Seine Entscheidung, auf Eazy zu setzen, war hastig gefallen. Laut Heller bot Eazy ihm eine fünfzigprozentige Beteiligung an Ruthless an, doch er bestand darauf, nur 20 Prozent nehmen zu wollen. „Für jeden Dollar, den Ruthless einnimmt, bekomme ich 20 Cent“, will er Eazy gesagt haben. „Dir gehört die Firma, ich arbeite für dich.“ Heller sollte neben N.W.A noch weitere Ruthless-Acts als Manager betreuen, doch die wichtigen Entscheidungen traf Eazy.
Arabian Prince beschloss, sich der Ruthless-Crew anzuschließen, stand dem von Heller vorgeschlagenen Arrangement jedoch schon bald skeptisch gegenüber. Schließlich will niemand, dass sein Manager und der Manager des Labels ein und dieselbe Person sind. Immerhin wünscht man sich bei Verhandlungen, dass sich jemand um die eigenen Interessen – und nicht gleichzeitig um die eines anderen – kümmert.
Solche Arrangements sind im Hip-Hop zwar nicht ganz unüblich, aber wirklich ethisch sind sie nicht, sagt etwa David Kronemyer, ein Beobachter der Branche und ehemaliger Senior-Vizepräsident bei Atlantic Records. „Der Künstler wünscht sich etwa finanzielle Unterstützung für eine Tour oder ein Video oder um sich auf gewisse Märkte, wo er gut ankommt, konzentrieren zu können. Die Plattenfirma vertritt in Bezug auf all das aber manchmal eine andere Sichtweise.“
Heller hält dem entgegen, dass er nicht alle Ruthless-Acts gemanagt habe, er aber, wenn er dies doch tat, „immer auf der Seite des Künstlers“ gestanden habe – somit wäre er der einzige gewesen, der sich mit einem Interessenskonflikt hätte auseinandersetzen müssen. Er fügte noch hinzu, dass er in solchen Fällen auch nur eine Provision absahnte und sich nie doppelt entlohnte.
Heller und Eazys Geschäftsbeziehung repräsentierte das Rückgrat von Ruthless Records. Das war eine komplizierte Sache, die viele bis heute nicht verstehen, und viele versuchten, sich zwischen die beiden zu drängen. „Die Leute rufen mich an und fragen mich, warum ich einen weißen Mann als Manager habe“, sagte Eazy. „Als ich mich nach einem Manager umsah, schloss ich meine verdammten Augen und sagte zu mir, dass ich den besten haben will – und Jerry war nun mal der beste.“
Ihre Beziehung umfasste auch Privates. Heller half Eazy dabei, seinen Führerschein zu machen und sein erstes Bankkonto zu eröffnen. Eazy verhalf Heller wiederum zu einer neuen Aufgabe.
„Eazy liebte seinen Vater, aber sie unterhielten sich nicht oft“, sagt Charis Henry, die später Eazys persönliche Assistentin wurde. Während Eazys Vater Richard sich eher introvertiert gab, übernahm Jerry eine aktivere Vaterrolle für ihn. „Er sagte, dass Jerry für ihn wie ein Vater war.“
Der, ganz auf die Musik konzentriert, überließ die Logistik, die dahinter steckte, Ruthless als Firma zu etablieren, lieber anderen. Aber auch er war anfangs angetan von Heller, was daran lag, dass der Manager der World Class Wreckin’ Cru dabei geholfen hatte, ausstehendes Geld bei ihrer Plattenfirma einzutreiben.
Eine von Eazy und Hellers ersten Entscheidungen war, J.J. Fad unter Vertrag zu nehmen, was sich schon bald auszahlen sollte. Nachdem er die Songs gehört hatte, die die Girls mit Arabian Prince aufgenommen hatten, tat er sie nicht länger als „abgedroschen“ ab. Er überarbeitete „Supersonic“ und co-produzierte ihr gleichnamiges Debütalbum, das die Gruppe mit einer neuen Besetzung aufnahm. Eazy wollte Ruthless zwar als härtestes Label weit und breit etablieren, doch es war durchaus sinnvoll, zuerst einmal eine jugendfreie Gruppe zu veröffentlichen. „Jerry und Eric sagten: ‚Wir wollen wie ein seriöses Label wirken, also bringen wir zuerst die Mädels heraus‘“, berichtet MC J.B. Die Warner-Tochterfirma Atco Records verpflichtete sich, die Scheibe zu vertreiben. „Supersonic“ wurde 1988 im Windschatten von Salt-N-Peppas „Push It“ ein Riesenhit und heimste prompt eine goldene Schallplatte ein.
