(5) Und mit einem solchen Volk sollen wir schonend und aufschubweise Krieg führen? Wenn ein so gerechter Hass nichts über uns vermag, ich bitte euch, vermögen denn auch folgende Gründe nichts: 2 Die Stadt ist mit ungeheuren Werken umschanzt, durch welche der Feind in seine Mauern eingeschlossen ist. Sein Land hat er nicht bestellt, und was bestellt war, ist durch den Krieg verwüstet worden. 3 Ziehen wir nun unser Heer zurück, wer kann denn noch daran zweifeln, dass sie nicht bloß aus Rachsucht, sondern auch durch Not gezwungen, auf fremdem Boden zu plündern, weil sie das Ihrige eingebüßt haben, in unser Land einfallen werden? Folglich wird der Krieg durch diese Maßregel nicht etwa verschoben, sondern in unseren eigenen Grenzen aufgenommen.
4 Wie aber – und dies betrifft eigentlich die Soldaten selbst, für deren Bestes die guten Volkstribunen, die ihnen neulich den Sold entziehen wollten, jetzt auf einmal so besorgt sind –, wie steht es um diese? 5 Sie haben ihren Wall und Graben, beides Werke von ungeheurer Arbeit, in einer so weiten Ausdehnung vollendet, haben Schanzen, anfangs in geringerer Anzahl, dann, nach Vermehrung des Heeres, in Menge angelegt, haben Werke, welche nicht bloß der Stadt, sondern auch Etrurien die Stirn bieten, wenn etwa von dort ein Entsatz kommen sollte, aufgeführt. 6 Soll ich die Türme, die Schanzhütten, Sturmdächer und die übrigen bei einer Belagerung nötigen Anstalten erwähnen? Da sie so viel Arbeit überstanden haben und nun endlich zur Vollendung des Werkes gediehen sind, was meint ihr, sollten sie nun das alles liegen lassen, um gegen den Sommer im Schweiß des Angesichts die Anlagen von Neuem noch einmal vorzunehmen? 7 Wie viel geringer ist die Mühe, die angelegten Werke zu behaupten, die Sache zu beschleunigen, auszuharren und was man zu tun hat, abzutun? Und wirklich ist es bald getan, wenn es nur in einem Gang fortgeht und wir nicht durch Unterbrechungen und Pausen unsere Hoffnung weiter hinausschieben.
8 Doch ich rede hier von der Arbeit und von dem Zeitverlust. Wie aber, gestatten uns denn die wiederholten Zusammenkünfte Etruriens, die den Entsatz von Veji zum Zweck haben, die Gefahr zu vergessen, der wir uns durch Verlängerung des Krieges aussetzen? 9 Wie jetzt die Sachen stehen, sind die Etrusker gegen sie voll Zorn und Hass, schlagen ihnen alle Hilfesendung ab, und wenn es auf sie ankommt, mögen wir Veji erobern. Wer steht uns aber dafür, dass sie später, wenn wir den Krieg aufschieben, ebenso gesinnt sein werden, 10 da vielleicht, wenn wir ihnen eine Zwischenzeit gönnen, größere und wiederholte Gesandtschaften hingehen, da vielleicht der zu Veji gewählte König, woran sich jetzt die Etrusker stoßen, nach einiger Zeit abgeschafft werden kann, entweder nach dem Gemeinwillen des Volkes, um dadurch die Etrusker wiederzugewinnen, oder nach des Königs eigenem Entschluss, wenn er nicht will, dass die Rettung seiner Mitbürger durch sein Königtum gehindert werde?
11 Seht, wie mancherlei und wie schädliche Folgen aus einer solchen Verfahrensweise entspringen: der Verlust aller so mühsam angelegten Werke, die zu erwartende Verheerung unseres Landes, und statt des vejentischen ein Etruskerkrieg. 12 Dies, ihr Tribunen, sind eure Anschläge, wahrhaftig geradeso, als wenn man einem Kranken, der sogleich genesen könnte, wenn er sich mit einiger Standhaftigkeit behandeln ließe, nur für diesmal eine Speise, einen Trunk bewilligen wollte, durch deren Genuss die Krankheit langwierig und vielleicht unheilbar würde.
