Padre Pedemonte 5, von uns »Padre Muhsa« genannt, war der dritte Geistliche der Mission. Er stand, obgleich Jesuit, geistig weit hinter den Erwähnten zurück, liebte die Jagd leidenschaftlich und war von einer unseligen Bekehrungssucht befallen. Vor allem schien er es darauf abgesehen zu haben, mich zur allein seligmachenden Kirche zurückzuführen. Tagtäglich hielt er mir einen langen Sermon mit den sich regelmäßig wiederholenden Anfangs Worten: »O figlio mio, la strada della salute e apperto per voi, usw.«, nach denen er mir die Finsternis zu schildern versuchte, in denen sich meine von den Banden des Ketzertums umstrickte Seele befinden sollte. Trotz seiner missglückten Versuche sind wir gute Freunde geblieben.
Die übrigen Geistlichen waren der Padre Don Angelo Vinco 6und der Bischof Monsignore di Maurikaster. Ersterer war ein nicht gerade sehr befähigter Mann, in dem sich sonderbare Widersprüche vereinten. Don Angelo klammerte sich, aus Furcht vor dem Ertrinken, bei jedem Windstoß ängstlich an den Mast unserer Nilbarke, blies bei jeder ihm gefährlich scheinenden Fahrt seine Gummimatratze auf, um sie als Rettungsboot bei dem befürchteten Schiffbruch zu gebrauchen – und lebte später mehrere Jahre, unter dem vierten Grad der nördlichen Breite, unter halbwilden Negerhorden, ohne Furcht zu kennen. Ich erfuhr später, dass ihm der König der Nuehr 7seine Tochter verheiraten wollte und sich höchlichst erzürnte, als ihm Padre Vinco erklärte, dass er als katholischer Geistlicher nie gesonnen sein könne, einem so unsinnigen Gesuch zu willfahren. Unser Pater war Jesuit, aber sehr gutmütig, rechtlich und achtbar. Ganz das Gegenteil von ihm war der fünfte Geistliche, der Bischof. Dieser war nicht eigentliches Mitglied der Mission und begleitete sie nur bis Khartum, von wo er zurückkehrte. Der Bischof befolgte das christliche Gesetz: »Ein Bischof soll unsträflich sein« keineswegs. Er nahm es z. B. mit den Gesetzen der Keuschheit nicht sehr genau, lebte nur dem Vergnügen und begnügte sich, unter den Augen des strengen Padre Ryllo tagtäglich sein Brevier zu lesen.
Außerdem hatten sich der Mission noch drei weltliche Personen angeschlossen. Der eine, Baron S. S., früher in Batavia Aufseher einer Pflanzung, wollte im Sudan die Kultur des Kaffees und Reises zum Vorteil der Mission versuchen, musste aber von dort aus, seiner Trunksucht wegen, nach Ägypten zurückgeschifft werden; die anderen beiden, ein junger Malteser und ein unausstehlicher Levantiner, dienten den Geistlichen als Einkäufer, Diener und Dolmetscher.
Uns mit eingerechnet bestand also die Gesellschaft aus acht Europäern und zwei Orientalen, zu denen später noch nubische Bediente hinzukamen. Die Abreise war für Ende September festgestellt. Es blieb uns demnach noch Zeit genug, die Umgegend zu durchstreifen, unsere Ausrüstungen für die große Tour zu treffen und unsere Pläne auszuarbeiten. Die meiste Zeit nahmen die nötigen Einkäufe in Anspruch. Eine Reise ins Innere Afrikas ist in jeder Hinsicht von anderen Reisen verschieden. Man geht Ländern entgegen, in denen man weder Handwerker und Künstler, noch Kaufleute und Gastwirte findet, und muss darnach seine Einrichtungen treffen. Mit allem und jedem zu einer Haushaltung Nötigen muss man sich versehen, vom Tisch bis zur Nähnadel herab; alle Bedürfnisse müssen bedacht werden, will man später nicht empfindlichen Mangel leiden. Der Reisende muss Kleider, Papier und Schreibmaterialien, Esswaren, Essig, Öl, Branntwein, Spiritus und Wein für mehr als Jahresfrist, Arzneien, Lanzetten und Schröpfköpfe, Äxte, Beile, Sägen, Hammer, Nägel, Gewehre und Munition, Reisebeschreibungen, Karten usw. usw. usw. mit sich führen und hundert Dinge besitzen, welche man erst vermisst, wenn man sie entbehrt. Findet man ja noch etwas Brauchbares auf einem der Basare Oberägyptens oder des Sudan, dann sind die Preise enorm. Alle Gegenstände müssen vor der Reise sorgfältig in besonders dazu eingerichtete Kisten gepackt und in strengster Ordnung gehalten werden. Vorzüglich schwer ist es, alles so unterzubringen, dass es wohlversorgt und gleichwohl leicht auszupacken ist, wenn es schnell gebraucht werden sollte.
