5 In demselben Jahr brach ein neuer Krieg aus, der mit den Volsiniern, gegen welche aber wegen einer im römischen Gebiet herrschenden Hungersnot und Seuche, die auf eine Dürre und gar zu große Hitze gefolgt war, kein Heer ausrücken konnte. Grund genug für die Volsinier, welche die Verbindung mit den Salpinaten übermütig machte, als Angreifende in das römische Gebiet zu fallen. 6 Hierauf wurde beiden Völkern der Krieg erklärt.
Der Zensor Caius Julius starb; an seine Stelle wählte man Marcus Cornelius, woraus man sich nachher ein Gewissen machte, weil in diesen fünf Jahren Rom erobert wurde; 7 und man hat nie wieder einen Zensor an die Stelle des verstorbenen nachgewählt. 8 Weil die Krankheit auch die Konsuln befiel, beschloss man, durch eine Zwischenregierung die Oberleitung in andere Hände zu geben. Da also die Konsuln nach einem Senatsbeschluss abgedankt hatten, wurde Marcus Furius Camillus Zwischenkönig, welcher dann den Publius Cornelius Scipio, sowie dieser wieder den Lucius Valerius Potitus zum Zwischenkönige ernannte. 9 Unter seinem Vorsitz wählte man sechs Kriegstribunen mit Konsulgewalt, damit der Staat, falls auch einen von ihnen Krankheit behindern sollte, eine hinlängliche Zahl an Beamten habe.
(32) Am ersten Quinctilis (Juli) traten Lucius Lucretius, Servius Sulpicius, Marcus Aemilius, Lucius Furius Medullinus zum siebenten Mal, Agrippa Furius und Caius Aemilius zum zweiten Mal ihr Amt an. 2 Von ihnen bestimmte das Los den Lucius Lucretius und Caius Aemilius gegen die Volsinier, den Agrippa Furius und Servius Sulpicius gegen die Salpinaten zu ziehen. Mit den Volsiniern kämpfte man zuerst. 3 Der Zahl der Feinde nach war die Schlacht bedeutend, das Gefecht selbst gar nicht gefährlich. Beim ersten Zusammentreffen wurde das Heer in die Flucht geschlagen, und 8000 Bewaffnete, welche durch die Reiterei abgeschnitten waren, streckten die Waffen und ergaben sich. 4 Das Gerücht von diesem Krieg bewog die Salpinaten, sich auf keine Schlacht einzulassen. Sie zogen sich mit den Waffen hinter ihre Mauern zurück. Die Römer machten allenthalben Beute, sowohl im Gebiet von Salpinum als Volsinii ohne allen Widerstand, 5 bis endlich die durch den Krieg gedemütigten Volsinier unter der Bedingung, dem römischen Volk Genugtuung zu geben und dem Heer den diesjährigen Sold zu liefern, einen Waffenstillstand auf zwanzig Jahre erhielten.
6 In diesem Jahr zeigte Marcus Caedicius, ein Mann aus dem Volk, den Tribunen an, er habe auf dem Neuen Weg, wo jetzt die Kapelle steht, oberhalb des Tempels der Vesta, bei nächtlicher Stille eine Stimme gehört, lauter als eine menschliche, welche gerufen habe, man solle der Obrigkeit die Ankunft der Gallier melden. 7 Wie gewöhnlich, achtete man auf die Aussage eines so geringen Mannes nicht; auch war ja jenes Volk weit entfernt und deshalb umso weniger bekannt. Ja man verkannte, weil das Unglück hereinbrechen sollte, nicht allein die Warnungen der Götter, sondern entfernte auch die einzige menschliche Hilfe, die man hatte, den Marcus Furius, aus der Stadt. 8 Da ihn der Volkstribun Lucius Apulejus wegen der Beute von Veji angeklagt hatte, und er um dieselbe Zeit einen erwachsenen Sohn verlor, berief er seine Zunftgenossen und Klienten – sie machten keinen geringen Teil der Bürger aus – zu sich ins Haus, ihre Gesinnungen zu erfahren, und da sie ihm die Antwort gaben, sie wollten die Summe, zu der man ihn verurteilen würde, aufbringen, seine Freisprechung aber könnten sie nicht bewirken, 9 so ging er mit der Bitte an die unsterblichen Götter: Wenn er dies Unrecht unschuldig litte, so möchten sie ihn je eher je lieber von seinen undankbaren Mitbürgern vermisst werden lassen, in die Verbannung. Man verurteilte ihn in seiner Abwesenheit zu einer Geldstrafe von 15 000 schweren Kupfer-As.
(33) Nach Vertreibung des Mitbürgers, dessen Gegenwart, wenn sich auf irgendetwas, das von Menschen abhängt, mit Gewissheit rechnen lässt, Roms Eroberung unmöglich gemacht hätte, kamen von den Clusinern – denn schon nahte das über die Stadt verhängte Unglück – Gesandte mit der Bitte um Hilfe gegen die Gallier.
2 Der Sage nach soll diese Nation, gereizt durch die Annehmlichkeit der Erzeugnisse und besonders des Weines, eines ihr damals noch neuen Genusses, über die Alpen gegangen sein und die von den Etruskern angebauten Fluren besetzt haben; 3 den Wein aber habe ihr, um sie zu locken, ein Clusiner, namens Arruns, zugeführt, um sich an einem Lucumonen, dem Verführer seiner Frau, zu rächen, dessen Vormund er selbst gewesen war, den er aber, als einen sehr mächtigen jungen Mann, ohne eine auswärtige Macht aufzubieten, nicht zur Strafe ziehen konnte; 4 er soll bei ihrem Übergang über die Alpen ihr Führer gewesen sein und sie zum Angriff auf Clusium aufgefordert haben.
