Darüber hinaus gab es andere experimentelle Ergebnisse, die mit der klassischen Physik nicht erklärt werden konnten und die die Entwicklung neuer theoretischer Konzepte erforderten, beispielsweise die Unfähigkeit klassischer Modelle, die Schwarzkörperstrahlung, den photoelektrischen Effekt und die Beobachtung der ,,Spektrallinien“ in den Emissions- (oder Absorptions-)Spektren von atomarem Wasserstoff zu reproduzieren. Diese experimentellen Ergebnisse stammen aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts und lösten in den 1920er-Jahren eine fast explosive Reaktion in der theoretischen Physik aus, die zur Formulierung der Quantenmechanik führte. Die Namen dieser Physiker – Planck, Heisenberg, Einstein, Bohr, Born, de Broglie, Dirac, Pauli, Schrödinger und andere – sind unauslöschlich mit neuen theoretischen Modellen verbunden, die die Physik und Chemie revolutionierten.
Diese Entwicklung der Quantentheorie nahm Hunderte von Veröffentlichungen, Briefen und Tausende von Seiten gedruckten Materials ein und kann hier in diesem Buch nicht behandelt werden. Daher präsentiert dieses Buch viele der schwierigen theoretischen Ableitungen als bloße Tatsachen, ohne Beweise oder die zugrunde liegenden Denkprozesse anzuschneiden, da das Ziel der Diskussion in den folgenden Kapiteln die Anwendung der quantenmechanischen Prinzipien auf die Molekularspektroskopie ist. Daher sollten diese Diskussionen als Leitfaden für Studenten des 21. Jahrhunderts zur Akzeptanz quantenmechanischer Prinzipien für ihre Arbeit mit molekularer Spektroskopie ausgelegt werden.
Vor der Diskussion der drei Eckpfeilerexperimenten, die die Quantenmechanik einleiteten – Plancks Schwarzkörperstrahlungskurve, der photoelektrische Effekt und die Beobachtung von Spektrallinien in den Wasserstoffatomspektren – wird elektromagnetische Strahlung (Licht) mittels eines Wellenmodells vorgestellt, das die vorherrschende Art war, dieses Phänomen vor dem 20. Jahrhundert zu betrachten.
1.1 Beschreibung von Licht als elektromagnetische Welle
Wie oben erwähnt, wurde elektromagnetischen Strahlung durch die Maxwell’schen Gleichungen in den frühen 1860er-Jahren als eine Welle beschrieben. Die Lösung dieser Differenzialgleichungen beschreibt Licht als transversale Welle elektrischer und magnetischer Felder. In Abwesenheit von Ladung und elektrischem Strom kann eine solche Welle, die sich im Vakuum in der positiven z -Richtung ausbreitet, durch die folgenden Gleichungen beschrieben werden:
(1.1) 
(1.2) 
wobei das elektrische Feld Eund das magnetische Feld Bsenkrecht zueinander stehen (siehe Abb. 1.1) und in Phase mit der Winkelfrequenz
(1.3) 
oszillieren, wobei v die Frequenz der Schwingung ist, und in Einheiten von s −1= Hz ausgedrückt wird. In (1.1)und (1.2)ist kder Wellenvektor der elektromagnetischen Welle, definiert durch (1.4)
(1.4) 
Hierbei ist λ die Wellenlänge der Strahlung, gemessen in Längeneinheiten, und wird durch den Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Wellenbergen (oder Tälern) der elektrischen oder magnetischen Felder definiert. Vektorielle Größen wie elektrische oder magnetische Felder sind durch einen Pfeil über dem Symbol gekennzeichnet oder fett-kursiv gedruckt.
Abb. 1.1Beschreibung der Ausbreitung einer linear polarisierten elektromagnetischen Welle als Schwingung des elektrischen ( E) und magnetischen ( B) Felds.
