Selbstverständlich war Harald der Erste in der Sauna. Er hasste Unpünktlichkeit. Deshalb hatte er sich noch weit vor seiner Scheidung angewöhnt, immer viel früher am vereinbarten Treffpunkt zu sein.
Schon beim Betreten der Wellnessanlage fiel ihm eine Dame mit kurzem, schwarzem Haar um die sechzig herum auf, weil sie ihre Augen nicht von ihm abwenden wollte. Selbst als ihre männliche Begleitung sie darauf aufmerksam machte, konnte sie ihre Augen nicht von Harald abwenden.
Ihn verunsicherte das und er war dann froh, als seine Freunde endlich eintrafen.
Die Dame gab trotz ihres Partners und Haralds Freunden keine Ruhe.
Als er von der Dusche kam, stellte sie sich ihm in den Weg und schien den auch gar nicht frei machen zu wollen, ohne dass er sie darum bitten musste.
Und selbst nachdem er das mit einer freundlichen Bitte getan hatte, blieb sie so stehen, dass Harald sie unter den kritischen Blicken ihres Begleiters beim Vorbeigehen mit seinem Arm an ihrem Busen streifen musste.
Auch bei den Saunadurchgängen verfolgte sie ihn zusammen mit ihrem Begleiter, der ihr wie ein Schoßhündchen auf Schritt und Tritt nachzulaufen schien, dort dann aber alle Gespräche an sich riss und sich als ein elender Selbstdarsteller präsentierte, wie Harald es von seinem Vater her kannte und daher schon seit den frühesten Jugendtagen verabscheute.
Wenn Harald in einen Raum ging, folgten sie ihm kurze Zeit später, nahm er Platz auf den Ruheliegen, marschierten sie ihm nach, die Dame sprach ihn allerdings nicht an, sondern schien darauf zu warten, dass Harald die Initiative ergreifen würde, doch der traute sich entweder nicht oder kam gar nicht dazu, weil ihr Begleiter in einer Tour redete, was dann Max Wild, den knapp über vierzigjährigen Versicherungsvertreter und Freund von Harald, dazu veranlasste, darüber ein paar Worte zu verlieren: „Bemerkst du die Dame nicht, die dir heute ständig hinterherläuft?“
Harald versuchte seine Angst vor weiteren Verletzungen, wenn er sie in ein Gespräch verwickeln würde, zu kaschieren, indem er ahnungslos tat und darauf hinwies, dass einer Frau, die dafür eventuell in Frage komme, ständig ein älterer Mann folgte, der seiner Meinung nach die absolute Kontrolle über die Frau hatte.
„Hör auf, mich verarschen zu wollen! Das bemerkt doch ein Blinder mit einem Krückstock. Ich meine die reifere Dame mit dem Jungenhaarschnitt. Der Kerl, der ihr ständig nachläuft, scheint sie eher zu nerven, als dass er sich zwischen euch drängen könnte“, erklärte Max.
„Klar, bemerke ich das alles! Die verfolgt mich schon von Anfang an, aber ihr Begleiter lässt sie keinen Satz sagen, ohne dass er sich einmischt und ihre Worte richtigstellt“, gab Harald nach.
„Und? Willst du sie jetzt nicht mal ansprechen, warum sie dir so nachläuft?“, fragte Max.
„Das kriege ich nicht geregelt. Ich kann seit meiner Scheidung nicht mehr mit Frauen umgehen.“
„Dann sprich sie aufs Wetter an!“, forderte Max.
„Da ist mir zu blöde.“
„Die Mary will bestimmt nur von dir gefickt werden, mehr will die gar nicht“, meinte Dominik. „Ich kenne sie und Donald, ihren Lebenspartner, schon seit einigen Jahren, seit sie aus England in unsere Stadt zogen. Der macht sie nicht mehr so richtig glücklich, aber die geht ab wie ein Zäpfchen, wenn man ihren Geschmack trifft.“
„Ich finde dafür erst recht nicht die richtigen Worte. Mit Sex habe ich schon lange nichts mehr zu tun. Eine Frau sexuell erobern kann ich auch nicht. Ich habe viel zu viel Angst davor, dass sie das nicht mag, was ich mit ihr machen würde und mich alleine deshalb abblitzen lässt“, antwortete Harald und senkte den Blick.
„Mann, bist du verklemmt! Hast du denn noch nie einen hemmungslosen Quickie mit einer dir unbekannten Frau hingelegt?“, fragte Max.
