»Also ist unser Mörder nicht sonderlich stark. Und verfügt über kein sonderlich großes handwerkliches Können.«
»Nein, eine Erklärung könnte jedoch auch sein, dass Peter Münster-Smith einen Mantel anhatte und darunter sein Sakko trug. Das Messer musste durch einige Lagen Stoff, um die Haut zu erreichen.«
»Natürlich.«
»Die Stichwinkel variieren etwas, sodass man nicht wirklich sagen kann, wie groß unser Täter ist. Kim Larsen-Jensen wird am Wochenende ein paar Berechnungen anstellen, am Montag bekommen wir seine Einschätzung über den Handlungsablauf und die mögliche Größe des Täters.«
»Sehr gut.«
»Die letzte Mahlzeit von Peter Münster-Smith bestand offenbar aus Plundergebäck und Kaffee. Wir wissen, dass es bei der Sitzung, an der er zwischen 16:00 und 16:30 Uhr teilnahm, Schokoladencroissants gab, das passt also. Die endgültige Analyse bekommen wir erst später.«
»Drogen? Alkohol?«
»Es ist zu früh. Die toxikologische Untersuchung erhalten wir erst in ein paar Tagen.« Frank blieb vor den Fotos des Toten stehen. »Ich wünschte, wir wüssten mehr über Münster-Smith. Also über sein Privatleben. Bisher hatten alle, die wir gesprochen haben, eine berufliche Verbindung zu ihm.«
»Was ist mit Vera Kjeldsen?«
»Ja, natürlich. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass sie viel über ihn weiß.«
»Oder sie wollte es uns nicht erzählen. Sie hat dreizehn Jahre für den Mann gearbeitet, Janssen, und sie hat ihn offensichtlich gemocht. Sie muss ihn ziemlich gut gekannt haben.«
»Vielleicht sollten wir auch sie einbestellen und ihr noch ein bisschen auf den Zahn fühlen.«
»Vielleicht.« Pia schaute auf die Reinschrift ihrer Notizen aus dem Gespräch mit Vera. »Meinem Gefühl nach wird sie sich nur noch mehr verschließen. Ich glaube, sie ist ungewöhnlich loyal ihrem Arbeitgeber gegenüber – lebendig oder nicht.«
»Du kannst es ja nachher noch einmal versuchen.«
»Außerdem würde ich sehr gern diese Sara finden.«
»Das Date von Münster-Smith? Glaubst du nicht, dass sie sich melden wird?«
»Um ihre fünfzehn Minuten Berühmtheit in den Boulevardblättern zu bekommen? Hoffen wir’s.«
»Auch Axel Holkenfeldt muss etwas über das Privatleben seines Partners wissen. Sie standen sich viele Jahre sehr nahe.« Frank drehte sich um. »Die Techniker müssten doch allmählich mit der Untersuchung der Sachen aus der Kommode von Münster-Smith fertig sein?«
»Es ist Samstag.«
»Ruf trotzdem an.«
Ein uniformierter Beamter steckte den Kopf zur Tür herein. »Axel Holkenfeldt sitzt in der Eins, und Benedicte Johnstrup habe ich in Raum 3 gebracht.«
»Danke«, sagte Frank. »Wir sind unterwegs.«
»Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht mehr an den Namen der Pizzeria erinnern können?« Pia Waage beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. Das kleine Aufzeichnungsgerät summte leise unter der Tischplatte.
»Es tut mir leid, nein.«
»Aber Sie würden sie wiedererkennen, wenn wir daran vorbeifahren?«
Holkenfeldt zuckte mit den Schultern. »Vielleicht.«
»Wir haben mit sämtlichen Pizzerien auf dem Weg zwischen der Kingos Allé und dem neuen Hotel Radisson gesprochen. Niemand kann sich an Ihre Bestellung erinnern.«
»Es war ziemlich viel los, als ich da war.«
»Und dann haben Sie unglücklicherweise auch noch die Quittung weggeworfen?«
»Ja, in der Tat. Normalerweise bin ich bei so etwas immer sehr sorgfältig.«
»Was sagt denn die Buchhaltung dazu? Ist das eine ›Ausgabe ohne Beleg‹ oder wie?«
»Na ja, es geht ja nicht um ein Vermögen. Die Runde habe ich gern ausgegeben.«
»Was ist mit Getränken? Haben Sie den Roomservice genutzt?«
»Ich habe ein paar Flaschen aus dem Büro mitgenommen. Rotwein, den mir Kunden geschenkt hatten.«
»Und wie haben Sie die Flaschen transportiert?«
»In einer roten Plastiktüte. Sagen Sie mal, sind wir hier bei der Inquisition?«
»Wir müssen nur ein paar Details klären«, erwiderte Pia. »Es dauert nicht mehr lange.«
*
»Ich habe Axel im Foyer getroffen. Er hatte die Pizzen dabei. Und eine Tüte mit ein paar Flaschen gutem Rotwein«, erklärte Benedicte.
