Das billige Appartement, das Benjamin jetzt im Aalto-Hochhaus bewohnte, war nur spärlich eingerichtet. Vor Jahren hätte sein Vater eine solche Wohnumgebung für seinen Sohn schwer missbilligt. Aber heute hatte er wahrscheinlich auch nicht mehr. Und Benjamin war das ziemlich gleichgültig. Dass Geld allein nicht glücklich machen konnte, hatte er zur Genüge gelernt.
Sein Vater machte nicht viele Worte. Und auch Benjamin wusste nicht, worüber er sich mit diesem ihm mittlerweile fast fremden Mann unterhalten sollte. Sein zermürbter Vater hatte einen Koffer dabei, den er Benjamin mit wenigen holprigen Worten übergab und ihm dann alles Gute wünschte, bevor er sich verabschiedete. Für einen Moment verharrte sein Vater steif vor ihm, und dann nahm er ihn seit Jahren zum erstenmal in den Arm. Er versuchte es zumindest. Für Benjamin war dies ein völlig ungewohntes Berühren, ein Gefühl durchzog ihn, das ihn mehr erstarren ließ als Wärme zu empfinden. Sein Vater quälte eine Entschuldigung zwischen seinen Lippen hervor, ließ ihn dann abrupt stehen und ging. Er konnte wohl selber mit dieser Geste nichts anfangen. Benjamin schob den Koffer seines Vaters unters Bett. Jetzt bloß nicht auch noch irgendwelche alten Liebesbriefe seiner Eltern oder Glückwunschkarten zu seiner Geburt lesen.
Zwei Tage später erhielt Benjamin überraschend Besuch von einem Polizisten, der ihm gelangweilt darüber informierte, dass sich sein Vater auf dem Autobahnparkplatz in Mahndorf erschossen hatte. Kein Verlust für die Gesellschaft, sagte der Polizist. Eben das Ende einer kriminellen Unternehmerkarriere. Dann ging er wieder. Da Benjamins Vater aufgrund seiner Fingerabdrücke zweifelsfrei identifiziert werden konnte, brauchte er ihn sich auch nicht in der Gerichtsmedizin anzusehen.
Anschließend saß Benjamin stundenlang am Fenster im zwölften Stock seines Hochhauses und starrte über die Stadt. Jetzt waren sie wirklich alle weg. Berta, die ihn nur benutzt hatte. Seine Mutter, die er innig geliebt und die ihn einfach im Stich gelassen hatte. Und nun sein Vater, der sich mit einem Schuss in den Kopf davongemacht hatte. Verluste war er sein ganzes Leben nun schon gewöhnt. Sie sollten ihn nicht mehr erschüttern. Sein Leben war nicht von Glück bestimmt; sein Wegbegleiter war das Leid. Das war ihm nun endgültig klargeworden. Und noch etwas anderes: Er wollte sein Leid nicht in sich hineinfressen. Er würde eines Tages davon etwas an alle zurückgeben. Er würde sich rächen.
Wut und die Lust zu töten stiegen zum ersten Mal in ihm hoch. Er fühlte sich stark, unglaublich stark, und war sicher, dass sich ihm niemand erfolgreich in den Weg stellen konnte. Wenn diese Wut losbrach, gab es für keinen ein Entrinnen. Mit einem aggressiven Ruck zog er den Koffer seines Vater unter dem Bett hervor. Sollte ihm doch ruhig noch etwas auf die geschundene Seele treten, dachte er aufgebracht. Er öffnete den Koffer und war völlig überrascht. Zu seinem Erstaunen lagen darin nicht irgendwelche Briefe und Ansichtskarten, sondern er war prall gefüllt mit Geldscheinen. Er klappte ungerührt den Koffer wieder zu. Dieses Geld wollte er nicht.
Am nächsten Tag mietete er ein großes Schließfach bei einer Bank auf dem Domshof und verstaute den Koffer dort.
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