___LEBENSRAUM: unsere Welt von außen. Ich beneide die Astronauten um diesen Anblick. Er macht die Begrenztheit unseres Blauen Planeten deutlich.
___LEBENSWANDEL: Nach dem langen, dunklen polaren Winter steigt die Sonne erstmals für wenige Minuten wieder über das froststarrende Küstengebirge Grönlands.
___LEBENSWEG: Hochsommer in der Arktis. In einem ostgrönländischen Fjord treiben unzählige Eisberge Richtung Küste, um sich dort in die Prozession der nach Süden treibenden Eisfelder einzureihen.
__ 01CHRONIST WIDER WILLEN __ 01
__ 02DIE ZUKUNFT MÖGLICH MACHEN __ 02
__ 03VON UNSEREM LEICHTFERTIGEN UMGANG MIT DER NATUR __ 03
__ 04RAUBTIERMENTALITÄT __ 04
__ 05DIE JUGEND WACHT AUF! __ 05
__ 06LAND UNTER
__ 07DER IRRGLAUBE
__ 08DAS SECHSTE MASSENSTERBEN
__ 09ARKTIS/ANTARKTIS – DIE FRÜHWARNSYSTEME DER ERDE
__ 10WIR MÜSSEN GRÜNES WACHSTUM FÖRDERN
__ 11SAMSØ – EINE INSEL SCHAFFT DIE WENDE
__ 12DAS UNBEUGSAME DORF
__ 13ES GEHT AUCH ANDERS
__ 14PLASTIK – FLUCH ODER SEGEN?
__ 15GRÜNER WASSERSTOFF – DIE LÖSUNG ALLER PROBLEME?
__ 16EINIGE GEDANKEN ZUM SCHLUSS
Es gibt nicht die »gute Mutter Natur«; so wenig wie es die »böse Natur« gibt. Es gibt nur »die Natur« – unser aller Lebensgrundlage. Und wir sind Teil davon
___Schnee und Eis wurden mir im Verlauf der Jahrzehnte genauso vertraut wie der Umgang mit den heimischen Wäldern und Wiesen. Die Polarregionen sind für mich zur zweiten Heimat geworden.
Reisen bildet!
Wobei es darauf ankommt, wie man reist und was man darunter versteht. Bildung setzt voraus, dass der Betreffende sie zulässt und dafür empfänglich ist. Meine Reisen als Jugendlicher waren meist mit einem Bildungsauftrag versehen, etwa als jugendlicher Austauschschüler in einer französischen Familie. Es ging darum, Fremdsprachen zu lernen und – wie mein Vater es formulierte – über den eigenen Tellerrand hinwegzublicken.
Ich bin mein Leben lang gereist. Stets getrieben von Neugier auf andere Länder, Kulturen, das Naturerlebnis und das, was man schlicht »das Abenteuer« nennt. Es war diese Unbekümmertheit, die ich so liebte. Meine Eltern hatten mir einen Leitsatz mit auf den Weg gegeben: »Was immer du tust, du musst es richtig machen.« Das war die moralische Leitplanke. Etwas »richtig machen« impliziert Verantwortung – gegenüber der eigenen Leibhaftigkeit wie auch dem Umfeld, in dem man unterwegs ist, und natürlich gegenüber den Menschen, denen man begegnet. Ich unternahm weiterhin waghalsige Expeditionen, fühlte mich aber immer der Maxime »richtig machen« verpflichtet.
Für mich wurde das Leben in der Natur zu einer sehr realen Lebenswelt. Ich lernte, mich in Eis und Schnee oder auf den Ozeanen mit der gleichen Selbstverständlichkeit zu bewegen wie über den Jungfernstieg in Hamburg. Die Zeit, die ich mit den Inuit verbrachte, war für mich eine Lebensschule, die ich erst Jahre später so richtig wertzuschätzen wusste. Die Inuit hatten mir den Umgang mit der harschen und vermeintlich lebensfeindlichen Umgebung vermittelt. Sie lehrten mich neben vielen praktischen Dingen, dünnes Eis von dickerem, tragfähigem zu unterscheiden. Ich lernte den Einfluss der jahreszeitlichen Veränderungen auf die Ausdehnung und Stabilität des Packeises zu erkennen, die Schneebeschaffenheit zu beurteilen, intuitiv einen sich nähernden arktischen Sturm zu erfassen und meinen inneren Frieden mit der Kälte zu machen. Die kanadischen Inuit waren meine eigentlichen Lehrmeister. Vor diesem Hintergrund müssen meine späteren Expeditionen gesehen werden. Allein durch die Inuit wurde ich zu einem guten Beobachter. Das ist wichtig. Denn wer wie ich mit ähnlich archaischen Mitteln wie die frühen Polarforscher und Entdecker unterwegs war, musste die Natur lesen können. Wenn ich die Eisstärke falsch einschätze, breche ich durch und erfriere. Wenn ich die Zeichen eines sich nähernden Sturms nicht rechtzeitig erkenne und keinen Schutz suche, erfriere ich ebenfalls – oder ertrinke, wenn ich auf dem Wasser bin. So einfach ist es. Die Natur gibt die Spielregeln vor, und es ist an uns, sie zu berücksichtigen. Die Natur kann ohne uns existieren, wir aber nicht ohne sie. Obwohl – das ist ein rein menschliches Denkschema. Es gibt nicht »die Natur« hier und »den Menschen« dort – wir sind alle Teil des Ganzen. Die Natur mag sich verändern, sei es durch natürliche Prozesse oder durch unser Dazutun. Der Natur ist es gleich, fragt sich nur, inwieweit wir mit den Veränderungen klarkommen. Ich glaube, ein großer Teil der heutigen Umweltprobleme beruht darauf, dass wir uns einbilden, wir wären der Lenker aller Naturprozesse. Es stimmt: Wir können eingreifen und verändern. Aber können wir unser Handeln auch perspektivisch überblicken? Können wir Fehler, die bereits geschehen sind, korrigieren? Politiker denken in Legislaturperioden und Anleger und Unternehmen in Shareholder-Value. Der Dieselskandal macht deutlich, dass Betrugs- und Vernebelungstaktiken offenbar als legitimes Mittel angesehen werden, um Profit zu machen. Das mag den Einzelnen ärgern und im Anschluss Sammelklagen regnen. Aber was ist mit der Natur – die eigentlich Leidtragende solcher Maßnahmen? Im Ergebnis und der Summe aller Eingriffe reagiert sie mit Veränderung.
Mein erster Kontakt mit der Arktis fiel in das Jahr 1979. Seitdem bin ich regelmäßig – eigentlich jedes Jahr über Wochen und Monate hinweg – in der polaren Landschaft unterwegs. Meine von den Inuit erlernten Kenntnisse habe ich ausgebaut und vertieft. Und ich habe eine tiefe Zuneigung zu den vermeintlich unberührten Naturlandschaften gewonnen. Aus diesem Grund habe ich mich schon sehr früh für alle Umweltthemen interessiert. Ob es das Verklappen von Dünnsäure in den 80er-Jahren auf der Nordsee betraf, die Rodung des Regenwalds von Borneo oder die PCB-Ablagerung in der Nahrungskette. Ich habe immer eine Meinung dazu gehabt und diese auch geäußert. Was immer man tut: Man ist immer ein politisch handelnder Mensch. Verharrt man im Schweigen, entscheiden andere für einen. Ich bin ein eher aktiv handelnder Mensch, deshalb mische ich mich in die Diskussionen ein. Auch wenn es durchaus unbequeme und kontrovers diskutierte Inhalte betrifft.
Читать дальше