Analog dazu kann man dies auch auf das Wachstum einer globalen Monokultur anwenden. Letztlich stellt der Verlust der kulturellen Vielfalt für die Gemeinschaft der Menschen ebenso eine Bedrohung dar, wie der Verlust der Vielfalt an Ökosystemen unseren Planeten insgesamt gefährdet. Wir ersetzen ein vielfältiges „Ökosystem von Kulturen“ durch eine Monokultur, die sich wie Unkraut verhält, rasch wächst, doch von geringem Nutzen ist. Schlimmer noch: Die sich ausbreitende Unkrautkultur enthält ein tödliches Gen, genauso wie eine gentechnisch veränderte Baumwollart das Pestizid Bt produziert, und damit wird es in vieler Hinsicht zum Gegenspieler des Lebens selbst.
Macht als Herrschaft
Im Zentrum der globalen Krankheit, die die Welt befallen hat, steht eine Auffassung von Macht als Herrschaft. Um sich auf der ganzen Welt durchzusetzen, hat der Kapitalismus (und sein Vorläufer, der Merkantilismus) Zwang ausgeübt, zunächst in Form des Kolonialismus. Zwischen 1500 und 1800 eroberten oder unterwarfen europäische Mächte den Großteil der Welt ihrer Herrschaft. Ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts jedoch begannen sich die Menschen in den betreffenden Regionen gegen diese Herrschaft aufzulehnen. Dieser Prozess nahm vor allem in Lateinamerika seinen Anfang. Während die hauptsächlich von der Mittelklasse getragenen Unabhängigkeitsbewegungen selten bedeutende Veränderungen für die ärmsten Bevölkerungsschichten bewirkten, zwangen diese Kämpfe die Hegemonialmächte dazu, ihre Strategie zu ändern. Gegen Ende der 1960er-Jahre war der traditionelle Kolonialismus, der sich auf direkte politische Gewalt stützte, fast vollständig von einem wirtschaftlichen Neokolonialismus ersetzt worden. In den letzten Jahren haben transnationale Konzerne (in Zusammenarbeit mit den Ländern, die ihnen politisch als Handlanger dienen) ihre Kontrolle ausgedehnt: zuerst mithilfe der Strukturanpassungsmaßnahmen und in jüngerer Zeit durch einen „liberalisierten“ Handel und Investitionsabkommen, die die Kontrolle durch die Einheimischen und die Souveränität der Bürger zunichte machen, aber gleichzeitig die Rechte der ausbeutenden wirtschaftlichen Kräfte, insbesondere der großen Konzerne, garantieren.
Diese wirtschaftlichen Waffen sind wirksame Herrschaftsinstrumente, doch sie werden auch durch die Drohung mit Waffengewalt gestärkt. Militärausgaben verschlingen immer noch einen großen Teil der weltweiten Ressourcen. Dem SIPRI (Stockholmer internationales Friedensforschungsinstitut) zufolge haben die Regierungen der Welt im Jahr 2007 1,3 Billionen US-Dollar (das entspricht 2,5 % des weltweiten BIP) zur Unterstützung des Militärs ausgegeben. Was vielleicht noch wichtiger ist: Viele der intelligentesten und talentiertesten Köpfe der Welt sind immer noch mit militärischer Forschung befasst. Was könnte alles passieren, wenn man diese Ressourcen zur Lösung der dringendsten Probleme der Welt einsetzen würde! Der Krieg zerstört ebenfalls nach wie vor Leben und Gemeinschaften, besonders in internen Konflikten, die oft mit den Problemen der Armut, der Ressourcenknappheit und den Interessen großer Konzerne zusammenhängen. Auch die Bedrohung durch Atomwaffen ist nach wie vor sehr real. Es gibt auf der Welt immer noch etwa 12.000 nukleare Sprengköpfe. Das ist genug, um die Erde mehrfach zu zerstören.
Für viele Menschen auf der Welt stellen Krieg und militärische Unterdrückung also reale und aktuelle Bedrohungen dar. In den letzten Jahren ist das im Zuge der Konflikte, repressiven Taktiken und Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem sogenannten Krieg gegen den Terror immer klarer geworden. Eine Person oder eine Gruppe mit dem Etikett „Terrorist“ zu versehen kommt immer mehr einer Lizenz für Gefangennahme auf unbestimmte Zeit, Folter und sogar Ermordung gleich.