Ich will nicht leugnen, dass Arruns (oder ein anderer Clusiner) Gallier vor Clusium geführt habe; 5 dass aber die Belagerer Clusiums nicht die ersten Gallier waren, welche über die Alpen gingen, ist ausgemacht; denn die Gallier gingen schon 200 Jahre früher, ehe sie Clusium bestürmten und die Stadt Rom eroberten, nach Italien herüber, 6 und ihre Heere kämpften nicht mit diesen Etruskern zum ersten Mal, sondern schon viel früher mit denen, die zwischen den Apenninen und den Alpen wohnten. 7 Die Macht der Tusker nämlich erstreckte sich vor der römischen Oberherrschaft weit über Land und Meer. Wie mächtig sie auf dem oberen und unteren Meer waren, welche Italien gleich einer Insel umgeben, beweisen schon die Namen, 8 da Letzteres bei den Völkerschaften Italiens nach dem Namen des Volkes das Tuskermeer, und Ersteres nach einer Kolonie der Tusker, Adria, das Adriatische Meer heißt. Die Griechen nennen sie gleichfalls das Tyrrhenische und Adriatische Meer.
9 Bei dieser Aussicht auf beide Meere bewohnten sie ihr Land in zwölf Städten, zuerst diesseits des Apenninus bis ans Untermeer, nachher auch in den Ländern jenseits des Apenninus, wohin sie nach der Zahl ihrer Hauptstämme Kolonien ausgehen ließen, 10 welche das ganze Land jenseits des Padus (Po) bis an die Alpen besetzten, den Winkel der Veneter ausgenommen, die um den Meerbusen herum wohnen. 11 Auch die Alpenvölker haben ohne Zweifel denselben Ursprung, namentlich die Rätier, denen aber die Gegend selbst ihre Wildheit mitteilte und ihnen von allem Ererbten nichts weiter übrig ließ als den Klang der Sprache, und auch den nicht einmal unverfälscht.
(34) Vom Übergang der Gallier nach Italien haben wir folgende Nachrichten: Als in Rom Tarquinius Priscus regierte, waren unter den Kelten, die den dritten Teil Galliens innehaben, die Bituriger das gebietende Volk; den König über das ganze keltische Land gaben sie. 2 Dieser hieß Ambigatus und war durch seine und seines Volkes Tapferkeit und Glück sehr mächtig, da unter seiner Regierung Gallien an Fruchtbarkeit und Menschen so ergiebig war, dass er die zu große Volksmenge kaum regieren zu können glaubte. 3 In der Absicht, sein Reich von dem überlästigen Schwarm zu befreien, und selbst schon hochbetagt, ließ er bekannt machen, er wolle seine Schwestersöhne, Bellovesus und Segovesus, unternehmende Jünglinge, in die Länder aussenden, die ihnen die Götter durch den Vogelflug zu Wohnsitzen bestimmen würden. 4 Damit sich ihrem Anzug kein Volk widersetzen könne, möchten sie selbst so viele Menschen aufbieten als sie wollten. Da wies das Los dem Segovesus die Hercynischen Wälder an, dem Bellovesus verliehen die Götter einen weit erfreulicheren Weg, den nach Italien. 5 Die hierzu in den Völkerschaften Entbehrlichen bot er auf, die Bituriger, Arverner, Senonen, Haeduer, Ambarrer, Carnuten, Aulerker. Mit einem großen Heer zu Fuß und zu Pferd brach er auf und kam zu den Tricastinern. 6 Nun hatte er die Alpen vor sich. Dass ihm diese unübersteiglich schienen, wundert mich umso weniger, da sie, soviel uns die zusammenhängende Geschichte meldet, wenn wir nicht etwa den Sagen von Herkules glauben wollen, noch nie überstiegen worden waren. 7 Da hier die Höhe der Gebirge die Gallier wie eingezäunt festhielt und sie in Verlegenheit waren, auf welchem Weg sie über die mit dem Himmel zusammenhängenden Bergrücken in einen anderen Weltteil kommen könnten, fühlten sie sich auch durch einen göttlichen Wink gehalten, als sie hörten, dass noch andere Land suchende Ankömmlinge von dem Volk der Salyer bedrängt würden. 8 Dies waren die Massilier, die von Phocaea mit einer Flotte gekommen waren. Die Gallier, die diesem Umstand eine Deutung auf ihre eigene Lage gaben, leisteten den Massiliern Beistand, so dass diese, weil jetzt die Salyer es geschehen lassen mussten, den Platz, den sie gleich bei ihrer Landung besetzt hatten, befestigen konnten. Sie selbst gingen durch das Land der Tauriner und unwegsame Bergschluchten über die Alpen, 9 und als sie nicht weit vom Fluss Ticinus die Tusker besiegt hatten und erfuhren, das Land, in dem sie sich niedergelassen hatten, heiße das Land der Insubrer, so fanden sie darin, dass sie auch im Haeduerland einen Bezirk gleichen Namens, die Insubrer, gehabt hatten, einen Wink, hier zu bleiben, bauten eine Stadt und nannten sie Mediolanum [Mailand].
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