Anna Gerber - Wie ich behandelt werden will

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Haben Sie sich schon einmal Gedanken dazu gemacht, wie Sie im Krankenhaus behandelt werden möchten, wenn Sie nach einem schweren Unfall oder mit einer unheilbaren Krankheit nicht mehr urteilsfähig sind?
Wer schwer krank ist, soll seine Behandlung mitbestimmen und seine Werte und Wünsche darin einfließen lassen können. Ist die betroffene Person plötzlich urteilsunfähig, stehen das Behandlungsteam und die Angehörigen vor schwierigen Entscheidungen. Advance Care Planning (ACP), auf Deutsch etwa «vorausschauende Behandlungsplanung», kann solche Situationen klären und zur Entlastung von allen Betroffenen führen. ACP ist ein Werkzeug für PatientInnen, mit dem die eigenen Erwartungen an die Behandlung eindeutig und verständlich schriftlich formuliert werden können. Im Gespräch mit einer Expertin wird eine Patientenverfügung «plus» festgehalten, eine Art erweiterte Patientenverfügung. Dank ihr können das Behandlungsteam und die Angehörigen den mutmaßlichen Willen der betroffenen Person genauer umsetzen.
Verschiedene Beiträge von ExpertInnen beleuchten das Thema, ein Erlebnisbericht sowie eine Reportage zeigen auf, wie ACP in der Praxis funktioniert. Das Buch richtet sich sowohl an Laien als auch an ÄrztInnen, Pflegefachleute, GeriaterInnen und weitere ExpertInnen aus Gesundheitsberufen.
Mit Beiträgen von Tanja Krones, Monika Obrist, Stefan Spycher, Christina Buchser, Isabelle Karzig-Roduner, Theodore Otto-Achenbach, Gabriela Meissner, Barbara Loupatatzis, Sabine Arnold, Andreas Weber, Lilian Caprez

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Der rüffer&rub Sachbuchverlag wird vom Bundesamt

für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre

2016–2020 unterstützt.

Erste Auflage Frühjahr 2020

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 2020 by rüffer&rub Sachbuchverlag GmbH, Zürich

info@ruefferundrub.ch | www.ruefferundrub.ch

Cover-Illustration: © Lilian Caprez

Porträt Tanja Krones: Privatbesitz Tanja Krones

Porträt Monika Obrist: Privatbesitz Monika Obrist

Design E-Book: Clara Cendrós

ISBN Book: 978-3-906304-62-5

ISBN E-Book: 978-3-906304-73-1

Vorwort

Stefan Spycher

Einführung in Advance Care Planning

Monika Obrist

Auch unser Tipi ist ein guter Ort zum Sterben

Eine ACP-Beratung aus Sicht eines gesunden Menschen

Christina Buchser

Partizipative Entscheidungsfindung (Shared Decision-Making)

Isabelle Karzig-Roduner

Die Patientenverfügung «plus»

Isabelle Karzig-Roduner, Theodore Otto-Achenbach

»Man muss es im Voraus besprechen«

Gespräch mit dem Intensivmediziner Dr. med. Peter Steiger

Gabriela Meissner

Illustrationen

Lilian Caprez

»Unser Grundsatz ist: keine Beeinflussung der Klientinnen und Klienten«

Gespräch mit Rolf Huck, Geschäftsführer der Krebsliga Kanton Zürich, und Monika Obrist, Geschäftsleiterin palliative zh+sh, über ihre Erfahrungen in der ACP-Beratung

Anna Gerber

Noch einmal nach Morcote reisen oder nicht mehr aufwachen

Wie Pflegefachfrau Liselotte Vogt mit Patientin Ruth Schweizer für den Notfall plant

Sabine Arnold

Notfallplanung in der Palliative Care

Vorausplanung für Krisen- und Notfallsituationen bei unheilbar kranken Menschen

Andreas Weber

Vertreterentscheidungen – Advance Care Planning für urteilsunfähige Menschen

Theodore Otto-Achenbach

Geschichte der gesundheitlichen Vorausplanung (Advance Care Planning)

Barbara Loupatatzis, Tanja Krones

Anhang

Glossar

Anmerkungen

Bildnachweis

Biografien

Vorwort

Der Bundesrat hat sich in seiner gesundheitspolitischen Strategie »Gesundheit2030« zum Ziel gesetzt, die Gesundheitskompetenz zu stärken, damit Bürgerinnen und Bürger »gut informiert, verantwortungs- und risikobewusst Entscheidungen treffen, die ihre Gesundheit sowie die Gesundheit ihrer Angehörigen bestimmen. Dabei werden sie von kompetenten Gesundheitsfachpersonen unterstützt.« 1

Dieser Anspruch bringt einen Freiheitsgewinn und fördert die Selbstbestimmung im Leben und auch im Sterben. Aber die Anforderung, sich diesen Fragen zum Leben und zum Sterben zu stellen und sie zu entscheiden, zieht auch eine Verantwortung nach sich, die in Überforderung münden kann. Umso wichtiger ist es, dass die betroffenen Personen und ihre Angehörigen dabei von qualifizierten Fachpersonen unterstützt werden. Advance Care Planning im Sinne eines strukturierten und fachlich begleiteten Gesprächsprozesses trägt dazu bei, die Menschen zu befähigen, sich vorausschauend mit ihren Wünschen im Hinblick auf verschiedene Situationen der Urteilsunfähigkeit auseinanderzusetzen, und stärkt ihre Kompetenz, um über ihre Behandlung und Betreuung zu entscheiden.

