„Darf ich mein Aufnahmegerät anstellen?“, frage ich ihn irgendwann. Seine Antwort darauf ist eindeutig: „Du kannst einen Scheißdreck haben!“ Er erklärt mir, dass die ständig wiederholten TV-Interviews, die er vor Jahren gegeben hat, ihm keinen Pfifferling eingebracht hätten. Außerdem hätten andere Autoren vor mir ihn schlecht aussehen lassen. (Er verklagte – erfolglos – den Autor und den Verlag des 1998 erschienenen Buches Have Gun Will Travel, das von Death Row Records handelt, weil er sich unfair dargestellt fühlte. Darüber hinaus läuft zur Zeit ein von ihm angestrengtes Verfahren gegen die Macher des Biopics Straight Outta Compton aus dem Jahr 2015.) Heller gibt sich abwechselnd ruhig und aufgebracht. Einerseits behauptet er, dass es ihm egal sei, was die Leute über ihn sagten, andererseits streitet er vehement verschiedene Anschuldigungen ab. Irgendwann gelingt es mir, ihm ein paar Zitate zum Album sowie tonnenweise spannende Hintergrundinformationen abzuringen. Als ich aufbreche, behalte ich ihn sowohl als abweisend als auch als ziemlich spendabel in Erinnerung. Als ein Jahr später meine Großmutter verstirbt, drückt er mir via Facebook sein Beileid aus.
Und so ist Heller auch. Mehr als an jeder anderen Person in diesem Buch scheiden sich an ihm die Geister. Viele Insider rund um Ruthless Records bestätigen seine wichtige Rolle bei der Entwicklung der involvierten Künstler. Es gibt einen Grund, sagen sie, warum N.W.A zu einem internationalen Phänomen aufstiegen, wohingegen anderen Gangsta-Rappern dieser Ära der große Wurf verwehrt blieb. Andere wiederum spucken förmlich auf den Boden, wenn sein Name fällt. DJ Speed, der Turntable-Künstler von N.W.A, nannte ihn mir gegenüber einen „Gauner“ und im Gespräch mit HipHopDX eine „Schlange“. (Heller revanchierte sich, indem er Speed als „Laufbursche, der Erics Wäsche machte“, bezeichnete.) Als Heller 2013 in der Murder Master Music Show, einem Podcast, zu Gast war, wurde er von einem Anrufer als „Zinswucherer“ beschimpft. Als er ein Jahr später erneut in der Show auftrat, wiederholte ein anderer Anrufer diesen Vorwurf.
Wie viele wissen, hat Ice Cube, nachdem die Stimmung zwischen ihm und Heller gekippt war, antisemitische Dinge über ihn gesagt. Doch es gab eine Zeit, in der sein Background – zumindest in den Augen vieler Acts, die er umwarb – als Qualität wahrgenommen wurde, es Geld regnen zu lassen. „Er war ein weißer, jüdischer Typ, der Leute kannte. Er wurde bei Plattenfirmen vorgelassen, zu denen wir nicht durchdringen konnten“, erzählt Arabian Prince. „Es war ja schon schwer genug für uns, Geld von unseren eigenen Konten abzuheben.“
Eines bestreitet aber niemand: Mit Hellers Hilfe mauserte sich Ruthless Records von einem regional erfolgreichen zu einem landesweit hochangesehenen und zugkräftigen Unternehmen.
Hellers Vater betrieb ein Geschäft für Altmetall. Er liebte es, Sportwetten abzuschließen, und bewegte sich in den Kreisen der jüdischen Mafia. Irgendwann ließ er sich dann mit seiner Familie in einem wohlhabenden Vorort von Cleveland namens Shaker Heights nieder. Als einer der wenigen ortsansässigen Juden fühlte sich Heller, wie er in Ruthless beschrieb, jedoch als Außenseiter. Nachdem er an der University of Southern California einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaft gemacht hatte, schwang er sich in den Sechziger- und Siebzigerjahren in der Musikbranche in schwindelerregende Höhen auf. Er arbeitete als Agent für Marvin Gaye und CCR, lotste Elton John und Pink Floyd zu ihren ersten Amerika-Touren über den großen Teich und diente dem Musikmanager Irving Azoff als Mentor. Außerdem steckte er 1975 hinter der ersten US-Tour der deutschen Electronik-Pioniere Kraftwerk. Abgesehen davon machte er nicht weniger Party als die Rockstars, die er betreute.
