Die Behörde muss ihre Entscheidung begründen und dabei erkennen lassen, dass sie Ermessen ausgeübt hat. Insbesondere gilt es zu begründen, wie sie zu dieser Ermessensentscheidung gekommen ist. Wird eine Entscheidung der Behörde gerichtlich überprüft, deren Grundlage eine Ermessensnorm war, konzentriert sich die Prüfung allein darauf, ob der Behörde bei der Ausübung des Ermessens Fehler unterlaufen sind, d. h., wurde Ermessen erkannt und ausgeübt und wurden dabei keine sachfremden Erwägungen einbezogen. Weiterhin wird geprüft, ob die Entscheidung im rechtlich eingeräumten Ermessensrahmen getroffen wurde.
Die Leistungen werden mit Entstehen fällig (§ 41 SGB I). Besteht Anspruch auf eine Geldleistung dem Grunde nach, aber zur Feststellung der Höhe ist noch längere Zeit erforderlich, kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe im pflichtgemäßen Ermessen des Trägers steht (§ 42 SGB I).
Bis zum 31.07.2016 wurde die Vorschussregelung nach § 42 SGB I auch bei der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II angewendet, da es eine Spezialnorm dazu im SGB II nicht gab. Mit der Einführung des § 41a SGB II am 01.08.2016 im Rahmen des 9. Änderungsgesetzes wurde eine Spezialnorm geschaffen, nach der eine vorläufige Bewilligung (quasi als Vorschuss) erfolgen muss, sodass § 42 SGB I im SGB II keine Anwendung mehr findet.
Die Auszahlung von Geldleistungen soll kostenfrei auf ein Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut erfolgen (§ 47 SGB I).
Weiterhin regeln die §§ 51, 52 sowie 53 ff. SGB I die Aufrechnung, Verrechnung sowie die Übertragbarkeit und Pfändbarkeit von Leistungsansprüchen. Hierzu gibt es allerdings Spezialregelungen im SGB II und SGB XII.
1.3.6Mitwirkungspflichten (§§ 60–67 SGB I)
Der Sozialleistungsträger unterliegt beim Verwaltungsverfahren dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 20 SGB X. Er ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen und bestimmt dabei, in welcher Art und in welchem Umfang eine Sachverhaltsermittlung notwendig ist. Der Leistungsberechtigte ist jedoch zur Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet. § 60 SGB I regelt dabei die Verpflichtung zur Angabe von Tatsachen, § 61 SGB I regelt die Pflicht des persönlichen Erscheinens, §§ 62 und 63 regeln die Pflicht zur Teilnahme an ärztlichen Untersuchungen und ggf. zur Durchführung von Heilbehandlungen. Auch die Pflicht zur Teilnahme an berufsfördernden Maßnahmen ist als zentrale Mitwirkungspflicht in § 64 SGB I geregelt. Das SGB II enthält wie andere spezielle Sozialleistungsbücher gesondert geregelte Mitwirkungspflichten, die die allgemeinen aus dem SGB I konkretisieren oder ausweiten.
Zur Mitwirkung sind neben dem Antragsteller auch Personen verpflichtet, die Sozialleistungen erhalten, z. B. auch ohne eigene Antragstellung.
Die Grenzen der Mitwirkungspflichten liegen im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 65 SGB I). Ist die Mitwirkungsverpflichtung des Betroffenen unwirtschaftlich oder unzumutbar oder kann der Leistungsträger die geforderten Erkenntnisse durch geringeren Aufwand selbst beschaffen, so entfällt die Verpflichtung des Betroffenen.
In § 66 SGB I sind die Folgen fehlender Mitwirkung geregelt. Kommt der zur Mitwirkung Verpflichtete seiner Mitwirkung nicht nach und wird dadurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, können beantragte Leistungen ganz oder teilweise versagt werden bzw. bereits bewilligte Leistungen ganz oder teilweise entzogen werden.
Wird die Mitwirkung nachgeholt, kann der Leistungsträger die Leistung ganz oder teilweise auch nachträglich erbringen (§ 67 SGB I).
Bevor Leistungen versagt oder entzogen werden, sollte also immer geprüft werden, ob
•Unterlagen ordnungsgemäß angefordert wurden (d. h. genaue Bezeichnung der Unterlagen, schriftliche Anforderung, angemessene Frist und mit der richtigen Rechtsfolgenbelehrung),
•die Anforderung für den Antragsteller zumutbar war,
•eine Beschaffung der Angaben/Unterlagen von Amts wegen nicht möglich war oder ist,
•tatsächlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wurde bzw. nicht möglich ist (sind die angeforderten Unterlagen tatsächlich zwingend notwendig, oder kann ich auch ohne die Angaben/Unterlagen entscheiden?).
