Stefan Ernsting
Der phantastische Rebell
Alexander Moritz Frey
oder
Mit Hitler an der Font
FUEGO
– Über dieses Buch –
Alexander Moritz Frey ist einer der großen Unbekannten der deutschen Literatur. Sein Antikriegs-Roman »Die Pflasterkästen« (1929) wurde in einem Atemzug mit »Im Westen nichts Neues« genannt und sein Roman »Solneman der Unsichtbare« (1914) gilt als einer der großen Klassiker der phantastischen Literatur. Seinen Namen sucht man in den einschlägigen Nachschlagwerken trotzdem meist vergeblich. Dabei findet sich eine Episode in seinem Leben, die ihn für Historiker und Literaturwissenschaftlerinnen eigentlich ganz besonders interessant macht.
Alexander Moritz Frey lag von 1915 bis 1918 als Sanitäter zusammen mit dem Meldegänger Adolf Hitler an der Westfront des Ersten Weltkriegs im Schützengraben. In seinen persönlichen Aufzeichnungen und fiktionalen Ausflügen zeichnet Frey fast nebenbei ein präzises Bild des Gefreiten Hitler, dessen Fronterlebnisse bisher kaum durch Material aus erster Hand belegt waren.
1933 konnte Frey den Schlägertruppen seines ehemaligen Kameraden Hitler um Haaresbreite entkommen. Seine Bücher hatte man verbrannt und wie auch seine berühmten Freunden Thomas Mann, Heinrich Mann, Franz Marc, Max Reinhardt, Hans Arp, Stefan Zweig oder Hermann Hesse war er fortan auf der Flucht vor den Nazis.
»Der phantastische Rebell« erzählt die exemplarische Geschichte eines mutigen Mann, dessen Werk bis heute auf eine längst fällige Neuentdeckung wartet und der mit seiner Biografie exemplarisch für die Massen von längst vergessenen Intellektuellen, Künstlern und Autoren steht, die vor den Nazis fliehen mussten.
– PRESSESTIMMEN –
»Eine aufschlussreiche Biographie, die nicht nur einen bedeutenden Schriftsteller ehrt, sondern auch über den Einfluss der Phantastik auf die Gesellschaft zur Zeit der Weimarer Republik Aufschluss gibt. Nicht zuletzt ist dies auch eine erhellende Lektüre über Hitlers Weg zur Macht.«
(ZDF-Aspekte, Mainz, 2006)
»Wie schön, dass an dieses Leben noch einmal erinnert wird, an dieses Leben und Schreiben, an diesen erstaunlichen Mann.«
(Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Frankfurt, 2007)
»Stefan Ernstings biographische und zeitgeschichtliche Annäherung an den Phantastischen Rebellen ist gespickt mit aufschlussreichen Dokumenten, sie ist materialreich und weckt Neugierde auf Freys schwer zugängliches Werk.«
(Literaturen Nr. 2/2007)
»Stefan Ernsting glänzt als akribischer Sammler und Archiv-Stöberer.«
(Tages-Anzeiger, 2007)
Für meine Mutter
Alexander Moritz Frey – der phantastische Rebell
»Die Vision hat ihren Ursprung im Protest, sie weiß besser als die Zeitung ›wie es wirklich war‹ – besser im Sinne einer stärkeren Logik, eines bunteren Geschehens, einer drohenden Wahrhaftigkeit.«
(Alexander Moritz Frey, 1929)
Einführung - Der phantastische Rebell
Alexander Moritz Frey ist einer der großen Unbekannten der deutschen Literatur. Sein Antikriegs-Roman »Die Pflasterkästen« (1929) wurde von der Presse der Weimarer Republik in einem Atemzug mit »Im Westen nichts Neues« genannt und sein Roman »Solneman der Unsichtbare« (1914) gilt als einer der großen Klassiker der frühen Phantastik. Frey verfasste eine große Zahl von Romanen, Novellen, Erzählungen, Gedichten und unzählige Rezensionen für diverse Tageszeitungen. Seine visionären Satiren und seine schonungslose Abrechnung mit dem »Maschinenkrieg« machten ihn nicht nur in München zu einem viel beachteten Mann. Alexander Moritz Frey war ein guter Freund von Thomas Mann, Heinrich Mann, Franz Marc, Max Reinhardt und Hans Arp. Er hatte engen Kontakt zu Stefan Zweig, Hermann Hesse und anderen Prominenten im Exil, aber seinen Namen sucht man in den einschlägigen Nachschlagwerken trotzdem meist vergeblich oder findet ihn höchstens aufgelistet als einen von vielen Exil-Autoren, die man bis heute noch nicht wieder in die Literaturgeschichte »re-integrieren« konnte. Es gibt kaum Fotos von Frey, seine Bücher sind fast unmöglich zu bekommen und heute ist ein Einblick in sein Schaffen nur noch in Literaturarchiven möglich. Dabei findet sich eine Episode in seinem Leben, die ihn für Historiker und Literaturwissenschaftlerinnen ganz besonders interessant macht.
