1 ...7 8 9 11 12 13 ...21 Jay beschrieb die frühen Konzerte mit Bad Religion als „aufregend, beängstigend und kathartisch“. Punk-Bands trieben ihr Publikum zur Ekstase, und wenn das Publikum diese Energie dann wiederum zurück auf die Bühne schickte, geschahen unvorhersehbare Dinge. Bad Religion zapften diese Energie an Orten an, die nicht genehmigt, unbeaufsichtigt und unsicher waren. Viele, wenn nicht sogar die meisten Punkrocker nahmen Drogen und tranken, um der Situation gewachsen zu sein oder um mit den Emotionen zurechtzukommen. Für manche Bands wie die Circle Jerks drehte sich alles ausschließlich um die Party. Bad Religion waren hingegen keine Party-Truppe. Auch hatten sie kein Interesse daran, streitlustige Songtexte zu schreiben, nur um damit anzuecken. Vielmehr schwebte ihnen ein höheres Ziel vor.
„Es gab einen Grund, warum wir uns Bad Religion nannten“, erklärt Brett. „Greg und ich versuchten, Intellektuelle zu sein. Für unsere erste EP schrieb ich einen Song mit dem Titel „Oligarchy“ und Greg kam mit einer Nummer namens „Politics“. Wir machten keinen Fun-Punk. Wir waren zwar noch Teenager, naiv und ziemlich unreif, aber wir gaben uns Mühe.“
Obwohl sie intelligent waren, ließ sich nicht leugnen, dass sie aus einem Vorort kamen und nicht wussten, was sie da taten oder auf was sie sich da einließen. Schon als sie nur Fans gewesen waren, galten sie als Außenseiter, doch dass sie nun auf der Bühne standen, machte die Dinge nicht weniger verwirrend. „Ich hatte das Gefühl, dass wir in die Welt der Erwachsenen vordrangen, die wir nicht verstanden“, so Jay. „Es gab andere Leute, die sich ums Geschäftliche kümmerten. Ich wollte nichts davon wissen. Ich wollte nur spielen und dann wieder abhauen. Es war weder Business noch Party für mich. Es hieß, dass das irgendwie wichtig sei, aber man wusste nicht wieso. Vielleicht war ich zu jung und hatte noch keinen Überblick, aber das Party-Ding war wirklich nichts für mich. Vermutlich lag das auch an den Diskussionen, die wir in Gregs Garage führten: ‚Was wollen wir als Band darstellen? Was wollen wir aussagen? Wie wollen wir uns präsentieren?‘ Keine Ahnung, über was sich andere Bands so unterhalten, wenn sie sich gründen. Ich weiß nur, dass wir dieses Gespräch führten. Wir wollten uns nicht auf die Bühne stellen und Sachen krakeelen wie ‚Scheiß auf die Bullen!‘ oder ‚Ich hasse meine Eltern!‘ … Es musste doch etwas geben, das ein bisschen sinnvoller war. Das war meine Einstellung zur Band. Sie war kein Vehikel, um Drogen zu nehmen. Sie war auch kein Vehikel, um Kohle zu scheffeln. Stattdessen war sie ein Vehikel, um unsere Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Das war wichtiger als alles andere.“
Für eine Band, der man nachsagte, sie würde aus Intellektuellen bestehen, machten sich die Mitglieder von Bad Religion erstaunlich wenig aus formaler Bildung. Greg tat sich nach seinem Umzug nach Kalifornien als Schüler nicht sonderlich hervor und Brett konzentrierte sich auch mehr auf seine Musik als auf seine Studien. Obwohl Brett versuchte, für Bad Religion und Epitaph Records Einnahmen zu generieren, lieh er sich gelegentlich Geld von seinem Vater. Laut Richard Gurewitz pumpte er seinem Sohn „1.500 oder 1.700 Dollar“, um die erste EP von Bad Religion zu finanzieren.
Wichtiger als die Summe des geliehenen Geldes war aber der Zeitpunkt, zu dem er sie Brett borgte. Ende 1980 war Brett so gut wie fertig mit der El Camino Real. „Ich schlug mich nicht gut in der Schule und kämpfte mich durch. In der elften Klasse legte ich meinen General Education Development Test ab und ging von der High School ab.“
Dass Bretts Vater ihm Geld lieh, damit Brett eine Punk-Platte produzieren konnte, nachdem er die Schule verlassen hatte, kann zweierlei bedeuten. Entweder teilte er Bretts Vision, oder er glaubte daran, dass man Dinge auf die harte Tour lernen muss.