Liegen die Tatbestände alle vor, ist Ermessen auszuüben, ob Leistungen versagt oder entzogen werden und, wenn ja, ob ganz oder teilweise. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob über einen Teil der Leistungen trotz erschwerter Sachverhaltsaufklärung entschieden werden kann.
Eine Versagung bzw. eine teilweise Versagung ist die Rechtsfolge, wenn durch nicht eingereichte Unterlagen oder nicht gemachte Angaben über Leistungen, die beantragt wurden, nicht entschieden werden kann. Werden Leistungen bereits erbracht und im Laufe der Erbringung werden Unterlagen nicht vorgelegt, die die Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen erheblich erschweren, ist die Rechtsfolge der Entzug der Leistungen.
Wird die Mitwirkung nach Erlass der Versagung bzw. Entziehung nachgeholt und liegen dann die Leistungsvoraussetzungen zweifelsfrei vor, kann der Leistungsträger die Leistungen, die er versagt oder entzogen hat, ganz oder teilweise erbringen (§ 67 SGB I). Auch bei dieser Entscheidung ist Ermessen auszuüben.
1 BVerfG, Urteil vom 18.7.1967, 2 BvF 3/62; 2 BvF 4/62; 2 BvF 5/62; 2 BvF 6/62; 2 BvF 7/62; 2 BvF 8/62; 2 BvR 139/62; 2 BvR 140/62; 2 BvR 334/62; 2 BvR 335/62
2Systematik und Grundsätze des SGB II und des SGB XII
2.1SGB II
In diesem Abschnitt erfolgt zusammenfassend ein Überblick über die Aufgabe und den Inhalt der Grundsicherung für Arbeitsuchende und die Leistungsgrundsätze bei der Gewährung der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
2.1.1Rechtsgrundlagen, Aufgabe und Inhalt der Grundsicherung für Arbeitsuchende
2.1.1.1Rechtsgrundlagen
Die gesetzlichen Regelungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind als Bundesgesetz im Sozialgesetzbuch II verankert.
Das Sozialgesetzbuch II stellt den wesentlichen Kern des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt dar (sog. Hartz IV). Bis zur Einführung des SGB II wurden mit der Arbeitslosenhilfe und mit der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz zwei staatliche Fürsorgesysteme für erwerbsfähige Personen nebeneinander umgesetzt. Dies war ineffizient, bürokratisch und wenig bürgerfreundlich. Die Zusammenführung zum Sozialgesetzbuch II sollte durch intensive Betreuung und Beratung die Integrationschancen in den Arbeitsmarkt erhöhen und gleichzeitig Eigenverantwortung stärken. Sozialhilfe wird nun nur noch für nicht erwerbsfähige Personen geleistet.
Das SGB II wurde nach der Einführung am 01.01.2005 bereits mehrfach geändert. Mit dem 9. Änderungsgesetz zum SGB II, das mit Wirkung vom 06.08.2016 in Kraft getreten ist, wurden mehrere grundlegende Rechtsänderungen vorgenommen.
Darüber hinaus bilden die
•Rechtsverordnungen des Bundes (Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung – ALG II-V, Unbilligkeitsverordnung – UnbilligkeitsV, Regelsatzverordnung – RSV) und die
•Richtlinien der kommunalen Träger
die rechtlichen Grundlagen für die Erbringung der existenzsichernden Leistung.
Die ALG II-V als Verordnung des Bundes zur Durchführung des SGB II konkretisiert dabei die Berechnung von Einkommen sowie die Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei der Berechnung des Anspruchs.
Die Unbilligkeitsverordnung konkretisiert die Härtefallregelung bzw. definiert, wann die Inanspruchnahme einer vorrangigen Altersrente (Rente mit Abzügen) unbillig ist. Die Regelsatzverordnung bestimmt den Aufbau und die Höhe der Regelsätze im SGB XII. Diese gelten in gleicher Höhe für das SGB II.
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende wird durch zwei Kostenträger finanziert. Der Bund trägt dabei u. a. die Kosten für die Regelleistung und die Mehrbedarfe sowie die Krankenversicherungskosten. Die örtlich zuständigen Kommunen sind für die Finanzierung der Kosten für Unterkunft und der einmaligen Beihilfen zuständig. Für die von ihnen finanzierten Leistungen können die Kommunen Richtlinien zur Durchführung des SGB II hinsichtlich dieser erlassen, z. B. für die Regelung, welche Kosten in ihrer Kommune für die Anmietung eines Wohnraums angemessen sind.
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