Der Autor
Thomas Fuchs, geb. 1958, Prof. Dr. med. Dr. phil., habilitiert in Psychiatrie und Philosophie, ist Karl-Jaspers-Professor für philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Heidelberg. Er ist Leiter der Sektion Phänomenologische Psychopathologie und Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für phänomenologische Anthropologie, Psychiatrie und Psychotherapie (DGAP) sowie Herausgeber der Zeitschrift »Psychopathology«. Seine Forschungsschwerpunkte bilden die phänomenologische Anthropologie, Psychologie und Psychopathologie, Theorien der Verkörperung und der Neurowissenschaften sowie zeit- und kulturdiagnostische Analysen.
Weitere Buchpublikationen u. a.:
• Leib, Raum, Person. Entwurf einer phänomenologischen Anthropologie. Klett-Cotta, Stuttgart 2000.
• Psychopathologie von Leib und Raum. Phänomenologisch-empirische Untersuchungen zu depressiven und paranoiden Erkrankungen. Steinkopff, Darmstadt 2000.
• Zeit-Diagnosen. Philosophisch-psychiatrische Essays. Graue Edition, Kusterdingen 2002.
• Leib und Lebenswelt. Neue philosophisch-psychiatrische Essays. Graue Edition, Kusterdingen 2008.
• (hrsg. mit Lukas Iwer und Stefano Micali) Das überforderte Subjekt. Zeitdiagnosen einer beschleunigten Gesellschaft. Suhrkamp, Frankfurt/M. 2018.
• Randzonen der Erfahrung. Beiträge zur phänomenologischen Psychopathologie. Alber, Freiburg 2020
• Verteidigung des Menschen. Grundfragen einer verkörperten Anthropologie. Suhrkamp, Frankfurt/M. 2020
Adresse:
Psychiatrische Universitätsklinik
Voßstr. 4
69115 Heidelberg
E-Mail: thomas.fuchs@urz.uni-heidelberg.de
Thomas Fuchs
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6., aktualisierte und erweiterte Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-039464-3
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-039465-0
epub: ISBN 978-3-17-039466-7
mobi: ISBN 978-3-17-039467-4
Dieses Buch entstand aus dem Bestreben, die Fortschritte der Hirnforschung in einen anthropologischen Zusammenhang zu stellen, der das Gehirn als ein Vermittlungsorgan für unsere leiblichen, seelischen und geistigen Beziehungen mit der Welt zu begreifen erlaubt – als Beziehungsorgan. Notwendig erschien mir dies insbesondere, um für das Fachgebiet der Psychiatrie und der psychologischen Medizin insgesamt eine theoretische Basis zu schaffen, von der aus reduktionistische Deutungen des Gehirns abgewiesen und durch subjektorientierte und ökologische Sichtweisen von Gehirn, Psyche und Sozialität ersetzt werden können. Wird das Gehirn von der Rolle des Weltschöpfers befreit, mit der es zweifellos überfordert ist, dann können wir seine faszinierenden Vermittlungsleistungen würdigen, ohne uns selbst, unser Erleben und Handeln nur noch als Output einer informationsverarbeitenden neuronalen Apparatur begreifen zu müssen.
Voraussetzung dafür ist allerdings, das Gehirn primär als eingebettet in den Organismus in seiner Umwelt aufzufassen. Dies wiederum macht es erforderlich, einen eigenständigen Begriff des Lebendigen wiederzugewinnen. Dass das Gehirn zunächst das Organ eines Lebewesens und nicht primär das Organ des Geistes ist, hat bislang kaum die erforderliche Beachtung gefunden. Auch die Lebenswissenschaften sind gegenwärtig weit davon entfernt, Leben als eigenständiges Phänomen zu erfassen. Erst unter dieser Voraussetzung aber gelingt es, den »Kurzschluss« von Gehirn und Geist zu überwinden, der reduktionistische Sichtweisen in der Medizin ebenso wie in anderen Fächern begünstigen muss. Dann erst kann das Gehirn auch als sozial, kulturell und geschichtlich geprägtes Organ betrachtet und in einer Kooperation von Natur-, Kultur- und Geisteswissenschaften weiter erforscht werden.
Methodisch beruht die vorliegende Untersuchung auf der Verbindung phänomenologischen Denkens mit Ansätzen der ökologischen Biologie, der Philosophie des Lebendigen und aktuellen Konzeptionen der Verkörperung und des Enaktivismus. Damit wird ein theoretischer Rahmen entworfen, in den die Erkenntnisse der Neurobiologie, aber auch der Entwicklungspsychologie und Psychiatrie eingebettet werden können. Inwieweit die Synthese so verschiedenartiger Ansätze geglückt ist, mag der Leser selbst beurteilen. In jedem Fall erscheint mir diese interdisziplinäre Auseinandersetzung heute notwendiger denn je, denn sie ist in der Lage, zu einem besseren Verständnis unserer selbst als gleichermaßen verkörperter, lebendiger und geistiger Wesen beizutragen.
Mein Dank gebührt zunächst Ruprecht Poensgen, Verlagsleiter im Kohlhammer Verlag, auf dessen Anregung die Idee zu diesem Buch zurückgeht, sowie dem Verlagslektor für Medizin, Dominik Rose. Für wertvolle Hinweise zu philosophischen Problemkreisen danke ich besonders Boris Wandruszka, Ulrich Diehl, Thomas Buchheim und Christian Tewes. Auch die Teilnehmer unseres langjährigen Heidelberger Seminars zu Philosophie und Psychiatrie, insbesondere der leider verstorbene Reiner Wiehl, haben mir in vielen Diskussionen zur Klärung wichtiger Fragen dieses Buches verholfen. Für die Anregungen, die auf die Erfahrungen mit unserer Heidelberger Mutter-Kind-Behandlungseinheit zurückgehen, danke ich dem Team der Station ›Jaspers‹ der Psychiatrischen Klinik, insbesondere Corinna Reck, die gemeinsam mit mir diese Behandlungseinheit aufgebaut hat. Danken möchte ich schließlich Christoph Mundt, dem früheren Direktor der Klinik, der mir durch eine vorübergehende Freistellung von den klinischen Aufgaben die Gelegenheit gab, mich dieser Arbeit widmen zu können. Ich hoffe meinerseits, dass sie auch weiterhin ihre Wirkung in der Psychiatrie und psychologischen Medizin nicht verfehlen wird.
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