„Er war kein schlechter Junge“, so Richard. „Ich wusste, dass er sich echt Mühe gab. Es entging mir nicht, mit welcher Leidenschaft er bei der Sache war.“
Brett sah die Unterstützung seines Vaters entspannt: „Mein Dad ist Unternehmer. Sein Dad war auch schon Unternehmer. Der Vater meiner Mom war ebenfalls Unternehmer. Das liegt bei uns irgendwie in der Familie. Mein Dad meinte nur: Echt? Du willst Unternehmer werden?“
Allerdings stellte es sich als kluger Schachzug heraus, die Debüt-EP von Bad Religion zu finanzieren – trotz des provokanten Namens und des kontroversen Logos. Die EP enthielt eine mysteriöse Botschaft. Auf der einen Seite waren die Worte „We’re not Bad Religion …“ eingraviert, während die andere Seite „UR!“ (also „You are“) verkündete. Anders als Namen wie Ramones, Sex Pistols oder Weirdos gab Bad Religion keine Auskunft darüber, um wen es sich hier handelte, sondern war vielmehr ein Kommentar zum Weltgeschehen. Bad Religion hielt denjenigen, die sich Antworten von ihnen erhofften, und der Gesellschaft einen Spiegel vor. „Unser Name“, erklärt Brett, „sollte genauso wie unsere Songs provozieren und die Menschen zum Denken anregen.“
Die Band selbst war extrem chaotisch. Als die EP Anfang 1981 erschien, wusste keiner von ihnen, was man nun damit machen sollte. Jay Ziskrout verschickte Exemplare an Punk-Zeitschriften und College-Radiosender, doch das war auch schon das ganze Ausmaß ihrer Marketing-Bemühungen. Weder schalteten sie Anzeigen, noch planten sie irgendwelche Veranstaltungen. Brett entschied sich für einen hemdsärmeligen Ansatz, um die Platte an den Fan zu bringen. „Ich schnappte mir eine Kiste mit Platten und brachte sie zu Middle Earth Records in Downey, Moby Disc Records in Van Nuys, Zed’s Records in Long Beach und Poobah Records in Pasadena. Ich unterhielt mich mit dem Einkäufer und zählte 15 Exemplare ab. Dann rief ich irgendwann mal an und fragte, ob sie noch mehr wollten. Und siehe da: Sie hatten alle verkauft und wollten noch mehr. So fuhr ich dann wieder hin. Darin bestand unser ganzer Vertrieb. Ziemlich überschaubar, aber so haben wir das eben gemacht.“
Trotz der bescheidenen Verkaufszahlen, die auf diese Weise zustande kamen, waren die Kontakte, die Brett knüpfte, auf lange Sicht profitabel. Langsam, aber sicher etablierte sich die EP. Die Band verkaufte die erste Pressung von 500 Stück innerhalb relativ kurzer Zeit. Mit der zweiten Pressung korrigierte die Band ein Problem, das zur Folge gehabt hatte, dass die Platte hüpfte, und erhöhte die Auflage auf 1.500 Stück.
Im Verlauf des Frühjahrs und Sommers gaben Bad Religion gerade mal ein halbes Dutzend Konzerte, die aber dafür umso denkwürdiger waren. Am 3. März traten sie mit den Cheifs und China White im Vex auf, einem legendären Veranstaltungsort in East L.A., der ein Ableger von Self Help Graphics war. Die Fotos, die Gary Leonard schoss, zeigten Jay Bentley und Jay Ziskrout mit sehr kurzen Haaren, während Brett offenbar einen Irokesenschnitt zur Schau trägt. Am 30. April spielte die Band erneut im Vex, dieses Mal mit T.S.O.L., und dann am 29. Mai noch einmal, nun mit den Adolescents, Social Distortion und Saccharine Trust. Diese Show markierte einen besonderen Meilenstein für die Band, da Bad Religion nun zum ersten Mal an zwei aufeinanderfolgenden Abenden gespielt hatte. Denn am Vorabend hatte die Band noch ihre Heimpremiere in Tarzana im Valley West gefeiert.
Im Mai quetschten sich die Jungs mit ihrem Equipment in Bretts VW-Bus und fuhren zu einem Konzert in San Francisco, das an einem Sonntagabend stattfand und vom „Punk-Papst“ Dirk Dirksen veranstaltet wurde. Auf der Fahrt zum Mabuhay hatte Ziskrout Grippe-Symptome und musste sich hinten im Bus hinlegen. Er gab sich die allergrößte Mühe, nicht die Anlage vollzukotzen. Pete Finestone, ein Punk aus dem San Fernando Valley, der ein Fan der Band war und als Roadie aushalf, musste Ziskrouts Schlagzeug für ihn auf- und abbauen, doch das Konzert fand trotzdem statt.
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