(12) Durch solche Reden aufgereizt, verurteilte der Bürgerstand die Angeklagten, jeden zu einer Strafe von 10 000 schweren Kupfer-As, während Sergius vergeblich das wechselnde Kriegsglück und das Schicksal anklagte, und Verginius in die Bitte ausbrach, man möge ihn doch im Frieden nicht unglücklicher werden lassen, als er im Feld gewesen sei. 2 Die Richtung, die dem Zorn des Volkes auf die Männer gegeben wurde, ließ die Nachwahl der Tribunen und die gegen das Trebonische Gesetz gebrauchte List im Dunkel der Vergessenheit ruhen.
3 Die Tribunen, welche als Sieger die Bürger für ihren Richterspruch gleich auf der Stelle belohnen wollten, brachten öffentlich Landverteilungen in Vorschlag und untersagten die Aufbringung der Steuer, 4 da doch für so viele Heere Sold nötig war und die Angelegenheiten im Feld insofern glücklich genug gingen, außer dass man in keinem einzigen Krieg das erhoffte Ziel erreichte. Denn vor Veji wurde das verlorene Lager wiedererobert und durch Vorwerke und Besatzungen gesichert. 5 Hier hatten die Kriegstribunen Manius Aemilius und Kaeso Fabius den Oberbefehl. Marcus Furius fand im Faliskerland und Cnaeus Cornelius im Capenatischen die Feinde nirgends außerhalb ihrer Festungen. Sie machten also Beute und verheerten die Gegend durch Niederbrennung der Landhäuser und Feldfrüchte. An die Städte machten sie sich weder im Sturm noch als Belagerer. 6 Im Volskerland hingegen wurde nach Verheerung ihres Gebietes das hoch gelegene Anxur vergeblich angegriffen und, weil der Sturm fruchtlos war, durch Wall und Graben eingeschlossen. Der Feldherr, dem das Los den Volskischen Krieg beschieden hatte, war Valerius Potitus.
7 Bei diesem Zustand der kriegerischen Angelegenheiten brach ein Aufruhr im Inneren aus, der mit größerer Heftigkeit als die Kriege betrieben wurde. Und da die Tribunen die Zusammenbringung der Steuer verhinderten und den Feldherren kein Sold geschickt wurde, der Soldat aber seinen Sold forderte, war es nahe daran, dass der Einfluss der empörten Stadt auch das Lager zerrüttet hätte. 8 Obgleich aber die Tribunen dem Bürgerstand bei dieser seiner Erbitterung gegen die Väter vorstellten, dass jetzt die Zeit da sei, der Freiheit Festigkeit zu geben und das höchste Staatsamt einem Sergius und Verginius zu nehmen und braven und tüchtigen Männern aus dem Bürgerstand zu übertragen, ging man doch nicht weiter, 9 als dass man einen einzigen Bürgerlichen, um von seinem Recht Gebrauch zu machen, den Publius Licinius Calvus zu einem Kriegstribun mit Konsulgewalt wählte; 10 die Übrigen wählten sie aus den Patriziern: den Publius Manlius, Lucius Titinius, Publius Maelius, Lucius Furius Medullinus und Lucius Publilius Volscus.
11 Der Bürgerstand selbst wunderte sich, so viel erlangt zu haben, nicht der allein, den man gewählt hatte, ein Mann, der nie vorher ein Amt bekleidet hatte, aber lange im Senat saß und schon bei Jahren war. 12 Auch ist man nicht darüber einig, warum man gerade ihm zuerst und hauptsächlich die neue Ehre zuerteilte. Einige glauben, der Einfluss seines Bruders Cnaeus Cornelius, der im vorigen Jahr Kriegstribun gewesen war und den Sold für die Reiter auf das Dreifache erhöht hatte, habe ihn zu dieser so hohen Ehre erhoben; andere, er selbst habe zu rechter Zeit den Ständen die Eintracht in einer Rede empfohlen, die den Beifall der Väter und der Bürger gehabt habe. 13 Frohlockend über diesen Sieg auf dem Wahltag ließen die Volkstribunen in dem Punkt, der das Wohl des Staates am meisten beeinträchtigte, in Ansehung der Steuer nach; es wurde bereitwillig gesteuert und der Betrag zum Heer geschickt.
(13) Anxur im Volskerland wurde bald wieder erobert, weil an einem Festtag die Wachen der Stadt vernachlässigt worden waren. Dieses Jahr zeichnete sich aus durch einen so kalten Winter mit so starkem Schnee, dass die Wege gesperrt und der Tiber unschiffbar war. Allein bei den angefahrenen Vorräten änderte sich der Getreidepreis nicht.
2 Weil sich Publius Licinius in dem Amt, das er ohne stürmische Auftritte mehr zur Freude der Bürgerlichen als mit Unwillen der Väter bekommen hatte, auch ebenso benahm, wandelte die Bürger die Lust an, bei der nächsten Kriegstribunenwahl Bürgerliche zu wählen. 3 Ein einziger patrizischer Bewerber, Marcus Veturius, behauptete seinen Platz; zu den übrigen Kriegstribunen mit Konsulgewalt ernannten fast alle Zenturien Bürgerliche, den Marcus Pomponius, den Caius Duellius, Volero Publilius, Cnaeus Genucius und Lucius Atilius.