In einem allgemeineren Sinne beherrschen militärische Metaphern weiterhin den gesamten Krankheitszustand des Planeten. Wir denken eher in Kategorien wie „eine Krankheit besiegen“ und nicht „das Wohlbefinden fördern“; wir sprechen vom „Überleben der an besten Angepassten“ oder sogar vom „Zerstöre oder werde zerstört“ und nicht so sehr von Kooperation und gegenseitiger Hilfe zum Überleben. Wir sehen Herrschaft als etwas irgendwie Natürliches oder Unvermeidliches an, ob es nun um die Herrschaft der Reichen über die Armen, der Männer über die Frauen, eines Landes über ein anderes oder der Menschen über die Natur geht.
Vielleicht ist es deshalb nicht überraschend, dass die Menschen nun versuchen, mittels Genmanipulation den Prozess des Lebens selbst zu beherrschen. Andere Techniken könnten die Herrschaftsgewalt noch vergrößern, insbesondere Roboter und die Nanotechnologie. Letztere könnte sich selbst reproduzierende Maschinen hervorbringen, die nur wenig größer als ein Molekül sind und lebende Organismen nachahmen. Bill Joy warnt davor, dass all diese Technologien das Potenzial in sich tragen, Schaden in einem unvorhergesehenen Ausmaß anzurichten. Im Gegensatz zu nuklearen Sprengköpfen benötigt man für diese Technologien keine Ausgangsmaterialien, die schwer zu beschaffen wären. Und sie können sich alle selbst reproduzieren. Schließlich werden sie alle von großen Konzernen entwickelt, und die Regierungen der Länder üben dabei kaum Kontrolle aus. Deshalb sind sie weit von einer Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit entfernt.
Die Gefahr, die von diesen neuen Technologien ausgeht, ist sehr real. Gene aus gentechnisch veränderten Feldfrüchten haben sich bereits auf andere Pflanzen, ja sogar andere Arten übertragen. Mikroskopische „Nano-Einheiten“ könnten sich selbst reproduzieren und damit zum Beispiel die Möglichkeit eröffnen, dass Mikromaschinen geschaffen werden könnten, die die Erde bedecken, aufzehren und sie so in Staub verwandeln oder die systematisch für das Leben auf dem Planeten wesentliche Bakterien vernichten. Wenn die künstliche Intelligenz weitere Fortschritte macht, dann könnten sich auch Roboter selbst reproduzieren und in Zukunft die Menschen ersetzen.
Auf den ersten Blick kommen einem solche Zukunftsszenarien wie reine Science-Fiction vor. Doch es gibt gute Gründe für die Annahme, dass diese Technologien noch zu Lebzeiten von vielen von uns Wirklichkeit werden. Und der Geist der Gentechnik ist bereits aus der Flasche entwichen. Joy stellt fest:
„Die neuen Büchsen der Pandora der Gentechnik, der Nanotechnologie und der Roboter sind fast geöffnet, doch wir scheinen es kaum bemerkt zu haben […]. Wir werden in dieses neue Jahrhundert ohne Plan, ohne Kontrolle und ohne Bremsen hineingeschleudert. Sind wir bereits zu weit gegangen, um die Richtung noch zu ändern? Ich glaube nicht, aber wir haben es noch nicht versucht, und die letzte Chance, die Kontrolle zu erlangen, die letzte Sicherheitsschleuse, kommt rasch näher. Wir haben bereits unsere ersten Roboter als Haustiere, es gibt im Handel zu erwerbende Techniken der Genmanipulation und die Nanotechnologien entwickeln sich rasch. Während die Entwicklung dieser Technologien durch eine Reihe von kleinen Schritten voranschreitet, […] kann der Durchbruch zur Selbstreproduktion der Roboter, der Genmanipulation oder der Nanotechnologie plötzlich kommen und dasselbe Gefühl der Überraschung auslösen, das wir hatten, als wir vom ersten geklonten Säugetier erfuhren.“ (Joy 2000; http://www.wired.com/wired/archive/8.04/joy.html)
Die Kräfte der Menschen scheinen viel schneller zuzunehmen als ihre Weisheit. Joy glaubt daran, dass es immer noch Gründe zur Hoffnung gibt. Er macht darauf aufmerksam, dass die Menschheit in der Lage war, auf chemische und biologische Waffen zu verzichten, weil sie dessen gewahr wurde, dass sie einfach zu schrecklich und zu zerstörerisch sind, um jemals zum Einsatz zu kommen. Können wir auch auf das Wissen und die Macht verzichten, die mit diesen neuen Technologien verbunden sind, oder können wir zumindest im Sinne des Vorsorgeprinzips strenge Sicherheitsauflagen für sie verhängen? Letztlich wird dies vielleicht davon abhängen, ob die Menschheit – und insbesondere diejenigen, die innerhalb des über unseren Planeten herrschenden krankhaften Systems den meisten Einfluss haben ‒, bereit ist, sich vom Streben nach immer mehr Macht, Kontrolle und Herrschaft abzuwenden.
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