Und dann hatte ich plötzlich meine „Offenbarung“: Nur ein einziges Mal in der gesamten Patentanmeldung erwähnte Henderson (wenigstens in Klammern), dass MCT-Öl aus Kokosöl oder Palm(kern)öl stammt. Ich erinnerte mich, dass mir Kokosöl in Naturkostläden schon aufgefallen war und ich mir nicht erklären konnte, was es dort zu suchen hatte – stand es doch in dem Ruf, die Arterien zu „verstopfen“. Ich hatte mir nie die Zeit genommen herauszufinden, warum es wohl als gesund galt.
Nach der Lektüre der Patentanmeldung durchsuchte ich das gesamte Internet wie in einer Art Rausch nach Informationen über mittelkettige Fettsäuren, Kokosöl, MCT-Öl und Ketone. Ich musste die Biochemie aus meinem ersten Studienjahr an der Universität nochmals durcharbeiten (Was unterschied mittelkettige Fettsäuren bloß wieder von kurz- und langkettigen?) und die Zusammensetzung der Fettsäuren des Kokosöls finden. Ich erfuhr, dass es zu nahezu 60 Prozent aus mittelkettigen Fettsäuren besteht, und rechnete aus, dass etwa 35 Gramm davon (7 Teelöffel oder etwas mehr als 2 Esslöffel) 20 Gramm MCT-Öl entsprechen. Wenn ich Steve Kokosöl geben würde, wäre es vielleicht möglich, dieselbe Wirkung zu erzielen …? Steve war Träger des ApoE4-Gens und so musste ich aufgrund der Ergebnisse der AC-1202-Studien damit rechnen, dass er überhaupt nicht darauf reagierte.
Es war der 20. Mai 2008, nach 1 Uhr nachts, und Steves Eignungstest fand am nächsten Morgen um 9 Uhr statt … Ich musste fürs Erste leider Schluss machen – ich konnte vor diesem ersten Termin kein Kokosöl mehr bekommen.
Zwei Eignungstests
Am nächsten Morgen lief alles wie gewohnt. Auf dem Weg zum Neuro- Science Center versuchte ich, Steve auf den Mini-Mental-Status-Test vorzubereiten, wie die Assistentin es vorgeschlagen hatte, und übte mit ihm immer wieder Fragen zur zeitlichen und örtlichen Orientierung: Welches Datum, welchen Tag und Monat, welches Jahr und welche Jahreszeit wir hatten und in welche Stadt wir fuhren … Ich dachte, er würde sich sicher daran erinnern, wo wir 16 Jahre lang gewohnt hatten, bevor wir in die Stadt zogen, in der wir jetzt lebten. Wir sprachen wie üblich auch noch über andere Dinge, aber ich kam immer wieder auf dieselben Fragen zurück.
Der erste Eignungstest
Es war wie beim vorherigen Mal: Steve erfüllte alle anderen Voraussetzungen, doch im Mini-Mental-Status-Test hatte er nur 14 Punkte und wurde nicht in die Studie aufgenommen. Sehr enttäuscht setzten wir uns mit der Ärztin zusammen; sie erzählte uns, dass ihre Mutter ebenfalls an Alzheimer leide, und beantwortete unsere Fragen. Sie bat Steve, eine Uhr zu zeichnen – ein noch präziserer Test für Alzheimer, wie sie sagte. Anschließend zeigte sie mir seine Zeichnung (vgl. Abbildung 1, Seite 52).
Wie man sieht, hatte seine Zeichnung nicht einmal eine entfernte Ähnlichkeit mit einer Uhr. Die Ärztin nahm mich zur Seite und erklärte mir, dies sei ein Hinweis auf einen eher schweren Krankheitsverlauf. Einerseits überraschte mich das, andererseits auch nicht – es war auf jeden Fall ein Schock und meine Gedanken kreisten darum, dass wir wohl auf den unausweichlichen Verfall zusteuerten, den niemand erleben möchte.
Auf der Heimfahrt dachte ich: „Was haben wir schon zu verlieren?“, fuhr zu einem Naturkostladen und kaufte das Kokosöl, das ich einmal dort gesehen hatte.
