1 ...8 9 10 12 13 14 ...24 Wir waren bisher fortwährend gestiegen und sahen von unserem letzten Ruhepunkt aus noch hohe Berge vor uns. Die Gegend wurde wilder und romantischer. Ein verfallenes Kastell krönte den Rücken eines hohen Berges und mochte früher eine Talschlucht, durch welche wir ziehen mussten, beherrscht haben.
Durch die halsbrecherische Schlucht ritten wir in die Ebene hinab. Sie war dürr und unbebaut, obgleich der Boden überall der fruchtbarste Acker hätte sein können. Gegen neun Uhr abends ritten wir in Theben ein. Man erkennt die frühere Größe und Bedeutung dieses Orts nur noch durch ausgedehnte Trümmerhaufen; das heutige Theben ist ein elendes Dorf. Bei unserer Ankunft umringten uns Scharen von Müßiggängern und begleiteten uns zum Haus eines deutschen Arztes, des Dr. Hormel. Dieser empfing uns sehr gastfreundlich und tat mit seiner liebenswürdigen Frau, einer schönen, jungen Griechin, alles ihm nur Mögliche, um uns unsere große Ermüdung vergessen zu machen.
Nach Athen zurückgekehrt, bemühten wir uns, das eigentümliche Leben der Hauptstadt Griechenlands kennenzulernen. Es zeugt von der Verschmelzung des Morgen- und Abendlandes. Viele Sitten und Gebräuche der Griechen sind ganz die der Morgenländer, andere ähneln denen der Abendländer. Die Laster beider sind von den Griechen angenommen worden. Bei Tage sind die Straßen Athens ziemlich verödet; erst gegen Abend beginnt das wahre Leben, dauert aber auch bis tief in die Nacht hinein. Dann beleben sich die Balkone der bei Tag fast unzugänglichen Häuser mit den bisher eifersüchtig verborgen gehaltenen Frauen; die morgenländischen Kaufhallen, »Basar« genannt, sind erleuchtet, die Straßen werden lebendig. Da sieht man den zierlich gekleideten, vornehmen Griechen elastischen Schritts durch die Menge eilen, finster und ruhig lehnt das schroffste Gegenstück dazu, ein in Lumpen gehüllter Hirte, mit seinen rostigen Pistolen im schmutzigen Lendengurt, an einer Ecke – der erstere ist das vollendete Bild eines aalglatten, sich überall durchwindenden Gauners, der letztere das eines Räubers. Aus dem Basar ertönt das Geschrei eines Verkäufers, in den Straßen bieten barfüßige Malteser dem Fremden zudringlich ihre Dienste an und ähneln den vielen, jedermann ankläffenden herrenlosen Hunden, welche bei Nacht ebenfalls in den Straßen herumlaufen. In den Kaffeehäusern sieht man bereits die brennende Wasserpfeife der Türken, nur herrscht in dem engen Raum nicht die Ruhe eines orientalischen Kaffeehauses. Mehrere junge Leute tanzen nach der Musik einer Gitarre oder einer von ihnen singt dazu. Der Himmel bewahre aber jeden Fremden, das mit anhören zu müssen! Griechischer Gesang ist für das Ohr eines vernünftigen Menschen etwas Entsetzliches, er ist eine wahre Verhöhnung aller Musik. Erst nach Mitternacht wird es in den Straßen ruhig. Dann findet man viele der Armen mitten im Weg liegen, wo sie schlafen, und muss sich in Acht nehmen, keinen von ihnen zu treten oder zu stoßen.
Die heutigen Griechen, welche ich später in Ägypten noch genauer kennenlernte, ähneln in ihren Sitten noch sehr ihren Vorfahren, haben aber leider mehr deren Laster beibehalten als deren Tugenden. Vor allen anderen Eigenschaften machen sich bei ihnen Eitelkeit und Habsucht bemerklich; ich behaupte geradezu, dass diese der Hauptbeweggrund zu vielen lasterhaften Handlungen sind. Es ist traurig, aber wahr, dass man sich den heutigen Griechen kaum als tugendhaften Menschen denken kann. Er lässt die Fluren seines Vaterlandes unbebaut und wandert als Kaufmann aus, um schneller reich zu werden, oder wird Räuber und Mörder, um Geld zu bekommen. Der Grieche ist fleißig, aber nur um seiner Habgier und Eitelkeit frönen zu können; List und Betrug, Diebstahl und Mord sind bei ihm mit Fleiß identisch. Derselbe Kaufmann, dem es bei seinem Handel nicht nach Wunsch ging, tritt vielleicht später als gefürchteter Räuber auf, und das lateinische Sprichwort: »Graeca fides, nulla fides« findet heute noch seine volle Anwendung.