Bei diesen langweiligen Arbeiten gingen uns die geistlichen Herren mit Rat und Tat hilfreich zur Hand. Ich will die Vorteile, welche wir genossen, indem wir uns der Mission anschlossen, nicht verkennen, habe aber später einsehen gelernt, dass der Naturforscher allein oder von seinen Gefährten unabhängig reisen muss, will er der Wissenschaft dienen, wie er soll. Eine einmal verlorene Gelegenheit, schöne und wertvolle Beute zu erlangen, kommt selten wieder. Wir waren neu im Land und hatten unter der Ägide der Mission Zeit und Gelegenheit, so viel von den Sitten und Gebräuchen der Völkerschaften, unter denen wir lebten, kennenzulernen, als uns zum späteren selbständigen Reisen notwendig war, wir lernten die jedem Neuling im Reisen entgegentretenden Schwierigkeiten jeder Art durch das Beispiel der Mission bekämpfen – aber wir wurden ihrem Willen untertan und unselbstständig. Und das hat uns später viel geschadet.
Am 24. September mieteten die geistlichen Herren eine Nilbarke zur Reise nach Assuan, der Grenzstadt Ägyptens gegen Nubien, zum Preis von zweitausendfünfhundert Piastern. Sie wurde instand gesetzt und mit dem Gepäck beladen. Die Abreise stand bevor. Noch wenige Tage vorher erreichte uns ein unheilkündendes Gerücht. Ryllo hatte bei dem Aufstand der Drusen und Maroniten dem mächtigen Ibrahihm 8durch seine das Volk begeisternden Reden mehr geschadet als alle Häuptlinge der Bergvölker zusammengenommen. Der Pascha hatte sogar einen hohen Preis auf den Kopf des gefürchteten Parteigängers gesetzt, und dieser, kühn genug, wagte es, nach Ägypten zu kommen. Jetzt hieß es, Ibrahihm habe nicht vergessen, was er dem Jesuiten in Syrien zugeschworen; ein Beduinenscheich habe Auftrag, unsere Karawane aufzuheben und dafür die Effekten als gute Beute zu behalten. Padre Ryllo solle Ägypten lebend nicht wieder erreichen. Er kehrte in der Tat dahin nicht zurück.
*D.i.: behördliche Erlaubnis entsprechend üblicher Praxis.
*Zu Deutsch: »die Goldene«, Name dieser Barken.
*Goltz, Ein Kleinstädter in Ägypten .
*Maheruhseth oder Maheruhsa ist ein Beiname Kairos und bedeutet »die von Allah Beschützte«, von »harrasa«, ›schützen‹.
**Massr bedeutet Hauptstadt, wird aber fast ausschließlich nur für Kairo gebraucht; khahira bedeutet »die Zwingende« und bezüglich »Unbezwungene«; von diesem Wort ist Kairo (sprich Kai-ro und nicht Ka-i-ro) abgeleitet.
*Ein narkotisches Extrakt aus Hanfsamen, mit einer dem Opium fast gleichen Wirkung.
*Zu Deutsch: »Sieh dich vor, Herr! Dein Rücken, dein Fuß, deine rechte Seite, neben dir, deine linke Seite, dein Kopf [ist gefährdet], sieh dich vor, ein Kamel, ein Maultier, ein Esel, ein Pferd, nimm dein Gesicht in Acht, sieh dich vor; o du Bewahrer [Gott] (hilf!), behüte dich, Herr!«
III. REISE AUF DEM NIL
VON KAIRO BIS ZUR EINBRUCHSTATION DER WÜSTENSTEPPE BAHIUDA
Am Nachmittag des 28. September bestiegen wir mit den geistlichen Herren und ihrer Begleitung eine große, bequeme Nilbarke, welche, bereits mit unserem Gepäck beladen, im Hafen Bulakhs lag. Zur Zeit der Abreise aller Araber, zum Aassr, oder zwei Stunden vor Sonnenniedergang flog sie vor einem frischen Nordwind dem Strom entgegen.
Mit krachenden Salven nehmen wir von Kairo Abschied. Unsere Gefühle sind wehmütig gestimmt; es ist uns, als ob wir, von aller Zivilisation uns losreißend, jetzt vom Vaterland für immer getrennt würden. Aber die Begierde, fremde Länder zu sehen, ist noch mächtiger; wir bemerken mit Vergnügen, wie eins der Häuser Bulakhs nach dem andern verschwindet. Balsamischer Duft weht von der Insel Roda zu uns herüber, die noch vor Kurzem in der Sonne glühenden Minaretts der Zitadelle hüllen sich in das Dunkel der Nacht, wir passieren Alt-Kairo, die Stadt der Kalifen entschwindet dem Auge. Mit der Nacht erschlafft der Wind, nur leise strömt er noch in die geöffneten Segel, leise plätschern die Wellen am Bug des Schiffes, melodisch hallt des heiligen Stromes Sprache in unserem Innern wider.
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