Am 29. September schnitten wir den Äquator bei 18 Grad westlicher Länge. Meiner Instruktion zufolge hätte ich ihn sehr viel weiter westlich passieren müssen, aber glücklicherweise trieb uns der Wind stets gegen Osten. Wäre dies nicht so gewesen, so hätte ich die Insel Trinidad wohl kaum zu Gesicht bekommen. Ich behielt immer dieselbe Richtung bei und kam so zu der Untiefe, auf die das Schiff Le Prince im Jahr 1747 beinahe aufgelaufen wäre. Noch immer bemerkten wir kein Anzeichen von Land, nur einige Fregattvögel, die uns vom 8. Grad nördlicher bis zum 3. Grad südlicher Breite begleiteten. Während dieser ganzen Zeit kreiste eine Menge Thunfische um die Schiffe. Wir konnten nur wenige von ihnen fangen, weil sie so schwer waren, dass sie unsere Angelschnüre zerrissen. Keinen zogen wir an Bord, der nicht wenigstens volle sechzig Pfund wog.
Wenige Tage nach unserer Abfahrt von Teneriffa verlor der Himmel jenes herrliche Aussehen, das man nur in subtropischen Breiten findet. Stattdessen war er beständig mit einer matten Blässe überzogen, die weder ganz Nebel noch Gewölk war. Die Sichtweite betrug keine drei Meilen. Gleich nach Sonnenuntergang lösten sich die Dünste auf, und die Nächte waren durchweg heiter und freundlich.
Am 11. Oktober stellten wir eine große Zahl von Beobachtungen über den Abstand des Mondes von der Sonne an, um danach die Länge zu bestimmen und unsere Schiffsuhren zu richten. Nachdem wir mithilfe von Zirkel und Sextant zehn verschiedene Beobachtungen gemacht und die Mittelwerte errechnet hatten, stellten wir fest, dass wir uns unter 25 Grad 15 Minuten westlicher Länge befanden. Am 16. Oktober sah ich bei Sonnenuntergang die Insel Trinidad 3, die im Westen 8 Grad nördlich vor uns lag. Um zehn Uhr vormittags waren wir von ihrer Südostspitze noch zweieinhalb Meilen entfernt. Im Hintergrund der von dieser Spitze gebildeten Bucht nahm ich die portugiesische Flagge wahr. Sie flatterte auf einem kleinen Fort, das fünf oder sechs Holzhütten umgaben. Der Anblick der Flagge machte mich neugierig; ich schickte ein Boot an Land, um herauszubringen, ob die Engländer das Eiland verlassen oder aufgegeben hatten. Mir schwante bereits, dass ich auf Trinidad weder das Wasser noch das Holz finden würde, das ich benötigte; nur auf den Gipfeln der Hügel waren einige Bäume sichtbar. Die See schlug überall mit solchem Ungestüm an, dass es nicht ratsam war, unsere Schaluppe auszusetzen. Ich entschied mich dafür, den ganzen Tag in Küstennähe zu lavieren, um am nächsten Morgen in aller Frühe entweder vor Anker zu gehen oder wenigstens ein Boot an Land zu schicken. Gegen Abend rief ich dies der Astrolabe durchs Sprachrohr zu. Als die Astrolabe am nächsten Morgen, am 18. Oktober, nur noch eine halbe Meile vom Land war, schickte Herr de Langle sein Langboot ab, das Herr de Vaujuas befehligte. Herr de La Martinière und Pater Receveur, ein unermüdlicher Naturforscher, begleiteten ihn. Sie fuhren zwischen zwei Felsen auf die Bucht zu. Die Brandung war so heftig, dass das Fahrzeug mit seiner Besatzung unweigerlich gekentert wäre, wären ihm die Portugiesen nicht eiligst zu Hilfe gekommen. Sie zogen das Boot an den Strand, um es vor der Wut der Wogen in Sicherheit zu bringen, und retteten alles, was sich auf ihm befand, mit Ausnahme des Bootsankers, der verlorenging. Nach Schätzung von Herrn de Vaujuas war der portugiesische Posten mit etwa zweihundert Mann besetzt, wovon aber nur fünfzehn Uniform trugen. Die anderen gingen im bloßen Hemd einher. Der Kommandant der Niederlassung, der man den Namen Kolonie nicht geben kann, da kein Feldbau betrieben wird, erzählte, der Gouverneur von Rio de Janeiro habe die Insel vor ungefähr einem Jahr in Besitz genommen. Entweder wusste er nicht, dass sie ehedem den Engländern gehörte, oder er stellte sich so, als sei ihm dies unbekannt. Der Kommandant fühlte sich verpflichtet, uns allerlei Märchen zu erzählen. Er behauptete, sein Fort sei mit vierhundert Mann und zwanzig Kanonen bestückt, während doch rings um die Niederlassung nicht eine einzige Batterie zu sehen war. Seine Furcht vor der Wahrheit war so groß, dass er Herrn de La Martinière und Pater Receveur nicht einmal gestattete, das Ufer zu verlassen, um Pflanzen zu sammeln. Nachdem er Herrn de Vaujuas allerlei Beweise seiner anständigen Gesinnung und seines Wohlwollens gegeben hatte, zumindest dem Anschein nach, zwang er ihn, sich wieder einzuschiffen, mit dem Bemerken, er sei leider nicht imstande, uns Wasser oder Proviant abzugeben.
