nun wirklich den Zauber des Orients zu spüren. Schlanke Säulen, hauchfeine Ornamente, ein wassergefülltes Zierbecken - alles atmet Leichtigkeit, ist von schwereloser Eleganz. Im Norden des Myrtenhofs beherbergt die Torre de Comares den gleichnamigen Saal, zu dem man durch einen schmaleren Vorraum gelangt. In dem auch als Sala de los Embajadores („Saal der Gesandten“) bezeichneten Prunkraum empfing der Herrscher ausländische Diplomaten und hohe Gäste, hier stand sein Thron. Entsprechend prachtvoll ist der Saal ausgestattet, mit einer Deckenkuppel aus feinstem Zedernholz und Wandarabesken in über 150 verschiedenen Mustern. Die Koransuren, Inschriften („Ich bin das Herz dieses Palastes“), geometrischen und pflanzlichen Ausschmückungen waren ein besonderes Steckenpferd von Yusuf I., der den beteiligten Meistern genaue Anweisungen gab. Lange währte seine Freude am Ergebnis nicht: 1354, kurz nach Fertigstellung der Dekoration, wurde er in der Moschee der Alhambra ermordet.
Harem
So großartig schon der Myrtenhof - der absolute Höhepunkt der Alhambra wird erst im Patio de los Leones erreicht. Der berühmte „Löwenhof“, Glanzstück islamischer Architektur, ist das Herz des Harems.
Dieser Trakt war das intime Privatreich Mohammeds V., zugänglich nur für ihn, seine Frauen, Konkubinen und Kinder; Diener zählten nicht. Den Mittelpunkt des von fast schwerelosen Arkaden umsäumten Hofs bildet der Brunnen mit zwölf Wasser speienden, gedrungenen Löwen. Vier kreuzförmig verlaufende Wasserrinnen gehen von ihm aus. Seit 2002 war der Löwenhof Objekt einer aufwändigen Restaurierung, die erst 2012 abgeschlossen wurde. Bei den Arbeiten wurde nicht nur der bisherige Bodenbelag durch einen neuen aus Macael-Marmor ersetzt, ganz ähnlich dem, der zu Zeiten Mohammeds V. verlegt war - man stellte auch bei der Restaurierung der Löwen selbst fest, dass jeder von ihnen unterschiedliche Gesichtszüge aufweist. „Wie in allen Teilen des Palastes zeigt auch hier die Architektur eher ausgesuchte Feinheit und exquisite Eleganz als bauliche Erhabenheit und Größe. Sie verrät einen zarten, anmutigen Geschmack, der den Neigungen der Bewohner zu besinnlichem Genuss und Vergnügen Rechnung trug“ (Washington Irving). Die drei um den Hof liegenden Säle sind ebenfalls wunderschön. Bevor man sie aufsucht, lohnt sich jedoch noch ein Blick auf die tropfsteinartigen Vordächer an den Schmalseiten.
Die Sala de los Abencerrajes an der Südseite des Hofs besitzt eine wunderbare, träumerisch beleuchtete Kuppeldecke in der Art von Honigwaben, die sich im Brunnen des Saals spiegelt. Herb ist der Kontrast des lieblichen Anblicks zu der blutigen Geschichte des Saals: Hier soll einst eine schaurige Metzelei an 36 Mitgliedern der Abencerrajes-Familie stattgefunden haben; die rostfarbenen Flecken im Brunnen und auf dem Fußboden, so die Legende, stammen von ihrem Blut.
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