4 Auf den strengen Winter folgte, entweder durch die unregelmäßige Witterung, welche zu schnell in das Gegenteil umschlug, oder aus einer andern Ursache, ein drückender und für alle lebenden Wesen ungesunder Sommer; 5 und da man von dem unabwendbaren Dahinsterben weder Ursache noch Ende sah, mussten auf Befehl des Senates die Sibyllinischen Bücher befragt werden. 6 Damals zuerst haben die Zweimänner für die Besorgung der Opfer eine Göttermahlzeit in der Stadt Rom angeordnet und während acht Tagen Apollo, Latona und Diana, Herkules, Mercurius und Neptunus versöhnt und drei für die damalige Zeit auf das Prachtvollste ausgerüstete Tische aufgestellt. 7 Auch in Privathäusern beging man diese heilige Feier, wie es heißt, nahm man in der ganzen Stadt bei offen stehenden Haustüren, vor denen man Bedürfnisse aller Art zu jedermanns Gebrauch öffentlich ausgelegt hatte, Bekannte und unbekannte Fremde ohne Unterschied als Gäste auf; man ließ sich mit seinen Feinden gütig und freundlich in ein Gespräch ein, vermied jeden Zank und Rechtsstreit, 8 nahm auch den Gefangenen für diese Tage die Fesseln ab und machte sich nachher ein Gewissen daraus, diejenigen wieder zu fesseln, welche die Götter selbst beschützt hätten.
9 Inzwischen stieg vor Veji die Gefahr dadurch, dass sich drei Kriege in einen zusammenzogen. Denn da die Capenaten und Falisker unerwartet zum Entsatz heranrückten, begann wieder ebenso wie das vorige Mal, auf beiden Seiten der Belagerungswerke ein hartnäckiger Kampf gegen drei Feinde. 10 Die Erinnerung an die Verurteilung des Sergius und Verginius tat hier besonders das Ihrige. Ihr zufolge fiel sogleich aus dem größeren Lager, wo man das vorige Mal so saumselig war, eine Schar, die einen kurzen Umweg nahm, den Capenaten bei ihrem Sturm auf den römischen Wall in den Rücken. 11 Dieser Anfang der Schlacht setzte die Falisker in Schrecken, und in dieser Bestürzung jagte sie ein zu rechter Zeit angebrachter Ausfall aus dem Lager selbst in die Flucht. Die Sieger, die den Geschlagenen nachsetzten, hieben eine Menge von ihnen nieder, 12 und gleich nachher trafen sie bei ihren Verheerungen im Capenatischen zufällig auf den der Schlacht entronnenen Rest und vertilgten ihn. 13 Auch die Vejenter verloren bei ihrem flüchtigen Rückzug in die Stadt viele Leute an den Toren, weil sie aus Furcht, die Römer möchten zugleich mit eindringen, die Torflügel zuwarfen und die letzten der Ihrigen ausschlossen.
(14) Dies geschah in diesem Jahr. Schon nahte der Tag der Kriegstribunenwahl heran, die den Vätern beinahe mehr Sorge als der Krieg machte, denn sie sahen ja, dass sie die höchste Gewalt nicht bloß mit dem Bürgerstand geteilt, sondern fast verloren hatten. 2 Obgleich sie also die angesehensten Männer, welche man zu übergehen sich schämen müsste, durch Verabredung aufgeboten hatten, sich um das Amt zu bewerben, nahmen sie gleichwohl, um auch für ihre Person nichts unversucht zu lassen, als bewürben sie sich sämtlich, nicht nur Menschen, 3 sondern auch Götter zu Hilfe, indem sie die seit zwei Jahren gehaltenen Wahlversammlungen zu einem Gegenstand religiöser Zweifel machten. Im ersten Jahr sei ein unerträglicher Winter eingetreten, den man nur mit der Andeutung göttlicher Strafgerichte vergleichen könne. Im letzten sei nicht als bloße Andeutung, sondern schon als Erfolg, eine Seuche über Stadt und Land ausgebrochen, ohne Zweifel durch den Zorn der Götter, 4 da man selbst in den Schicksalsbüchern gefunden habe, dass man sie, wenn sie die Pest abwenden sollten, versöhnen müsse. Die Götter hätten mit Missfallen bemerkt, dass auf den Wahlen, über die man doch die Vögel befrage, die Ämter an jedermann gegeben und die Unterschiede der Geschlechter außer Acht gelassen würden. 5 Das Volk, außer dem Eindruck, den die Würde der Bewerber machte, von frommer Angst erschüttert, wählte zu Kriegstribunen mit Konsulgewalt lauter Patrizier, größtenteils solche, die schon öfter die höchsten Stellen bekleidet hatten, den Lucius Valerius Potitus zum fünften Mal, den Marcus Valerius Maximus, den Marcus Furius Camillus zum dritten, Lucius Furius Medullinus zum dritten, Quintus Servilius Fidenas zum zweiten und Quintus Sulpicius Camerinus zum zweiten Mal. 6 Unter diesen Tribunen fiel bei Veji nichts Besonderes vor. Der ganze Krieg bestand in Verheerungen. 7 Die beiden obersten Feldherren, Potitus und Camillus, trieben große Beute zusammen, jener im Gebiet von Falerii, dieser von Capena, und ließen nichts verschont, was nur durch Feuer und Schwert vernichtet werden konnte.
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