Gleichfalls am frühen Morgen hatte ich ein zweites Boot unter dem Befehl von Schiffsleutnant Boutin an Land geschickt, mit der Weisung, den Strand nicht zu betreten, wenn das Langboot der Astrolabe schon vor ihm angekommen sei; in diesem Fall solle er es dabei bewenden lassen, vor der Reede Sondierungen vorzunehmen und sie in aller Eile abzuzeichnen. Herr Boutin näherte sich infolgedessen der Insel nur bis auf einen Büchsenschuss. Die Prüfung des Ankergrundes ergab, dass er aus mit einigem Sand vermischten Felsen bestand. Herr de Monneron zeichnete das Fort so gut, als habe er sich an Land befunden, und Herr de Lamanon stellte fest, dass die Felsen aus Basalt und geschmolzenem Gestein bestanden, das wohl von einigen ausgebrannten Vulkanen herrührte. Diese Vermutung fand ihre Bestätigung darin, dass Pater Receveur eine Menge Steine an Bord brachte, die durchaus vulkanischen Ursprungs waren und keine weitere Beimischung aufwiesen als Stücke von zertrümmerten Schalentieren und Korallenzinken.
Aus den von Herrn de Vaujuas und Herrn Boutin erstatteten Berichten ersahen wir deutlich genug, dass wir auf der Insel Trinidad weder das benötigte Holz noch Wasser bekommen würden. Ich entschied mich daher, sofort nach der Insel Santa Catarina vor der Küste Brasiliens zu steuern. Santa Catarina ist der Ort, an der sich von alters her die Seefahrer auf dem Weg in die Südsee verproviantieren.
Indem ich nun Kurs auf Santa Catarina nahm, hatte ich zugleich die Absicht, mich von dem Dasein der Insel Ascençaon zu überzeugen, die nach der Angabe des Herrn Daprès hundert Meilen westwärts von Trinidad, und zwar nur 15 Grad weiter nach Süden, liegen soll. Zufolge des von Herrn Poncel de la Haye, eines ehemaligen Kommandanten der Fregatte La Renommée , geführten Tagebuchs war ich allerdings davon überzeugt, dass verschiedene Seefahrer, unter ihnen auch Frézier, dem Irrtum verfallen waren, sie seien auf Ascençaon gelandet, während sie doch in Wahrheit bei Trinidad vor Anker gelegen hatten. Hier schien mir, bei allem Respekt vor Herrn Poncel de la Haye, eine Korrektur der bisherigen Erdbeschreibungen angebracht.
Die zwei Tage, welche wir auf der südlichen Seite der Insel zubrachten, verschafften uns hinlängliche Muße, Messungen vorzunehmen, die Herr de Bernizet dann der von ihm gezeichneten Karte der Insel zugrunde legte. Sie weicht nur geringfügig von der Karte ab, die Dr. Halley angefertigt hat und die mir Herr de Fleurieu in Brest übergab. Die von Herrn Duché de Vancy gezeichnete Ansicht besitzt eine so frappierende Ähnlichkeit, dass sie Seefahrer, die vor der Südhälfte von Trinidad vor Anker gehen, vor jedem Irrtum bewahrt. Die Natur hat diesen Felsen gewiss nicht dazu bestimmt, jemals bewohnt zu werden, da weder Menschen noch Tiere hier ihr Auskommen finden. Da aber die Portugiesen fürchteten, irgendeine europäische Nation könne sich des Eilands bemächtigen, um von dort aus Schleichhandel mit Brasilien zu treiben, beeilten sie sich, es zu besetzen, so sehr es ihnen auch zur Last fällt.
Am 18. Oktober um die Mittagszeit nahm ich Kurs auf die Insel Ascençaon. Wir segelten bis zum 24. abends stets nach Westen und blieben stets in derselben Richtung, bis ich alle weiteren Nachforschungen aufgab. Bis dahin hatte ich gegen Westen eine Strecke von einhundertfünfzehn Meilen zurückgelegt und immer so klares Wetter gehabt, dass ich im Umkreis von zehn Meilen Land sehen konnte. Ich kann also guten Gewissens behaupten, dass die Insel Ascençaon bis ungefähr zum 7. Grad westlicher Länge unter der Meridianhöhe von Trinidad und unter der südlichen Breite bis in die Gegend, die zwischen 20 Grad 10 Minuten und 20 Grad 50 Minuten liegt, nicht vorhanden ist, da ich diese ganze Fläche sehr deutlich übersehen konnte.
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