Wir verließen Athen am 25. Juli und kehrten nach Syra zurück. Hier schifften wir uns am folgenden Tag an Bord der »Imperatrice« ein und verließen abends den Hafen, um Ägypten zuzusteuern. Nach einer sehr glücklichen Fahrt waren wir schon am 29. Juli der afrikanischen Küste so nahe gekommen, dass wir noch denselben Tag im Hafen Alexandriens Anker zu werfen hoffen durften. Die Matrosen des Schiffes, mit denen ich fleißig verkehrte, machten mich nachmittags auf das auftauchende Land aufmerksam. Bekanntlich ist die ägyptische Küste sehr flach und hat nirgends hervorragende Punkte. Sie zeigte sich uns zuerst als ein langer, schmaler, fahlgelber Streifen, trat aber immer deutlicher hervor. Nach Verlauf einer Stunde von ihrem ersten Erscheinen an konnten wir mittels der Fernrohre bereits mehrere hervorstechende Orte unterscheiden. Unser Schiff eilte mit einer durch günstigen Wind sehr beschleunigten Schnelligkeit dem Land zu. Die Umrisse des vor uns ausgebreiteten Bildes zeichneten sich schärfer ab. Gerade vor uns zeigten sich viele Windmühlen, welche wir anfangs für einen Wald gehalten hatten, rechts lag ziemlich nahe der »Turm der Araber«, links eine im Licht der Sonne blendend weiß erscheinende Häusermasse mit schlanken Minaretts und Türmen: Alexandrien. Das Lotsenboot brachte uns einen des gefährlichen Weges kundigen Steuermann an Bord, der alsbald seine Instruktionen erteilte. Er war der erste Sohn des vor uns liegenden Landes, den wir zu sehen bekamen, sprach ziemlich fertig italienisch und schien sein Geschäft zu verstehen. Mit sicherer Hand führte er das nur von halber Dampfkraft bewegte Boot durch den gefürchteten Hafeneingang hindurch, an den Bädern der Kleopatra und mehreren Forts vorüber und dem inneren Hafen zu. Hier warfen wir neben einem mächtigen Kriegsschiff der ägyptischen Flotte Anker 4.
Arabische Wasserfahrzeuge
Wie soll ich die Gefühle beschreiben, welche jetzt in uns rege wurden? Staunen und Neugier, Verwunderung und Freude vermischten sich. Die riesigen Werke des Vizekönigs, die fremdartige Stadt und das fremde Volk in den Barken beanspruchten wechselseitig unser Interesse. Wir ließen unsere Blicke von einem Ort zum andern schweifen, immer aber kehrten sie unwillkürlich zu einem vor uns liegenden, von der Säule des Pompejus überragten Palmenwald zurück. Palmen, und Palmen in Wäldern, das Schauspiel ist zu neu, als dass wir es nicht bewundern sollten. Jetzt wurde uns klar: »Das Märchenland der Tausendundeinen Nacht liegt vor uns.«
*Anmerkungen des Herausgebers: siehe Seite 411ff.
II. DIE ERSTEN TAGE IN ÄGYPTEN
Schon wenige Minuten nach unserer Ankunft umschwärmte eine Unzahl kleiner Barken das Dampfboot. Ihre Führer forderten die Reisenden in drei bis vier Sprachen auf, eine derselben zu besteigen und zu landen. Noch fehlte uns aber die Erlaubnis der Hafen- und Gesundheitspolizei hierzu. Die ersehnte Barke mit der gelben Quarantäneflagge erschien und legte dicht an unserem Schiff an. Statt der gehofften »Prática« *erteilte der befehligende Offizier der Quarantänemannschaft den strengsten Befehl, auf dem Schiff zu verweilen, weil er es in Quarantäne erklären müsse. Erst der folgende Tag löste das Rätsel. Ein anderes Dampfboot des österreichischen Lloyd hatte sich vor wenigen Tagen ein Versehen gegen die Verordnungen der Gesundheitspolizei zu Schulden kommen lassen, welches wir jetzt büßen mussten.
Grollend und missmutig ergaben wir uns in unser Schicksal; ich brauche nicht zu schildern, mit welcher Sehnsucht wir nach dem nahen Land hinüberblickten. Die Zeit schlich bleiern dahin, obgleich die Schiffsgesellschaft manches Mittel, sie zu kürzen, anwandte. Wir beschäftigten uns eine Zeitlang mit dem Herabschießen der zahlreich uns umschwärmenden Möwen. Die Hitze des Juli Ägyptens wurde uns fast unerträglich; die Gefahren des fremden Klimas nicht kennend, versuchte ich mir Erleichterung zu verschaffen und ging mit bloßem Kopf auf dem Verdeck herum. Schon nach wenigen Minuten fühlte ich mich bestraft; heftige, sich mehr und mehr steigernde Kopfschmerzen waren die Vorboten einer mir damals kaum dem Namen nach bekannten, gefürchteten Krankheit, des Sonnenstichs. Ägypten bot mir einen bösen Willkommensgruß.
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