Da Licht eine Welle ist, weist es Eigenschaften wie konstruktive und destruktive Interferenz auf. Wenn also Licht auf einen schmalen Spalt trifft, zeigt es ein Beugungsmuster ähnlich dem einer einfachen Wasserwelle, die auf eine Barriere mit einer engen Öffnung fällt. Solche Welleneigenschaften von Licht waren bekannt und daher wurde angenommen, dass Licht nur Welleneigenschaften aufweist, wie durch die Maxwell’sche Gleichung vorhergesagt.
Im Allgemeinen kann jede Wellenbewegung durch ihre Wellenlänge λ , ihre Frequenz 𝜈 und ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit charakterisiert werden. Für Licht im Vakuum ist diese Ausbreitungsgeschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit c ( c = 2,998 • 10 8m/s). 1)Im Kontext der Diskussion in den folgenden Kapiteln wird die Wechselwirkung von Licht mit Materie als die Kraft beschrieben, die das elektrische Feld auf die geladenen Teilchen Atome und Moleküle ausübt (siehe Kap. 3). Diese Wechselwirkung bewirkt eine Translation der Ladung. Diese Beschreibung führt zum Konzept des ,,elektrischen Übergangsmoments“, das als Grundgröße zur Beschreibung der Wahrscheinlichkeit (d. h. der Intensität) eines spektralen Übergangs verwendet wird.
Bei anderen Formen der optischen Spektroskopie (z. B. für alle Erscheinungsformen optischer Aktivität, siehe Kap. 10) muss auch das magnetische Übergangsmoment berücksichtigt werden. Diese Wechselwirkung führt zu einer Translation, gekoppelt mit einer Rotation der Ladung, die eine helikale Ladungsbewegung vermittelt. Diese helikale Bewegung ist das Kennzeichen der optischen Aktivität, da eine Helix per Definition links- oder rechtshändig sein kann.
1.2 Strahlung des Schwarzen Körpers
Aus Sicht eines Spektroskopikers wird elektromagnetische Strahlung von Atomen oder Molekülen erzeugt, die Übergänge zwischen genau definierten stationären Zuständen eingehen. Diese Sichtweise beinhaltet offensichtlich nicht die Erzeugung von Radiowellen oder anderen langwelligen Phänomenen, beispielsweise durch Antennen in der Radiotechnologie, sondern beschreibt ultraviolette, sichtbare und infrarote Strahlung, die Gegenstand dieses Buches sind. Die Atomlinienspektren, die in der analytischen Chemie verwendet werden, beispielsweise das Licht einer Hohlkathodenlampe in der Atomabsorptionsspektroskopie, beruhen auf Übergängen zwischen elektronischen Energiezuständen gasförmiger Metallatome.
Abb. 1.2(a) Intensität I der Strahlung von einem Schwarzen Körper in Abhängigkeit von Wellenlänge und Temperatur. (b) Strahlungsdichte einer Schwarzkörperquelle in Abhängigkeit von Frequenz und Temperatur. Die gestrichelte Linie repräsentiert die Strahlungsdichte nach (1.5).
Das Licht, das der heiße Faden in einer Glühbirne erzeugt, ist ein weiteres Beispiel für Licht, das von (Metall-)Atomen emittiert wird. Hier muss man sich jedoch mit einer breiten Verteilung hoch angeregter Atome auseinandersetzen, und die Beschreibung der Strahlung eines ,,Schwarzen Körpers“ war einer der ersten Schritte zum Verständnis der Quantelung von Licht, wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird.
Jedes Material mit einer Temperatur T strahlt elektromagnetische Strahlung gemäß der Gleichung des Schwarzen Körpers aus. Der Begriff ,,Schwarzer Körper“ bezieht sich auf einen idealisierten Strahler von elektromagnetischen Wellen mit einer Intensität I(λ, T) oder Strahlungsdichte ρ(T, ν) als Funktion der Wellenlänge und der Temperatur. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es nicht möglich, mit klassischen physikalischen Modellen die in Abb. 1.2 gezeigten experimentellen Schwarzkörperemissionsprofile als Funktion der Wellenlänge zu beschreiben.
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