»Was war das für eine Tüte?«
»Das weiß ich wirklich nicht mehr. Eine Tüte vom Magasin, glaube ich. Ist das wichtig?«
»Wann ist er angekommen?«
»Um achtzehn Uhr.«
»Abgesehen davon, dass er in der Pizzeria gewesen ist, kam er direkt von der Arbeit?«
»Wir sind beide direkt von der Arbeit gekommen.«
»Aber Sie sind nicht gemeinsam gefahren?« Frank Janssen sah sie an. Sie sah erschöpft aus. Ihre Haut war beinahe wachsgelb, in ihrem Augenwinkel zitterte ein Muskel.
»Nein«, antwortete sie und versuchte mit einer Fingerspitze, ihren irritierenden Tick zu stoppen. »Wir sind getrennt gefahren. Wir mussten ja nach dem Treffen wieder nach Hause.«
»Eigenartig, aber wir haben einen Zeugen, der schwören würde, dass Axel Holkenfeldts BMW am Donnerstagabend zwischen 20:00 und 21:00 Uhr auf dem Parkplatz der Firma stand.«
»Das kann nicht stimmen. Axels Auto stand den ganzen Abend über gegenüber vom Hoteleingang. Ich habe es doch selbst gesehen, als wir nach Hause gingen.«
»Warum hat er denn nicht im Parkhaus des Hotels geparkt?«
»Ich weiß es nicht. Fragen Sie ihn selbst.«
»Haben Sie im Parkhaus geparkt?«
»Nein.«
»Und warum nicht?«
»Ich …« Benedicte räusperte sich. »Es war gerade ein Platz frei, als ich kam, und ich dachte, das ist besser. Die Tiefgarage ist teuer.«
*
»Wo hatten Sie Ihren Wagen geparkt, Axel?«, erkundigte sich Pia.
»Vor dem Hotel.«
»Auf welcher Straßenseite?«
»Was meinen Sie?«
»Auf der gleichen Seite, auf der das Hotel liegt, oder auf der gegenüberliegenden?«
»Öh, auf der gleichen Seite.«
»Und dann haben Sie sich mit Benedicte Johnstrup getroffen?«
»Ja, wir hatten verabredet, gemeinsam hinaufzugehen.«
»Können Sie sich noch an die Zimmernummer erinnern?«
»Äh …«, er fuhr sich mit der Hand durch das spärliche Haar. »Ich bin sicher, Benedicte wird sich erinnern. Ich bin ihr einfach nur nachgelaufen.«
»Können Sie die Möbel des Zimmers beschreiben?«
»Sagen Sie mal, was soll das eigentlich? Stehe ich unter Verdacht?«
»Weshalb sollten Sie?«
»An meinem Alibi ist doch nichts auszusetzen.«
»Das sage ich auch gar nicht. Es gibt nur ein paar Dinge, die meine zarten Ohren stören.«
»Wie bitte?«
Pia Waage richtete sich auf. »Soll ich ganz ehrlich sein?«
»Das wäre sehr freundlich«, erwiderte Holkenfeldt. Er schlug die frisch gebügelten Hosenbeine übereinander. »Zur Abwechslung.«
»Ich glaube, Sie erzählen mir eine Lüge nach der anderen, Axel. Sie und Ihre Kommunikationschefin haben diese sterbenslangweilige Geschichte mit den Spaniern, dem Hotel und der Pizza nur erfunden, um zu vertuschen, was Sie am Donnerstag tatsächlich gemacht haben.«
Jetzt richtete sich Axel Holkenfeldt auf. »Was bilden Sie sich ein. Wollen Sie behaupten, dass ich lüge?«
»Genau das habe ich gesagt, ja.«
»Das ist ungeheuerlich.«
»Sie sollten mir besser erzählen, was in Wahrheit passiert ist, ich bin sonst gezwungen, Ihre potenziellen Investoren aus Madrid zu kontaktieren.« Pia sah ihn ruhig an. »Wer weiß, was sie davon halten, in einen Mordfall hineingezogen zu werden? Wenn man sie auffordert, dem Inhaber der Firma ein Alibi zu geben – mit dem sie an diesem Abend gar nicht zusammen waren? Ob sie dann wirklich noch Lust haben, sich an diesem Geschäft zu beteiligen?«
*
»Selbstverständlich lüge ich nicht«, sagte Benedicte Johnstrup. Ihr Tick war schlimmer geworden, sie hielt einen Finger auf den bebenden Muskel gepresst. »Warum sollte ich?«
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