Doch während der New-Wave-Ära verlor Heller den roten Faden. 1985 musste er nach seiner Scheidung auf dem Sofa seiner Eltern in Encino schlafen, als ihn sein Freund Morey Alexander, ein weiterer Musikmanager, anrief und ihn darüber informierte, was sich gerade so bei Macola abspielte. Heller traf sich daraufhin mit Don Macmillan und Rudy Pardee, einer Hälfte des L.A. Dream Teams, um sich von ihnen die brandheiße Electro-Hip-Hop-Single „The Dream Team Is In the House!“ vorspielen zu lassen. Heller willigte ein, die Band in puncto Management zu unterstützen, und war außerdem sehr angetan von J.J. Fad, die auf demselben Label wie Dream Team waren.
Nachdem Heller infolge eines Auffahrunfalls auf dem Freeway eine Abfindung erhalten hatte, zog er in eine Eigentumswohnung im Simi Valley um und machte ernst in Bezug auf die urbane Musikszene von L.A. Er verhökerte Platten auf dem Roadium Swap Meet und stimmte zu, Acts wie die World Class Wreckin’ Cru und C.I.A. zu managen.
Mitte der Achtzigerjahre verbrachte Heller viel Zeit im Macola-Foyer und versuchte, „Acts aufzugabeln“, wie es Don Macmillan formulierte. Heller machte sich an Rapper und DJs heran, von denen er glaubte, dass ihr Talent nicht adäquat zur Geltung gebracht würde. „Ich kann mich an mehrere Situationen erinnern, in denen Produzenten mir gegenüber von Aufnahmeequipment schwärmten, das sie für 200 Dollar bei Toys ’R’ Us erstanden hatten“, schrieb er.
Sein Ruf war der eines Machers aus einer vergangenen Zeit. Vor allem Eazy konnte es nicht erwarten, ihn zu treffen. Er bezahlte Alonzo Williams sogar dafür, sie einander vorzustellen. Am Morgen des 3. März 1987 fuhr Eazy-E, begleitet von MC Ren, in seinem burgunderfarbenen Suzuki Samauri vor. Eazy hatte sich extra dafür herausgeputzt: Er trug Locs, brandneue niedrige Converse All-Stars, ein strahlend weißes T-Shirt und eine Golduhr, „der man ansah, dass sie echt war“, wie sich der Promoter Doug Young erinnerte. Young wohnte dem Treffen ebenfalls bei. Er hatte Eazy noch nie zuvor getroffen, doch eilte diesem sein Ruf voraus.
„Woher weißt du, dass sie das sind?“, erkundigte sich Heller bei Young, als Eazy und Ren auf der Bildfläche erschienen.
„Weil sie wie zwei Gang-Mitglieder aussehen.“
Nachdem Alonzo alle einander vorgestellt hatte, zog Eazy seine Kohle aus der Socke und bezahlte ihn. Dann begaben sie sich in Don Macmillans Büro, wo die Unterhaltung zunächst ein wenig ungelenk ablief. Heller fragte Eazy, ob er der „Dope Man“ aus dem gleichnamigen Song sei. Eazy verstummte, aber Heller ließ nicht locker.
„Ich habe einen Geldbaum im Garten stehen“, sagte Eazy schließlich.
Das lockerte die Stimmung merklich auf und Eazy erklärte, dass er für seine neue Gruppe N.W.A einen rauen Sound und ein taffes Image anstrebte. „Sie wird Hip-Hop sein, sie wird richtiges Straßen-Feeling haben“, fuhr er fort. „Aber sie wird die Art repräsentieren, wie wir hier in L.A. sprechen, wie wir uns verhalten. Sie wird die L.A.-Fahne hochhalten.“
Heller konnte sich rasch für die Musik der Gruppe erwärmen – vor allem für „The Boyz-N-The-Hood“. Er und Eazy einigten sich darauf, gemeinsame Sache zu machen und verabredeten sich bald darauf bei Martoni’s, einem Restaurant am Cahuenga Boulevard. Ebenfalls anwesend waren Hellers Partner Morey Alexander und weitere Macola-Acts, mit denen sie zusammenarbeiteten: Rodney O & Joe Cooley, Rudy Pardee, Russ Parr, Unknown DJ, Alonzo Williams, Arabian Prince und Egyptian Lover.
Manche seiner Klienten nahmen Hellers zunehmend enge Verbindung zu Eazy mit gemischten Gefühlen auf, da sie nichts mit seinem vulgären Stil anfangen konnten. Laut Eazy verkündete Heller, dass er sich Eazys neuem Label verpflichtet hätte und jeder, der sich ihm nicht anschließen wolle, sich nach einer neuen Vertretung umsehen müsste. Alonzo behauptete hingegen, dass Acts wie Pardee und Unknown DJ ihm ein Ultimatum gestellt hätten: „Entweder wir oder Eazy.“ Wie auch immer es gewesen sein mag, Heller und viele seiner Klienten gingen von nun an getrennte Wege.
Читать дальше