J.J. Fad und N.W.A traten am Valentinstag 1988 bei einer Benefizveranstaltung für unterprivilegierte Kinder im Hotel L’Ermitage in Beverly Hills auf. Moderiert wurde die Sause vom Mädchenschwarm Scott Valentine, der im Film Familienbande Mallorys Freund mit Bad-Boy-Allüren spielte. N.W.A performten einen „kinderfreundlichen“ Song, an den sich keiner mehr genau zu erinnern scheint, doch die Hauptattraktion beim jungen Publikum waren J.J. Fad. „Supersonic“ wurde 1989 sogar als „Best Rap Performance“ für einen Grammy nominiert. Es war das erste Mal, dass in dieser Kategorie ein Preis verliehen wurde. J.J. Fad trugen zur Zeremonie maßgeschneiderte Smokings und Miniröcke. Da die Grammy-Verleihung jedoch nicht im Fernsehen gezeigt wurde, boykottierten andere Nominierte wie Salt-N-Peppa sowie die Gewinner DJ Jazzy Jeff & The Fresh Prince die Preisverleihung.
Handwerk und Fachsprache
Trotz des Erfolgs von J.J. Fad hatte weder Atco noch ein anderes Label Interesse an N.W.A, deren Sound und Image viel gewagter wirkten. Als nun die Zukunft der Gruppe in der Schwebe hing, begann Ice Cube nach seinem High-School-Abschluss 1987 andere Pläne zu schmieden. Er folgte dem Rat eines seiner Lehrer, bestieg einen Zug nach Arizona und studierte ein Jahr lang architektonisches Zeichnen, für das er ein Zertifikat des mittlerweile geschlossenen Phoenix Institute of Technology erhielt.
Die anderen Mitglieder der Gruppe ließen weiterhin nicht locker, doch Cube zog es vor, seinem Plan B zu folgen. Er erinnert sich an einen zermürbenden Stundenplan und Arbeit, die intensive Konzentration voraussetzte. „Bei architektonischem Zeichnen geht es vor allem um Präzision und darum, das Handwerk und die Fachsprache zu lernen, damit du sie anwenden kannst“, erörtert er. „Die Zeichnungen wurden immer komplizierter, je länger das Jahr dauerte.“ Der Erfahrung verdankt er, wie er sagt, selbstständig leben gelernt zu haben. Er rappte nun mit der Crew seines Kumpels Phoenix Phil, doch dadurch ergab sich nichts Handfestes.
Vielmehr vermisste er seine Freunde zu Hause. „Sie riefen mich an und erzählten, dass sie nach Chicago und Atlanta fliegen würden“, erzählte er. „Und ich hatte noch sechs Monate Schule vor mir! Das war das schlimmste Jahr meines Lebens. Meine Träume ließen mich im Stich.“
In Cubes Abwesenheit trat MC Ren in den Vordergrund. Auch er war ein paar Jahre jünger als die anderen Mitglieder der Gruppe. Sein älterer Bruder war mit Eazy befreundet und die beiden Familien lebten in Compton nur zwei Block voneinander entfernt. Als Junge war Ren ein Jünger von DMC gewesen (und nicht von Run, wie die meisten anderen) und stand, wie Eazy auch, den Crips nahe. Er war sogar schon angeschossen worden. Während sich seine Rap-Skills entwickelten, schloss er sich mit einem Beatboxer namens Chip zum Duo Awesome Crew 2 zusammen. Den jugendlichen Künstlern gelang es schließlich, einen Gig im Roxy auf dem Sunset Strip zu ergattern. Als sie Ice-T im Publikum erkannten, schoss ihr Puls rasch in die Höhe. Immerhin war er gerade dabei, sein Label Rhyme Syndicate an den Start zu bringen, das später unter anderem Everlast und das Duo Low Profile veröffentlichte. Leider, so erinnert sich Ren, lief die ganze Sache schief. Der DJ gab an einer Stelle das falsche Tempo vor und brachte sie aus dem Rhythmus. „Wir mussten so schnell rappen, total abgefuckt“, erzählt er. „Als wir dann von der Bühne kamen, sagte Ice-T: ‚Nicht schlecht.‘“ Leider war das purer Sarkasmus.
Ren wollte sich der Army anschließen, brachte es jedoch nicht übers Herz, dem Hip-Hop den Rücken zu kehren. Er verblüffte Eazy mit seinen Freestyle-Raps in dessen Stucco-Garage, die sich inzwischen zu einem gediegenen Proberaum samt Turntables, Drumcomputern und einem Asteroids-Videospielautomaten entwickelt hatte.
Ren war ein Spitter, der in der Lage war, den Beat zu dominieren und noch etwas Extra-Würze ins Spiel zu bringen. Eazy nahm ihn zunächst solo unter Vertrag, erkannte jedoch schon bald seine Vorzüge als Ghostwriter. Ren schrieb die Raps zu „Eazy-Duz-It“, „Radio“ sowie „Ruthless Villain“, die 1988 auf Eazys Solo-Album Eazy-Duz-It landeten. Doch „Ruthless Villain“ war zu rasant für Eazys bescheidene Rap-Skills. „Also sagte Dre: ‚Mann, lass Ren das machen!‘“, erinnert sich Ren. Bald schon wurde er eingeladen, sich N.W.A anzuschließen.
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