Man kann sich wirklich keine angenehmere Reise denken als die in einer Nilbarke, wenn man in Gesellschaft und mit allem Nötigen wohlversehen ist. Bei längeren Nilreisen mietet man das Schiff mit seiner Mannschaft auf unbestimmte Frist; für eine monatlich zu zahlende Summe schwimmt man ganz nach Gutdünken und Belieben auf dem Weltstrom herum, ist vollkommen sein eigener Herr, kann seine Reise ausdehnen oder abkürzen, wie man will, und findet in allen Städten Ägyptens das Unentbehrlichste zur Nahrung und Notdurft des Leibes. Monatlich für tausend Piaster oder sechsundsechzig Taler unseres Geldes kann man schon eine recht hübsche Dahabïe mitsamt ihrer Bemannung mieten; doch gibt es auch sehr kostbar ausgestattete, allen Bequemlichkeiten entsprechende Barken für luxuriösere Reisende. Jedenfalls ist die Dahabïe den Dampfschiffen vorzuziehen, welche jetzt, mit Reisenden beladen, in wenig Tagen das Pharaonenland durcheilen, kaum Zeit lassend, seine Wunderwerke zu besichtigen *. Bei schnell zurückgelegten Reisen vermischen sich die empfangenen Eindrücke; an eine auf der Dahabïe zurückgelegte Nilreise wird gewiss jeder mit Vergnügen zurückdenken und von ihr eine dauernde Erinnerung mitnehmen.
Die Einrichtung der Segelbarken des Nils ist immer dieselbe. Mehr als die Hälfte ihrer ganzen Länge hat man für die Kajüte in Anspruch genommen, der übrig bleibende, über den Fußboden der Kajüten um einige Fuß erhöhte Teil beherbergt die Matrosen und das Reisegepäck. Bis zum Mittelmast ist das Deck noch zur Benutzung der Reisenden bestimmt; es wird bis dahin mit einem Sonnendach überdeckt, unter welchem man sich aufhält, um die frische Luft und die Aussicht zu genießen. Am Vordermast steht die Küche: ein durch einen Bretterkasten vor dem Wind geschützter Kochherd oder eine Kochmaschine; zwischen Vorder- und Mittelmast befinden sich die Ruderbänke. Am Bug des Schiffes ist der Sitz des das Fahrwasser prüfenden Reïs, auf dem Dach der Kajüte steht der durch den Reïs befehligte »Mustahmel« oder Steuermann, zwischen Vorder- und Mittelmast sitzen die die Segel wartenden Matrosen. Die Masten sind verhältnismäßig kurz, haben aber ungemein lange Rahen, an denen dreieckige (so genannte lateinische) Segel befestigt sind. Diese müssen nach der Richtung des Windes und der Fahrt oft gewendet werden, wobei auch die Segelstange jedesmal auf die andere Seite des Mastes gedreht wird. Bei niederem Nilstand und starkem Wind hält ein Matrose das Seil, mit welchem das Segel angespannt wird, um dieses sogleich freilassen zu können, wenn das Schiff, wie sehr häufig geschieht, auf den Grund gefahren ist. Dann entkleiden sich alle Matrosen mit großer Geschwindigkeit, springen ins Wasser und schieben die Barke mit manchem Seufzer und unnachahmlichem, taktmäßigem Gestöhn wieder in besseres Fahrwasser. Gewöhnlich hat die Dahabïe zwei große und ein kleines Segel (»Trikehta« genannt), welches auf einem durch verlängerte Planken am Stern des Schiffes gebildeten Anhängsel steht; zuweilen sieht man auch nur ein großes Vordersegel, »Khumasch«, und die Trikehta. Kleine, sehr lange, stark bemannte Barken mit großen Segeln und einer kleinen Kajüte heißen »Sandal«; sie sind Schnellsegler. Die Kajüte der Dahabïen ist in drei bis vier Zimmerchen eingeteilt, von denen eins das Empfangs-, das zweite das Wohnzimmer, das dritte ein Reinigungskabinett und das vierte endlich das Schlafzimmer oder den »Harem« darstellt. In dem letzten Raum beherbergen die Orientalen ihre weibliche Reisegesellschaft. Auf den großen Gesellschaftsdahabïen enthalten die Kajüten wohl auch Tische, Stühle, Schränke, Truhen und dergleichen häusliche Gerätschaften und werden dann nur umso wohnlicher.
