Mit Mankey auf der Kommandobrücke machte sich die Band an die Arbeit, nahm die neuen Songs auf und mischte sie ab. So nahmen sie die halbe Platte auf, darunter die Songs „Voice of God Is Government“, „We’re Only Gonna Die“ und „Fuck Armageddon … This Is Hell“, die Greg auf dem Klavier im Studio begleitete. „Ich wusste gar nicht, dass wir das aufnahmen“, beteuert Greg. „Aber ich bin froh, dass Mankey das Klavier bereits mit einem Mikro versehen hatte. Ich hörte über die Kopfhörer mit. Das war das erste Mal, dass ich mich selbst Klavier spielen hörte. Das war überraschend und sehr anspornend. Wir waren ja noch so unerfahren, dass wir gar nicht auf die Idee gekommen wären, es mit ein wenig Klavier auf dem Album zu versuchen. Allerdings war ich ein großer Fan von Sham 69 und sie brachten ungefähr zu dieser Zeit ein Album namens The Adventures of Hersham Boys auf, auf dem man auch ein Klavier zu hören bekam. Das reichte mir als Motivation, um ein wenig Punk-Piano auf unserem Album zu spielen.“
Die Aufnahmen nahmen etwas länger als erwartet in Anspruch, weshalb der Band das Geld ausging. Jay erinnert sich, dass er Mankey erklärte: „Wir müssen ein paar Konzerte geben, ein bisschen Geld verdienen und dann kommen wir wieder.“ Sie buchten eine Reihe von Gigs in diesem Winter, damit sie die Platte fertigstellen konnten. Doch dann ereignete sich eine Serie von bizarren Vorfällen.
Die Band heuerte Edward Colver an, damit er die Band in Hollywood und an anderen Orten in L.A. fotografierte. Colvers Bilder zierten etliche Platten vieler südkalifornischer Punk-Bands, darunter die von Black Flag, den Circle Jerks, von China White, Suicidal Tendencies und T.S.O.L. Wenn man in den Achtzigerjahren in Los Angeles in einer Punk-Band spielte, standen die Chancen nicht schlecht, dass Colver das Coverfoto für deine Platte beisteuerte. Colver geleitete Bad Religion zum Hollywood Cross, einem neun Meter hohen christlichen Kreuz, das über der Hollywood Bowl und dem Hollywood Freeway aufragt, um die Band dort abzulichten.
In einer Studiopause trafen irgendwann Colvers Druckfahnen bei Brett ein. Jay und Greg waren gerade zufällig dort, als das Paket eintraf. Sie sichteten das Material und suchten sich ihre Favoriten heraus. Sie waren sehr zufrieden mit dieser Fotosession. Letztlich sollten Bad Religion für das Cover ihrer Debüt-LP How Could Hell Be Any Worse? einen Schnappschuss der Innenstadt von L.A. verwenden.
Als Jay nachhause kam, erhielt er einen Anruf von Ziskrout.
ZISKROUT: Ich habe gehört, ihr habt euch ohne mich Fotos angeguckt.
JAY: Ja, na und?
ZISKROUT: Fickt euch doch selbst, ich steige aus!
Offenbar hatte Ziskrout den Eindruck, dass er mit voller Absicht von diesem Treffen ausgeschlossen worden war. Jay war perplex. „Er schmiss hin, weil wir uns ohne ihn Fotos angesehen haben. Kein Witz. Er rief mich an und stieg aus, weil wir ohne sein Beisein Fotos sichteten.“
Ziskrout ist nicht sonderlich stolz auf diese Anekdote. „Aus irgendeinem Grund saßen die Jungs zusammen und schauten sich Fotos an – und aus irgendeinem Grund war ich nicht dabei. Das machte mich stinksauer und ich stieg aus. Das war echt saublöd. Statt ihnen zu sagen, dass ich nicht glücklich darüber war, stürmte ich wutentbrannt davon. Das war schon sehr kindisch. Das gehört auch zu den Dingen in meinem Leben, die ich bereue. Gleich aus mehreren Gründen. Man verschwindet nicht einfach von der Bildfläche, so reagiert man nicht auf eine Kränkung. Außerdem wünschte ich, länger bei Bad Religion gespielt zu haben – wenn nicht sogar bis heute.“
Bad Religion standen nun ohne Schlagzeuger da. Das brachte die Band schwer in die Bredouille. Sie befanden sich nicht nur inmitten der Aufnahmen eines Albums, sondern waren auch für mehrere Konzerte gebucht, mit denen sie genug Geld zusammenbekommen wollten, um die Platte fertigzustellen. Also wurde dringend ein Drummer gesucht.