Abbildung 1:Die erste Uhr – am Tag, bevor wir mit dem Kokosöl anfingen
Der zweite Eignungstest
Steves Eignungstest für die Impfstoff-Studie war für den nächsten Tag um 13 Uhr angesetzt. Um sicherzugehen, dass er mindestens 20 Gramm mittelkettige Triglyceride bekam, rührte ich beim Frühstück (mit seinem Einverständnis) mehr als 2 Esslöffel Kokosöl unter seinen gewohnten Haferbrei – und dann noch mehr, damit es nur ja Erfolg bringen sollte. Auch in meinen Haferbrei gab ich 2 Esslöffel – ich konnte ja nicht erwarten, dass Steve etwas aß, was ich nicht essen würde.
Während der Fahrt ging ich (wie schon am Tag vorher) Fragen zu Ort und Zeit mit ihm durch, doch er verwechselte die Monate und die Wochentage und konnte sich weder an das Wort „Frühling“ erinnern noch daran, wohin wir fuhren. Als wir ankamen, war ich davon überzeugt, dass der Test nicht besser ausfallen würde als beim letzten Mal.
Normalerweise bete ich, um Gott für das zu danken, was ich habe, und nicht, um ihn um etwas zu bitten. Doch diesmal bat ich darum, dass Steve den Eignungstest schaffte – ich wollte ihn nicht verlieren!
Nach dem Test hatte er kein gutes Gefühl und so saßen wir und warteten und hatten wieder einmal keine Hoffnung. Doch diesmal hatte er es geschafft! „Hat er es ihnen nicht erzählt?“, fragte Laura, die Assistentin, die seinen Blutdruck maß und ihm Blut abnahm. „Er hat 18 Punkte, wir machen weiter!“ Das waren 6 Punkte mehr als beim letzten Mal und 4 Punkte mehr als am Vortag. Sie ging den Test mit uns durch, Steve erinnerte sich an die Jahreszeit, den Monat und den Tag und er wusste, wo wir waren! Wir fassten Mut.
War diese deutliche Verbesserung dem Kokosöl zu verdanken oder der Vorbereitung auf dem Weg hierher oder meinem Gebet – oder hatten wir einfach nur Glück gehabt? In der AC-1202-Patentanmeldung stand, dass bei manchen Menschen schon nach der allerersten Dosis eine Besserung eingetreten war. Vielleicht gehörte Steve ja zu den Glücklichen, die so schnell reagierten? Aufgrund der Accera -Studien wäre es genauso gut möglich gewesen, dass er überhaupt nicht reagierte, da er Apo-E4-Träger war …
KAPITEL 5
Der mühsame Weg aus dem Abgrund
Ich fühlte mich, als lebte ich in einem parallelen Universum. Als Steve beim Mini-Mental-Status-Test im Alzheimer-Institut so gut abschnitt, wusste ich nicht, ob das dem Kokosöl oder meinen Gebeten geschuldet oder ob es einfach Glücksache war. Auf jeden Fall beschloss ich, ihm weiterhin täglich beim Frühstück etwas mehr als 2 Esslöffel Kokosöl zu geben. Bevor wir damit anfingen, war er morgens immer benommen, sprach sehr wenig und ging sehr langsam. Schließlich fand er zu seinem Platz und begann sehr langsam zu essen. Am dritten Tag kam er munter und lächelnd in die Küche, war gesprächig und wirkte glücklich. Er hatte kaum Probleme damit, seine Sachen und ein Glas Wasser zu finden, und sprach viel beim Frühstück. Am fünften Tag sahen wir einander an und waren der einhelligen Meinung, dass sich unser Leben verändert hatte!
Ich war daran gewöhnt, dass es bei Steve zu Schwankungen kam: Manchmal ging es ihm mehrere Tage lang besser, dann wieder einige Tage nicht so gut. Aber das hier war anders. Er sagte, er fühle sich, als sei ein Licht angeschaltet worden, der Nebel habe sich gelichtet und sein Leben habe sich zum Besseren verändert. Schon ganz früh zeigten sich die deutlichsten Veränderungen in seiner Persönlichkeit und in seiner Fähigkeit, ein Gespräch zu führen. Sein Gesicht war lebendiger, er begann zu scherzen, wurde im Laufe des Tages gesprächiger und schien mehr Energie zu haben. Anfangs zitterte er noch, wenn er versuchte, zu essen und zu sprechen, und sein Gang war noch etwas seltsam, doch insgesamt war dies eine enorme Verbesserung im Vergleich zu dem Zustand, in dem er wenige Tage zuvor noch gewesen war.
Wie ich die Veränderungen dokumentierte
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