Nächst den unserem europäischen Geschmack zusagenden Proviantvorräten, welche man bei Nilreisen von Kairo mitnimmt, darf man die Wasserkühlgefäße nicht vergessen. Seit undenklichen Zeiten versteht man in Ägypten Tonkrüge zu fertigen, welche durch ihre sehr feinen Poren immer eine geringe Menge der in ihnen enthaltenen Flüssigkeit durchschwitzen lassen. Diese überzieht dann den Krug von außen mit einer sehr feinen, beständig verdunstenden und dadurch das Gefäß und seinen Inhalt kühlenden Schicht. Von diesen Gefäßen unterscheidet man zunächst zwei Sorten: den » Sihr « und die » Khula. « Ersterer dient dazu, eine große Menge des frischgeschöpften Nilwassers zu läutern und zu kühlen, die letztere, um das schon gereinigte Wasser möglichst abzufrischen.
Der Sihr ist ein großer, ungefähr zwei Eimer haltender, zuckerhutähnlicher Topf, welcher mit seiner nach unten gerichteten Spitze aufgestellt und dann mit Wasser gefüllt wird. Seine Masse hat gröbere Poren, welche, zwar immer noch fein genug, um das durch sie ausfließende Wasser zu läutern, doch einer größeren Menge den Durchgang gewähren. Das durchgesickerte Wasser wird in einer glasierten Schüssel aufgefangen und nun erst in die kleinen, zierlichen und sehr verschieden gestalteten Khulal *gebracht, in denen man das Trinkwasser bis zu einer Frische von + 8° Reaumur, abkühlen kann. Beide Gefäßarten sind so billig, dass sie sich selbst der ärmste Fellach anzuschaffen vermag.
Aus diesen Anstalten zum Reinigen und Kühlen des Nilwassers geht schon hervor, dass es so ohne Weiteres keineswegs › das beste Wasser der Welt ‹ genannt werden kann, wie viele Reisende es getan haben. Ich selbst werde im Verlauf dieser Blätter vielleicht auch mit Entzücken von demselben sprechen und fühle mich deshalb um so mehr zu dem offenen Bekenntnis, dass die Ansichten über die Güte des Nilwassers nur relativ sind, verpflichtet. Wenn der Strom seine größte Höhe erreicht hat, führt sein Wasser so viele erdige Teile mit sich, dass es davon hellbraun gefärbt wird; bei langem, ruhigem Stehen oder inniger Vermischung mit schnell klärendem Alaun, bitteren Mandeln, Buffbohnen und dergleichen sinken diese eben die Fruchtbarkeit Ägyptens bedingenden Schlammteile zu Boden und bilden eine das Zwölftel des Inhalts eines Gefäßes betragende, dichte Schicht. Ungeklärt genossen, hat es stets Durchfall und einen Ausschlag, welchen die Araber geradezu Nilausschlag nennen, zur Folge. Es ist also nicht wohl denkbar, dass ein so beschaffenes Wasser das beste Trinkwasser sein kann.
Aber die das köstliche Nilwasser preisenden Reisenden haben ganz Recht, wenn sie sagen: Es gibt in Ägypten kein besseres Wasser als das des Nils. Ich bin fest überzeugt, dass das Wasser unserer Elbe ebenso gut ist als das des Nils; allein zwischen beiden Gewässern findet der Unterschied statt, dass wir in Deutschland silberreines Quellwasser und in Ägypten nur stinkendes, ekelerregendes Lachen- oder Zisternenwasser zur Vergleichung haben. Und dabei ist ägyptischer Durst ein anderer als deutscher, wenigstens deutscher Wasserdurst. Durst ist der beste Mundschenk; man ist in heißen Ländern froh, wenn man den oft zur Qual werdenden Durst löschen kann; geistige Getränke können das Wasser nie entbehrlich machen: ihr Genussvermehrt nur die Begierde darnach. Und deshalb ist das Nilwasser das beste Wasser der Welt.
Unsere Reise durch Oberägypten gewann mit jedem Tag an Interesse. Weite, fruchtbare, jetzt im Frühlingsgrün stehende Saatfelder, fruchtbeschwerte, in großen Wäldern vereinigte Dattelpalmen, Dörfer und Städte, öde liegende, vom Riedgras in Besitz genommene Strecken guten Ackerlandes, den beiden Wüsten des Landes angehörende Sandebenen, kahle Gebirge, mit jäh abstürzenden Felspartien oder geröllbedeckten Bergeshängen, Trümmer von altägyptischen Tempeln und Ruinen verfallener Wohnsitze wechseln hier in bunter Reihe miteinander ab. Der Vergnügungsreisende hat Zeit genug, alles Merkwürdige zu besichtigen; wir, von der Mission abhängend, konnten nur die Morgenstunden den Besuchen des festen Landes, mit denen wir zugleich die Jagd verbanden, widmen.
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