Vorwort
ROH
AUS DER PFANNE
AUS DEM TOPF
AUS DEM OFEN
Geheimnisse und Profitipps vom Sternekoch
Impressum
Als Spitzenkoch läuft man stets Gefahr zu vereinsamen. Und das liegt nicht an den Arbeitszeiten. Nein, es werden kaum mehr private Einladungen ausgesprochen. Denn jeder Gastgeber denkt sich im Vorfeld: »Um Gottes willen, was soll ich für den denn kochen?« Und schon findet wieder ein Essen in geselliger Runde ohne mich statt. Wenn sich doch mal jemand »traut«, mich einzuladen, entschuldigt er oder sie sich schon im Vorfeld für das Essen, während des Essens übt der Gastgeber sich in Selbstkritik, und im Nachhinein sieht man einen leicht gequälten Gesichtsausdruck, der besagt: »Ob es ihm wohl geschmeckt hat?«
Ganz ehrlich, liebe Freunde: Ich finde das schade. Wenn ihr einen Frisör als Gast habt, entschuldigt ihr euch doch auch nicht als Erstes dafür, dass ihr einen bad hair day habt. Und stellt euch vor, ihr würdet euch bei der eingeladenen Schönheitschirurgin rechtfertigen: »Meine Nase ist zwar noch nicht gerichtet, aber ich hoffe, du hast trotzdem einen schönen Abend.« Zugegeben, es ist ein wenig überspitzt. Aber daran seht ihr, wie absurd die Idee ist, dass ihr einem Spitzenkoch nichts Leckeres servieren könnt.
Liebe Menschen in meiner Umgebung, ich möchte euch – und alle Leser, die glauben, sie müssten mit jeder Einladung zur Höchstform auflaufen – beruhigen. Ich behaupte, dass man nicht nur mich, sondern alle Gourmets in eurem Freundeskreis direkt im Herzen erreichen kann: mit einfachen, hochwertigen Produkten und schlichten Zubereitungen. Wenn die Produkte so gut sind, dass sie es verdienen, im Mittelpunkt zu stehen, wird das Essen köstlich. Und wenn sich dann noch die Gastgeber entspannen, können wir alle zusammen einen schönen Abend genießen. Denn es ist so einfach: eine großartige Pasta, auf den Punkt gekocht, eine schöne Sauce dazu, fertig! Ein pures Schnitzel, was will man mehr? Es sind und bleiben die einfachen und klaren Dinge, die auch den Spitzenkoch und viele andere mit hohem Anspruch glücklich machen.
Deswegen möchte ich dieses Buch ganz schlicht mit einem Schnittlauchbrot beginnen. Ein Schnittlauchbrot, so simpel es klingt, ist eine Weltspezialität und zeigt, was wir mit Deutschland verbinden: die Kunst des Brotbackens, die gute Butter und den Schnittlauch, dessen Aromen so gar nicht mediterran, sondern nordisch schmecken, nach Heimat. Wenn man das noch etwas pimpen möchte, dann ist ein hervorragender, dünn aufgeschnittener Schinken eine wunderbare Ergänzung. Ganz klar – mehr braucht es nicht.
Dieses Buch steht für alle »Mehr-braucht’s-nicht-Momente«, für die Reduzierung auf das Wesentliche und gleichzeitig für die Liebe zum Essen – und zum Kochen. Denn wenn ich mich dafür stark mache, dass wir uns auf dem Teller auf das Wesentliche beschränken, dann ist es nur konsequent, das auch bei der Zubereitung, beim Handwerk, zu tun.
Deswegen sind die Kapitel in diesem Buch nach Zubereitungsarten geordnet. Denn wenn ich ein Produkt im Topf zubereite, entwickelt es sich geschmacklich ganz anders als zum Beispiel im Ofen. Auch die Pfanne hat ihre klaren Vorteile gegenüber dem Topf – und umgekehrt. Jede Zubereitungsart führt zu anderen Ergebnissen, und der pointierte Moment auf dem Teller, die Konzentration aufs Wesentliche, ist ohne den konzentrierten Moment in der Küche undenkbar.
Und gehen wir in der Timeline des guten Essens noch einen weiteren Schritt zurück: Vor dem Moment in der Küche steht die Produktauswahl. Sie ist das A & O. Ich kann es gar nicht oft genug sagen: Ein Gericht wird nicht besser, weil es viele teure Produkte enthält, nein, es wird köstlich, wenn die Produkte hochwertig sind. So wechseln auch in diesem Buch Gerichte mit ganz einfachen, preiswerten Produkten ab mit teureren, die man sich sicher nicht täglich leistet. Rezepte mit Pasta, Brot und Gemüse sollen und dürfen neben Rezepten mit Trüffel, Kaviar oder außergewöhnlichen Krustentieren stehen – ein Unterschied im Preis, aber nicht in der Qualität.
Echte Gourmets orientieren sich nicht am Wert eines Gerichtes, sondern am Geschmack. Denn was kann ich am meisten genießen? Klare, konzentrierte Gerichte, einen Kochstil, den ich gern »minimalistische Opulenz« nenne. Wenn ein Gericht keine versteckten Rätsel enthält, dann kann ich mich entspannen … am liebsten übrigens bei einer Einladung von Freunden.
So viel wie nötig, so wenig wie möglich
So viel wie nötig, so wenig wie möglich – das ist meine Devise beim Kapitel »Roh«. Das klingt erst mal einfach. Aber tatsächlich ist es eine Herausforderung, ein Produkt möglichst ursprünglich zu servieren. Denn auch wenn ich es roh belassen möchte, soll ja ein komplettes Gericht entstehen. Um das Produkt zu verwandeln, steht mir nun nur mein Geschick beim Würzen und Aromatisieren zur Verfügung. Das Tolle daran ist: Ohne Einfluss von Hitze – ob durch Pfanne, Herd, Topf oder Backofen – ist die Aromendichte eines Tellers eine ganz andere, das Gericht ist ein Stück echter. Ich bin von diesen Zubereitungen gerade unglaublich fasziniert.
In diesem Kapitel entstehen sehr klare, puristische Spezialitäten und Gerichte, die zwischen dem intellektuellen Anspruch der japanischen Küche und dem Trend zu Carpaccio, Ceviche und Tatar pendeln.
Frisches Schnittlauchbrot mit Fassbutter und Bauernspeck
FÜR 2 PERSONEN
FÜR DAS SCHNITTLAUCHBROT
3–4 Scheiben dunkel gebackenes Sauerteigbrot
2–3 EL Fass-oder Süßrahmbutter
2 Bund Schnittlauch,gewaschen und unmittelbar vor dem Servieren in feine Ringe geschnitten
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