Die meisten Menschen sterben nicht plötzlich, sondern nach einer mehr oder weniger langen Krankheitsphase. Während dieser Zeit werden vielfach medizinische Entscheidungen gefällt, die den weiteren Verlauf und den Zeitpunkt des Todes beeinflussen. Dies belegt eine Studie, die im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms »Lebensende« durchgeführt wurde. Sie hat ermittelt, dass rund 70 Prozent der Todesfälle nicht plötzlich und unerwartet eintreten. Sie zeigt zudem, dass in über 80 Prozent dieser Todesfälle vorgängig mindestens eine medizinische »End-of-Life Decision« getroffen wurde.2

Das Sterben ist damit einem Paradigmenwechsel unterworfen. Der Synthesebericht zum Forschungsprogramm »Lebensende« hält fest: »Der Tod hat nicht länger den Charakter eines Schicksalsschlags, sondern wird immer mehr zu einer Folge individueller Entscheide: Wie, wann und wo will ich sterben?«3 Es scheint klar, dass die betroffene Person selber diese Entscheidungen fällt. Im Falle einer Urteilsunfähigkeit entscheiden die Angehörigen beziehungsweise die vertretungsberechtigte Person. Entscheidungsgrundlage bilden dabei die in einer Patientenverfügung festgehaltenen Weisungen oder, wenn solche Weisungen fehlen, der mutmaßliche Willen und die Interessen der urteilsunfähigen Person. Ob die Patientin, der Patient selber entscheidet oder eine vertretungsberechtigte Person: Beides bedingt, dass die betroffene Person sich darüber Gedanken gemacht hat, was für sie im Hinblick auf die verbleibende Lebenszeit wichtig ist und dass sie über ihre Bedürfnisse und Wünsche in Bezug auf die Behandlung und Betreuung nachgedacht hat. Hilfreich ist zudem, wenn sie mit den Angehörigen darüber gesprochen hat und/oder ihre Wünsche in einer Patientenverfügung verständlich und eindeutig festgehalten hat. Zudem müssen diese Festhaltungen auffindbar sein.

Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass die gesundheitliche Vorausplanung ein Bedürfnis der Bevölkerung ist. Gemäß einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung, die 2017 im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit BAG durchgeführt wurde, haben mehr als 80 Prozent der Befragten angegeben, dass sie über das Lebensende nachdenken. Über zwei Drittel haben sich bereits konkret Gedanken dazu gemacht, welche Art der Behandlung und Betreuung sie am Lebensende in Anspruch nehmen möchten. Rund die Hälfte der Befragten findet, dass man sich frühzeitig mit diesen Themen auseinandersetzen sollte, wenn man noch gesund ist. Allerdings haben nur acht Prozent der Befragten mit Gesundheitsfachpersonen über ihre Behandlungswünsche gesprochen. 16 Prozent der Befragten haben eine Patientenverfügung hinterlegt.4 Mit zunehmendem Alter steigt das Bedürfnis, sich mit Fragen zu Behandlungswünschen am Lebensende auseinanderzusetzen.

Es lässt sich also festhalten, dass die gesundheitliche Vorausplanung wichtig und notwendig ist – und zudem einem Bedürfnis vieler Menschen entspricht. Das BAG hat deshalb bereits 2016 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Grundlagen und Empfehlungen für die konkrete Umsetzung der gesundheitlichen Vorausplanung in der Schweiz erarbeitet hat (Rahmenkonzept).5

Es besteht aber weiterhin Handlungsbedarf, um die gesundheitliche Vorausplanung als festen Bestandteil in unserem Gesundheitssystem zu verankern. In seinem Bericht zum Postulat 18.3384 »Bessere Betreuung und Behandlung von Menschen am Lebensende« hält der Bundesrat fest, dass die vorausschauende Auseinandersetzung mit dem Lebensende im Sinne des Advance Care Planning eine zentrale Voraussetzung ist, um ein selbstbestimmtes Lebensende und ein würdevolles Sterben zu ermöglichen. Deshalb sollen die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die vorausschauende Auseinandersetzung mit dem Lebensende zu fördern. Im Vordergrund steht, dass die Werte von Patientinnen und Patienten sowie ihre Bedürfnisse in Bezug auf die Gesundheitsversorgung öfter und früher im Krankheitsprozess ermittelt werden.

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