„Klar habe ich schon mit Frauen geschlafen, aber das ist inzwischen verdammt lange her. Irgendwie habe ich bei den Frauen meines Lebens immer alles falsch gemacht. Und mit einer fremden Frau hatte ich noch nie Sex.“
„Ich rede nicht über den Beischlaf, sondern über geiles Ficken“, erklärte Max.
„Ich glaube, das hatte ich noch nie. Oder ich habe es vergessen. Oder ich weiß zumindest nicht mehr, was das ist“, seufzte Harald.
„Das müssen wir ändern!“, schlug Dominik, der fünfzigjährige Clubbesitzer, vor.
„Wie willst du das ändern?“, wollte Harald wissen.
„Lass uns nur machen, du musst unbedingt erst einmal lockerer werden! Das Schlimmste, was dir passieren kann, ist, dass die Perle dich abblitzen lässt, weil du nicht ihr Typ bist. Dann kannst du immer noch unbefriedigt nach Hause gehen. Es aber erst gar nicht zu probieren, das werden wir dir abgewöhnen!“, sagte Dominik, begab sich zu der besagten Dame, deren Begleiter wohl irgendwo unterwegs war, und kam erst nach einer guten Viertelstunde zurück.
Zuerst zog er Max auf die Seite und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Als der ihm zunickte, wandte Dominik sich wieder an Harald: „Kannst du morgen Abend zu Max kommen?“
„Hm, ich weiß nicht. Was hat die Dame dir gesagt?“
„Ich habe dich nicht verstanden. Was hast du gesagt?“, wollte Dominik wissen.
„Ja, das könnte ich tun, wenn ich dadurch etwas lockerer werde, wie du das nennst. Was wollen wir denn bei Max machen?“
„Lass dich überraschen! Mary hat mir gestanden, dass du ihr gefällst und sie zu dem einen oder anderen mit dir gerne bereit sein wird“, sagte Dominik.
„Wozu wird sie bereit sein?“
„Warte einfach ab!“, herrschte Dominik ihn an, um anschließend auch kein einziges Wort mehr darüber zu verlieren.
Harald war nach drei Stunden Aufenthalt in den Saunen und den Ruheräumen der Erste von den vieren, der den Wunsch zu verspüren schien, nach Hause zu wollen, vor allen Dingen deshalb, weil Mary und Donald immer näher an ihn heranrückten.
Weder seine Freunde noch Mary, die immer wieder in einen heftigen Disput mit Donald, ihrem Begleiter, verwickelt war, hinderten ihn daran, sich auf den Weg zu machen, und somit war er der Erste der Männerrunde, der zu seinem Wagen ging.
Als er gerade ausparken wollte, verstellte Donald ihm den Weg: „Hör mir zu! Du lässt die Finger von der Mary oder …!“
„Oder was? Ich wusste gar nicht, dass wir beim Du sind?“, fragte Harald, ohne auch nur im Geringsten daran gedacht zu haben, irgendetwas mit dieser Mary anzufangen.
„Sie ist meine Frau, auch wenn wir nicht verheiratet sind. Ich bestimme, wer sie ficken darf“, erklärte Donald.
„Und ich darf das nicht?“
„Genau!“
„Warum eigentlich nicht?“, wollte Harald wissen, obwohl er immer noch kein Interesse daran verspürte, aber allein die aggressive Art von Donald machte ihn wütend.
„Du gefällst ihr. Du bist jünger als ich und kannst es ihr im Augenblick sicher besser besorgen als ich. Sie wird sich in dich verlieben und dann werde ich eventuell zum Chauffeur degradiert.“
„Was wirst du tun, wenn ich sie trotzdem ficke, weil sie das so will?“, erkundigte sich Harald, obwohl er immer noch keinerlei Absicht hegte, Mary zu vögeln.
„Dann, dann …“
„Was denn nun?“
„Dann mach ich dich fertig!“, schrie Donald.
„Hä, woher kommt eigentlich diese völlig unbegründete Eifersucht? Ich verstehe das gar nicht, aber sag mir doch mal, wie du mich fertig machen willst.“
„Ich habe von früher immer noch gute Beziehungen zu hochgestellten Persönlichkeiten, die was zu sagen haben. Ich sorge dafür, dass du kein Bein mehr auf die Erde kriegst oder …“, drohte Donald.
„Oder was?“
„Es gibt noch eine andere Möglichkeit.“
„Welche Möglichkeit?“
„Ich darf zusehen, wenn ihr beide miteinander fickt“, erklärte Donald.
„Bist du ein Spanner?“
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