(6) Wenn es aber auch für diesen Krieg ganz ohne Bedeutung wäre, so ist es doch, bei Gott, für die Kriegszucht von großer Wichtigkeit, dass unser Soldat gewöhnt werde, nicht bloß den Sieg, der ihm entgegenkommt, sich gefallen zu lassen, 2 sondern auch bei einem zögernden Gang der Dinge nicht zu ermüden, bei noch so entfernter Aussicht das Ende zu erwarten, und sollte ein Krieg nicht gleich im Sommer beendet sein, den Winter kommen zu lassen, nicht aber, wie die Sommervögel, sich schon im Herbst nach der Heimat und dem Rückzug umzusehen. 3 Ich bitte euch, die Neigung zur Jagd und sein Vergnügen daran treibt so manchen durch Schnee und Reif in die Gebirge und Wälder, und wir wollten bei dem Notzwang des Krieges nicht die Standhaftigkeit zeigen, die eine bloße Lust, ein Vergnügen so oft uns abgewinnt? 4 Glauben wir denn, dass der Körper unserer Soldaten so verzärtelt, ihr Mut so erschlafft sei, dass sie nicht einen Winter im Lager aushalten und von Haus entfernt sein können? Dass sie, nicht anders, als hätten sie einen Seekrieg mit Benutzung des Wetters und Beachtung der Jahreszeit zu führen, weder Hitze noch Kälte ertragen könnten? 5 Gewiss, erröten würden sie, wenn ihnen einer dies vorwerfen würde, und darauf bestehen, dass es ihrem Mut und Körper noch nie an männlicher Ausdauer gefehlt habe, dass sie im Winter so gut wie im Sommer Kriege führen könnten, den Tribunen nicht aufgetragen hätten, Weichlichkeit und Trägheit in Schutz zu nehmen, und gerade durch dies tribunizische Amt daran erinnert würden, dass auch diese Gewalt ihre Vorfahren nicht unterm Dach oder im Schatten gegründet hätten. 6 So ist es der Tapferkeit eurer Krieger, so des römischen Namens würdig, dass wir nicht bloß Veji und den gegenwärtigen Krieg vor Augen haben, sondern uns auch für andere Kriege und bei anderen Völkern für die Zukunft einen Ruf erwerben. 7 Oder glaubt ihr, dass die daraus erwachsende Meinung von uns so unbedeutend sei? Wollt ihr etwa lieber, dass die Nachbarn in uns Römern ein Volk sehen, von dem auch nicht einmal eine Stadt etwas Weiteres zu fürchten habe, sobald sie nur den ersten schnell vorübergehenden Angriff abgeschlagen hat? 8 Oder soll der Schrecken unseres Namens darin bestehen, dass kein Überdruss einer langwierigen Bestürmung, keine Strenge des Winters ein römisches Heer von einer einmal umschlossenen Stadt entfernen kann, dass es keinen andern Ausgang des Krieges kennt als den Sieg, und in seinen Kriegen nicht bloß den mutigen Angriff, sondern auch Beharrlichkeit zeigt, 9 die freilich in jeder Art des Kriegsdienstes, hauptsächlich aber bei Belagerungen notwendig ist, da die meisten Städte, wären sie auch durch Werke und natürliche Lage unüberwindlich, die Zeit selber durch Hunger und Durst besiegt und erobert, 10 wie sie auch Veji erobern wird, wenn nicht die Volkstribunen den Feinden Hilfe leisten, und die Vejenter Beistand in Rom finden, den sie in Etrurien vergeblich suchen. 11 Was könnte wohl den Vejentern erwünschter kommen, als eine allgemeine Empörung, zuerst in Rom, und dann wie durch Ansteckung auch im Lager? 12 Dahingegen ist wahrhaftig bei den Feinden ein solcher Gehorsam, dass bei ihnen kein Überdruss der Belagerung, selbst nicht des Königtums, die geringsten Unruhen veranlasst, nicht die Versagung etruskischer Hilfe sie gereizt hat. 13 Jeder Anstifter eines Aufruhrs muss dort auf der Stelle sterben, und auch nicht einer darf sich erlauben, das zu sagen, was bei euch ungestraft jeder sagt. 14 Wenn unser Soldat fahnenflüchtig wird oder seinen Posten verlässt, verdient er die Prügelstrafe. Aber Leuten, die nicht etwa einen oder den andern Krieger, sondern ganze Heere auffordern, fahnenflüchtig zu werden und das Lager zu verlassen, hört man öffentlich in der Versammlung zu. 15 So sehr seid ihr schon gewöhnt, alles, was ein Volkstribun spricht, und würde Landesverrat und Auflösung des Staates dadurch bewirkt, mit Beifall anzuhören, und von den Reizen dieses Amtes bezaubert, lasst ihr jeden Frevel sich hinter ihm verstecken. 16 Es fehlt weiter nichts, als dass sie ebendies, womit sie hier so laut sind, im Lager und bei den Soldaten vortragen, unsere Heere verführen und ihnen den Gehorsam gegen die Feldherren untersagen, 17 weil erst das in Rom Freiheit heißt, Senat, Obrigkeiten, Gesetze, Gebräuche unserer Vorfahren, Einrichtungen unserer Väter und Kriegszucht nicht weiter zu achten.
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