Alexander Moritz Frey lag von 1915 bis 1918 als Sanitäter zusammen mit dem Meldegänger Adolf Hitler an der Westfront des Ersten Weltkriegs im Schützengraben. In seinen persönlichen Aufzeichnungen und fiktionalen Ausflügen liefert Frey eine nüchterne Beschreibung Hitlers, der damals bereits durch psychotisches Verhalten und opportunistische Hetzereien aufgefallen war. In verschiedenen Dokumenten zeichnet Frey ein präzises Bild des Gefreiten Hitler, dessen Fronterlebnisse bisher kaum durch Material aus erster Hand belegt waren. Frey hatte den späteren Führer mehrfach zu verarzten oder wegen Magenbeschwerden zu behandeln. Er kannte Hitler aus nächster Nähe und begegnete ihm auch nach 1919 immer wieder in München. Alexander Moritz Frey wäre ein Zeitzeuge von unschätzbarem Wert gewesen, geriet nach 1945 aber völlig in Vergessenheit.
Und noch ein anderer Mann, der Hitler ebenso lange kannte wie Frey, wurde von der Forschung bisher wenig beachtet: Feldwebel Max Amann, gemeinsamer Vorgesetzter des Sanitäters Frey und des Meldegängers Hitler. Die Bekanntschaft mit Hitler und Amann erwies sich nach dem Krieg als verhängnisvoll. Amann wurde später Geschäftsführer des »Völkischen Beobachters«, Verleger von »Mein Kampf« und Präsident der Reichspressekammer. Amann hatte Frey bereits 1920 damit gedroht, den ehemaligen Kameraden als Gegner zu verfolgen, wenn er sich gegen Hitler stellen würde.
Frey, der mit Thomas Mann zu den Gründern der Münchener Gruppe des »Schutzverbandes deutscher Schriftsteller« gehörte, kannte den »Führer« besser und länger als irgendein anderer Autor in Deutschland. Er konnte sein Wissen allerdings nie gegen Hitler verwenden. Zehn Tage nach Hitlers Sieg bei den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 schickten die Nazis ihm einen Schlägertrupp der SA nach Hause. Frey wurde rechtzeitig gewarnt und ihm gelang im letzten Moment die Flucht nach Salzburg.
Alexander Moritz Frey war ein Meister der sozial-politischen Satire, die er vorzugsweise in phantastischem Gewand verpackte. In seinem Meisterwerk »Hölle und Himmel« setzte er sich 1945 auch auf fiktionalem Wege mit Hitler auseinander und analysierte die Motive der Nazis mit den Mitteln der Phantastik.
Die deutsche Phantastik, ein Vorläufer der Science Fiction, hatte großen Einfluss auf das gesellschaftliche Klima der Irrationalität, das sich später im Glauben an einen unfehlbaren und allgegenwärtigen Führer manifestierte. Der rasante Fortschritt der Technik hatte Anfang des 20. Jahrhunderts für immer neue Wellen revanchistischer Literatur mit utopischem Fundament gesorgt, die den irrationalen Machtphantasien der Nazis munter Vorschub leisteten.
Frey schrieb aber keinen jener hetzerischen Zukunftsromane, die in der Weimarer Republik den kulturellen Umschwung zum Irrationalen repräsentierten. Er benutzte die Phantastik lediglich als Vehikel für Satiren und Grotesken, die die deutsche Geschichte mit Spott und Hohn überschütteten. Vom Kaiserreich über die Kriegstreiberei von 1914, die Münchener Räterepublik, den Hitler-Putsch und die Inflation bis zum Aufstieg seines ehemaligen Kriegskameraden: Alexander Moritz Frey hat die Entwicklung begleitet und in seinen Werken kommentiert.
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