(13) Clodius glaubte, wenn er den Senat, die Ritter und das Volk für sich gewonnen habe, bald mit ihm fertig zu werden, verteilte deshalb wieder unentgeltlich Getreide, 2 denn er hatte schon, als Gabinius und Piso Konsuln waren, eine Verteilung an die Armen vorgeschlagen und führte die Zünfte, in der Landessprache Collegia genannt, die von alter Zeit her bestanden hatten, seit Kurzem aber aufgehoben waren, wieder ein. Den Zensoren aber verbot er, jemandem aus seinem Stand zu streichen und zu entehren, wenn er nicht vor beiden Zensoren gerichtet und schuldig befunden worden sei. 3 Nachdem er sie hierdurch geködert hatte, beantragte er ein anderes Gesetz, über das ich weitläufiger sprechen muss, um der Mehrzahl meiner Leser verständlich zu werden. Unter den öffentlichen Auspizien, die man am Himmel und an Gegenständen (wie schon erwähnt) anstellte, waren die am Himmel die wichtigsten, sodass die anderen mehrmals und bei jeder Handlung vorgenommen wurden, jene am Himmel aber nur einmal für den ganzen Tag stattfinden durften. 4 Schon dies war ganz eigentümlich dabei und noch mehr, dass sie bei allen anderen Dingen etwas vorzunehmen erlaubten, und dass dieses dann geschah, ohne dass bei jeder einzelnen Handlung eine besondere Vogelschau nötig war, oder aber, dass sie etwas verhinderten und aufschoben, die Abstimmung des Volkes hingegen jederzeit unterbrachen. Bei diesen waren sie immer ein Götterverbot, sie mochten günstig oder ungünstig sein. 5 Den Grund dieses Gebrauchs weiß ich nicht, ich erzähle nur, was man sagt. Weil nun manche, um die Verabschiedung neuer Gesetzvorschläge oder die Wahlen zu obrigkeitlichen Ämtern zu hintertreiben, meldeten, dass sie an diesem Tag die Erscheinungen des Himmels beobachtet hätten und das Volk daher keinen Beschluss fassen könne, 6 und Clodius befürchtete, es möchten einige, wenn er Cicero anklage, auf diesem Wege das Gerichtsverfahren unterbrechen und hinausschieben, so schlug er als Gesetz vor, dass kein Staatsbeamter an solchen Tagen, da das Volk eine Entscheidung zu fassen habe, die Erscheinungen am Himmel beobachten dürfe.
(14) Solche Vorschläge machte er damals gegen Cicero, und als jener seine Absicht merkte und den Volkstribun Lucius Ninnius Quadratus zum Einspruch gegen dieselben veranlasste, so fürchtete jener Unruhe und Verzögerung und suchte ihn durch Schmeicheleien zu hintergehen. 2 Er versicherte ihm, dass er, wenn er keinen seiner Gesetzesvorschläge hindere, keine Klage wider ihn erheben wolle, setzte, als Cicero und Ninnius sich ruhig verhielten, dieselben durch und machte sich dann an Cicero selbst. 3 So wurde denn er, der der klügste Mann im Staat sein wollte, von Clodius (wenn man anders diesen und nicht vielmehr Caesar und seine Verbündeten nennen will) überlistet. 4 Der Gesetzesvorschlag, welchen Clodius hierauf machte, schien nicht auf ihn, dessen Namen nicht einmal genannt war, sondern überhaupt auf alle zu zielen, welche einen Bürger ohne Verurteilung des Volkes umbrächten oder umgebracht hätten. In Wirklichkeit aber war es damit hauptsächlich auf ihn abgesehen. 5 Zwar ging er an den ganzen Senat, dass er den Konsuln die Wahrung der Sicherheit des Staates und somit die Erlaubnis zu solchen Gewaltmaßnahmen gegeben und hierauf Lentulus und dessen Mitgefangene zum Tode verurteilt hätte. 6 Weil aber Cicero sie angeklagt, wider sie Reden gehalten hatte, den Beschluss fassen und zuletzt die Strafe durch die bestimmten Diener hatte vollziehen lassen, so lag auf ihm die hauptsächliche, wenn nicht alleinige Schuld. 7 Weshalb auch dieser nicht nur überall alle möglichen Schritte dagegen tat, sondern auch das Senatorengewand ablegte, im Ritterkleid umherging und bei allen, welche Macht besaßen, Freunden und Feinden, besonders aber bei Pompeius und Caesar (der ihn seine Feindschaft gegen ihn nicht merken ließ) bei Tag und Nacht Besuche machte und um ihre Gunst warb.
