Ingeborg Schober
Jim Morrison
Eine Biografie
FUEGO
Über dieses Buch
Jim Morrison (1943-1971), Jugendidol, Sexsymbol, Dichter, Enfant Terrible und Leadsänger der legendären ›Doors‹, wurde durch seine erotische Ausstrahlung, seine zügellose Selbstdarstellung und seine skandalösen Texte über Sex und Tod schon zu Lebzeiten zur Kultfigur. Sein Grab auf dem Pariser Père Lachaise ist zum Wallfahrtsort geworden.
Kenntnis- und faktenreich schildert die Autorin Kindheit und Jugend, Aufstieg und Ausschweifungen, Abstieg und Ausstieg des Dichters, Sexsymbols und Sängers, ohne sich dabei in waghalsige Interpretationen seiner Schattenseiten zu ergehen.
Sowohl für eingefleischte Fans als auch für den interessierten Leser stellt dieses Buch eine Grundlage dar. Mit Bedacht zeichnet die Autorin sein kurzes und bewegtes Leben nach. Dabei zitiert sie aus unterschiedlichsten Quellen, um so ein möglichst realitätsnahes und lebendiges Bild des Jugendidols zu zeichnen.
»Jim hat siebzig Lebensjahre in nur sechsundzwanzig gepreßt.«
John Densmore über Jim Morrison
James Douglas Morrison wird, wie so viele seines kreativen Jahrgangs, zu denen Mick Jagger, George Harrison, Paul Simon und Art Garfunkel gehören, 1943 mitten in die Wirren des Zweiten Weltkriegs hineingeboren. Schon vor Kriegsbeginn waren bereits an die 60000 meist führende jüdische Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker und Künstler vor dem deutschen Nazi-Regime ins Ausland geflüchtet - viele davon ins gelobte Land Amerika.
In Deutschland hat die Propaganda-Maschinerie der Nationalsozialisten das junge Medium Radio als strategisches Mittel entdeckt, um die Emotionen der Bevölkerung zu manipulieren, die zusehends unter den Kriegsfolgen zu leiden hat. Doch ausländische ›Propaganda-Sender‹ zu hören ist ebenso verboten wie ›nichtarische‹ Musik - dazu zählen Jazz, Rumba, Swing und Hot. Dafür wird der Tonfilm als Valium für die Massen und als Transportmittel für Schlager und Durchhalteparolen entdeckt. Während die Menschen bei Verdunkelung während der Bombenangriffe Todesängste ausstehen, werden sie durch zynische Parolen wie »Haben Sie schon mal im Dunklen geküsst?« oder »Mit Musik geht alles besser« abgelenkt. Die größten Film- und Schlagerstars im damaligen Deutschland sind Zarah Leander, Marika Rökk, Ilse Werner, Johannes Heesters und Hans Albers. 1943 feiert die größte deutsche Filmproduktion UFA ihr 25jähriges Bestehen mit der Uraufführung von ›Münchhausen‹. Unter einem Pseudonym von Erich Kästner geschrieben, gedreht von Regisseur Josef von Baky mit Hans Albers in der Titelrolle, wird der Film von den Machthabern gelobt, obwohl alle drei als Regimegegner bekannt sind. Während auf einem zeitgenössischen Nazi-Plakat die Bevölkerung an »harte Zeiten, harte Herzen und harte Pflichten« gemahnt wird, nehmen die alliierten Luftangriffe zu, die Bevölkerung leidet Hunger, die Wasserversorgung bricht in den Städten zusammen. Mit der Landung der Alliierten in Italien endet die Diktatur von Mussolini, der am 10. Juli 1943 entmachtet wird. Die Amerikaner, die bereits 1942 bis Neuguinea vorgedrungen sind, landen im November 1943 auf den Gilbert-Inseln.