Greg rekrutierte daraufhin ihren Freund aus dem Valley, Pete Finestone, ihren Roadie, der Ziskrout auch als Schlagzeugtechniker unterstützte – obwohl diese Titel vielleicht ein wenig dick auftrugen. „Seit jeher verfolgen Punks die gleiche Taktik“, erklärt Jay. „Wenn man früh genug bei einem Club aufkreuzt und einen Gitarrenkoffer oder ein Kabel hineinträgt, kommt man umsonst rein.“ Das reichte auch schon aus, um in der Punk-Szene von L.A. 1981 als „Roadie“ durchzugehen. In Jays Augen war Pete aber nicht nur ein Typ, auf den man sich verlassen konnte, dass er einen Gitarrenkoffer unbeschadet in einen Club schleppte. Er war auch ein Freund. Pete einzuladen, sich Bad Religion anzuschließen, lag somit auf der Hand.
„Pete war immer mit dabei und wir waren alle gut mit ihm befreundet. Niemand wäre auf die Idee gekommen, einen anderen Weg zu beschreiten“, meinte Jay. „Pete ist unser Mann. Er hat ein Schlagzeug und kennt alle unsere Songs. Nehmen wir gleich den!“
Pete kannte vielleicht alle Songs, aber er wusste nicht, wie man sie spielte. Auch besaß er kein vollständiges Schlagzeug und hatte nie irgendwelchen Unterricht gehabt. Aber er wusste, wie man das Schlagzeug auf- und abbaute. Das war ungefähr so, als würde man den Tontechniker als Sänger engagieren, weil er wusste, wie man das Mikrofon aufstellt. Doch man muss Pete zugutehalten, dass er bereit war, alles zu lernen, was von ihm verlangt wurde – und das war das Allerwichtigste.
Pete stammte aus dem San Fernando Valley und seine Eltern arbeiteten beide an der California State University in Northridge. Seine Eltern kannten Gregs Eltern aus den akademischen Zirkeln, in denen sie verkehrten, noch lange, bevor sich ihre Söhne über den Weg liefen. Pete hatte einen leichten Sprachfehler und fühlte sich von den anderen Jugendlichen ausgegrenzt. Er geriet in Prügeleien und musste sogar die Schule wechseln. „Ich fühlte mich damals sehr unwohl in meiner Haut und hatte nicht viele Freunde. Mein Bruder war Sportler. Ich war hingegen ein sehr einsamer Junge. Mir waren meine Einsamkeit und der Umstand, dass ich eben anders war, schmerzlich bewusst.“
Ein Freund, der London besucht hatte, versuchte Petes Interesse an Punkrock zu wecken und spielte ihm die Sex Pistols vor. Er konnte aber nichts damit anfangen. „Ich dachte: ‚Was ist denn das für ein Mist?‘ Ich hielt es für richtig dämlich.“ Petes Erleuchtung in puncto Punkrock sollte im Sommer 1978 folgen. Er hatte Konzertkarten für Jethro Tull, die auf ihrer Bursting Out-Tour in der Long Beach Arena auftraten, doch sein Freund drängte ihn, stattdessen The Clash im Santa Monica Civic zu sehen. „Ich überlegte hin und her. Letztlich habe ich mich für The Clash entschieden. Wenn ich mich nicht irre, war das ihre erste oder zweite Tour durch die USA. Das veränderte alles für mich. Was war das bloß? Das sprach mich direkt an!“
Punkrock eröffnete Pete eine neue Gemeinschaft von Außenseitern. Er besuchte zwar nicht die El Camino Real, doch kannte er Arnel Celestial, den ersten Fan von Bad Religion. Arnel stellte Pete Greg an jenem Tag in Hollywood vor, als die Band ihr Demo im Studio 9 aufnahm. Seit damals gehörte Pete zu ihrem Freundeskreis.
Doch all das änderte nichts am Umstand, dass Pete nicht spielen konnte. Greg stärkte ihm jedoch unablässig den Rücken. „Du bist unser Freund“, erinnert sich Pete an Gregs Worte. „Es wird schon alles gut werden.“
Pete überredete seine Mutter, ihm ein Schlagzeug zu kaufen. „Wir hatten nicht viel Geld. Sie hatte aber etwas gespart, und so fuhren wir zu Pro Drum, wo sie mir ein kleines Schlagzeug kaufte. Ich nahm es mit nachhause und lernte all ihre Songs, indem ich zu einer Cassette spielte. Aber ich wusste nicht wirklich, was ich da tat. Ich hatte keine Ahnung, wie man spielte. Ich lernte die Schlagzeug-Parts wie im Blindflug, ohne eigentlich spielen zu können.“
Die nächsten paar Wochen entpuppten sich für Pete als Achterbahnfahrt der Gefühle. Er freute sich zwar riesig, ein Mitglied dieser Band zu sein, die er so liebte, doch er stand auch mächtig unter Druck. Der Tiefpunkt war sicher seine erste Bandprobe im Hell Hole. „Ich baute meine Drums auf und fing an zu spielen. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so nervös gewesen … Brett und Jay hatten bestimmt ihre Zweifel, ob das mit mir funktionieren würde. Doch Greg meinte, es klänge großartig und ich sollte einfach weiterhin üben. Nach einem Monat oder so stand ein Konzert mit Fear und China White im Godzilla’s an. Obwohl ich nicht spielen konnte, verloren sie nicht die Geduld mit mir.“
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