(15) Jene wollten sich nicht den Anschein geben, als ob sie Clodius angestiftet hätten oder dessen Anklage billigten, und ersannen folgende, für sie selbst nicht unrühmlich erscheinende, jenem aber undurchschaubare Täuschung: 2 Caesar riet ihm zu weichen, um nicht, wenn er im Lande bliebe, sein Leben in Gefahr zu setzen. Um ihn aber zu überzeugen, dass er es gut mit ihm meine, erbot er sich, ihn als Legaten mitzunehmen, sodass er nicht verunglimpft als ein Angeklagter, sondern ehrenvoll als Befehlshaber dem Clodius aus den Händen komme. 3 Pompeius aber brachte ihn davon ab, indem er dies als Flucht bezeichnete und ihm zu verstehen gab, dass Caesar ihm nicht aus lauterer Absicht so geraten habe. Sein Rat dagegen war, er solle bleiben, sich und den Senat freimütig verteidigen und dem Clodius kühn die Stirn bieten. 4 Wenn er gegenwärtig sei und ihm widerstehe, könne jener nichts ausrichten und werde sogar selbst in Strafe fallen, wenn er [Pompeius] ihm zur Hand ginge.
Solches sagten sie nicht, weil sie verschiedener Meinung gewesen wären, sondern um ihn desto verdachtsloser auflaufen zu lassen. 5 Er entschied sich für den Rat des Pompeius, denn er hatte nicht nur keinen Argwohn gegen ihn, sondern hoffte vielmehr dadurch gerettet zu werden, weil er, im Besitz der allgemeinen Achtung und Wertschätzung, unter den gefährlichsten Umständen schon viele Männer teils den Richtern, teils den Anklägern entrissen hatte, 6 weil aber gleichzeitig Clodius, wegen früherer Verwandtschaft mit Pompeius, und weil er ihn lange auf seinen Feldzügen begleitet hatte, alles nach dessen Sinn zu tun schien. Gabinius, der mit ihm [Pompeius] eng befreundet war, und Piso, als ein rechter Mann und Caesars Verwandter, konnten ihm voraussichtlich nicht zur Seite stehen.
(16) Auf diese Gründe seine Hoffnung auf Sieg bauend (wie er überhaupt ebenso unbedacht in der Hoffnung wie in der Furcht war) und weil er besorgt war, durch Weggehen ein böses Gewissen zu verraten, dankte er Caesar für sein Anerbieten und folgte dem Pompeius. 2 Auf solche Weise ermutigt, benahm er sich, als ob er einen glänzenden Sieg über seine Feinde schon in Händen hätte, denn zu den schon erwähnten Hoffnungen kam noch, dass die Ritter sich auf dem Capitol versammelten und seinetwegen einige aus ihrer Mitte nebst den Senatoren Quintus Hortensius und Gaius Curio als Abgeordnete an die Konsuln und den Senat abschickten. 3 Auch Ninnius tat sich für ihn um und ermahnte unter anderem das Volk, wie bei einem den Staat betreffenden Unglück, die Kleidung zu wechseln. Viele auch der Senatoren taten es und legten das Trauergewand nicht früher ab, als bis ihnen die Konsuln durch ein eigenes Edikt verboten, es zu tragen. 4 Aber seine Gegenpartei war dennoch mächtiger: Clodius gestattete dem Ninnius nicht, zu seinen Gunsten etwas beim Volk zu tun, und Gabinius untersagte den Rittern den Zutritt in den Senat und verwies sogar einen derselben, welcher sehr zudringlich war, aus der Stadt, Hortensius und Curio aber machte er Vorwürfe, dass sie ihrer Versammlung beigewohnt und die Gesandtschaft angenommen hatten. 5 Clodius aber stellte sie vor das Volk und ließ sie für ihre Gesandtschaft durch einige dazu aufgestellte Leute durchprügeln. Piso, welcher bisher gegen Cicero Wohlwollen gezeigt und ihm als einziges Rettungsmittel den Weggang aus der Stadt angeraten hatte, kam, 6 als ihm Cicero darüber zürnte, sobald es ihm seine schwächliche Gesundheit erlaubte, in die Volksversammlung und erklärte, von Clodius befragt, was er von dem vorgeschlagenen Gesetz halte: »Keine grausame, tückische Handlung gefällt mir!« Gabinius aber, an welchen dieselbe Frage erging, lobte Cicero nicht nur nicht, sondern tadelte überdies die Versammlung der Ritter.
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