Einige wichtige Rockmusiker der ›Kriegsgeneration‹:
Eric Clapton (geb. 30.3.1945)
Joe Cocker (geb. 20.5.1944)
Bob Dylan (geb. 24.5.1941)
Keith Emerson (geb. 2.11.1944)
Art Garfunkel (geb. 5.10.1941)
George Harrison (25.2.1943-29.11.2001)
Jimi Hendrix (27.11.1942-18.9.1970)
Mick Jagger (geb. 26.7.1943)
Janis Joplin (19.1.1943-4.10.1970)
John Lennon (9.10.1940-8.12.1980)
Bob Marley (6.2.1945-11.5.1981)
Paul McCartney (geb. 18.6.1942)
Jim Morrison (8.12.1943-3.7.1971)
Paul Simon (geb. 13.11.1941)
Neil Young (geb. 12.11.1945)
Frank Zappa (21.12.1940-4.12.1993)
Kurz darauf, am 8. Dezember 1943, kommt James Douglas Morrison, in Melbourne, Florida, in der Nähe des heutigen Cape Canaveral, auf die Welt. Sein Vater George ›Steve‹ Morrison ist in Leesburg, Florida, mit seinen beiden Schwestern in einem erzkonservativen, methodistischen Haushalt groß geworden. Der Vater war Wäschereibesitzer, die Mutter Hausfrau. Der dunkelhaarige Steve trieb an der High-School Leichtathletik, weil er für die Footballmannschaft zu klein war. Er hatte gute Noten und war ein Gentleman. »Wir haben nichts getan, was wir nicht tun sollten«, erklärte sein Mitschüler Fran Warfield. »Wir haben uns gut betragen. So war Steve sein Leben lang. Er war ein Anführer, aber er war durch und durch militärisch und tanzte nie aus der Reihe.«
Im Februar 1941 machte Steve seinen Abschluss an der U.S. Naval Academy, vier Monate früher als geplant, denn die jungen Offiziere wurden bereits für ihren Kriegseinsatz ausgebildet. Er lernte seine Frau Clara Clarke 1941 in Honolulu kennen, kurz bevor die Japaner Pearl Harbor bombardierten. Sie ist die lebensfrohe Tochter eines Anwalts, der in der McCarthy-Ära _1in Ungnade gefallen war, nachdem er sich bei den Kommunisten um ein politisches Amt beworben hatte. Clara war noch ein Teenager, als ihre Mutter starb, ihr Vater zog mit den fünf Kindern nach Alaska, um als Zimmermann zu arbeiten. Mit 21 besuchte die blonde Clara eine Schwester auf Hawaii und begegnete Steve auf einem Militärball. Freunden nach amüsierte sich Clara gerne und besuchte mit Vorliebe Parties. Kurz bevor Steve mit einem Minenkreuzer in den Nordpazifik ausrückte, heirateten sie im April 1942. Im Jahr darauf absolvierte Steve einen Fliegerlehrgang in Pensacola, Florida.
Sechs Monate nach Jims Geburt läuft er mit einem Flugzeugträger abermals in den Pazifik aus. Bis zum Kriegsende lebt der kleine Jimmy, wie ihn seine Eltern anfangs nennen, mit seiner Mutter bei den Eltern seines Vaters in Clearwater, Florida, direkt am Golf von Mexiko. Ganz bestimmt ist das keine einfache Zeit für die junge, lebenslustige und liberale Clara. Die Schwiegereltern Paul und Caroline Morrison aus Georgia sind strenggläubige Kirchgänger, die nach viktorianischen Prinzipien leben und den Alkoholgenuss strikt ablehnen. Unangenehme Dinge werden verdrängt, Kinder haben nichts zu melden.
Am 6. Juni 1944 landen die Alliierten in der Normandie, Dresden und Berlin liegen bereits in Schutt und Asche. Am 20.April 1945 marschieren die Russen in Berlin ein. Zehn Tage später begeht Hitler Selbstmord, woraufhin die deutschen Truppen am 8. Mai 1945 kapitulieren. Für Deutschland endet tags darauf die Nazi-Diktatur. Doch für die Welt ist der Horror längst nicht vorbei, denn die Amerikaner begehen eine weitere Todsünde des Zweiten Weltkriegs, als sie am 6. August 1945 die erste Atombombe auf Hiroshima abwerfen. Zwei Tage später tritt die UdSSR in den Krieg gegen Japan ein, und am 9. August 1945 fällt die zweite amerikanische Atombombe auf Nagasaki. Mit der Kapitulation Japans am 2. September 1945 endet der schrecklichste Krieg des 20. Jahrhunderts.
Jims Leben wird von Geburt an auch zu Hause von Krieg und Militär beherrscht. Damit lässt sich seine tiefe Abscheu sowohl dem Krieg als auch dem Vater gegenüber, der als hoher Offizier den Krieg symbolisiert, erklären, die sich später in seinen Songs so vehement entladen sollte. Sein Vater kehrt ein Jahr nach Kriegsende im Sommer 1946 aus dem Pazifik zurück. Bedingt durch die .militärische Laufbahn des Vaters zieht die Familie ständig um. Zuerst wird er nach Washington D.C., sechs Monate später bereits nach Albuquerque versetzt, wo er am Militärprogramm für Atomwaffen arbeitet 1947 wird Jims Schwester Anne geboren. Mit vier Jahren hat Jim ein spirituelles Erlebnis, das ihn seine ganze Karriere begleiten sollte und das er immer wieder als »den wichtigsten Augenblick meines Lebens« bezeichnet. Bei einer Autofahrt mit seinen Eltern nach Santa F6 kommen sie an einem umgestürzten Lastwagen vorbei, neben dem schwerverletzte, sterbende Pueblo-Indianer liegen. Der Vater ruft Hilfe herbei und fährt dann weiter, muss aber seinen Sohn beruhigen, der völlig hysterisch ist. »Es ist in Ordnung, Jimmy, wirklich.« »Sie sterben! Sie sterben!« »Es war ein Traum, Jimmy, nichts Wirkliches, ein Traum.« Später erzählt Jim Freunden, dort sei die Seele eines toten Indianers in ihn gefahren. Diese tiefgreifende Erfahrung drückt er später in Texten und Gedichten aus. Bei seinen Konzerten tanzt er gar auf einem Fuß balancierend eine Art rituellen Indianertanz, woraufhin die Presse ihn als ›Schamanen der Hippies‹ bezeichnet. 1989 verwendet der Regisseur Oliver Stone diese Szene als Eröffnungssequenz für seinen ›Doors‹-Film.
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