Dagegen ist es nicht per se unzulässig, wenn ein Bieter oder Bewerber vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber berätoder anderweitig unterstützt, soweit der Wettbewerb durch die Teilnahme des Bieters oder Bewerbers nicht verfälscht wird. 9
Das Wettbewerbsgebot fordert zudem einen Geheimwettbewerbzwischen den an der Ausschreibung teilnehmenden Bietern. Aufgrund dessen kann dasselbe Unternehmen nicht sowohl als einzelner Bieter als auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft an einem Vergabeverfahren beteiligt sein.
Fall 2:Aus Alt mach Neu
Sachverhalt:
Die Stadt H hat die Lieferung von Kopiertechnik für die Schulverwaltung beschränkt ausgeschrieben. Dabei wurden fünf Bieter zur Angebotsabgabe aufgefordert. Die Firma „Aus Alt mach Neu“ GmbH legte ein Angebot über sogenannte „Rebuild-Geräte“ vor, die sich dadurch auszeichneten, dass Teile der Geräte bereits in einem vorherigen Produktionsverfahren hergestellt worden waren, so dass bei ihnen nicht der vollständige Erzeugungsaufwand realisiert werden musste und die Produktionskosten somit geringer ausfielen als bei Neugeräten. Die Mitbewerber boten hingegen allesamt fabrikneue Geräte an. Die Abgabe von Nebenangeboten war ausgeschlossen worden. Bei der Vergabeentscheidung wurde das Angebot über die Rebuild-Geräte nicht berücksichtigt. Zu Recht?
Lösung:
Eine Gegenüberstellung der Rebuild-Geräte mit den neuen Geräten der anderen Anbieter ergibt, dass es sich hier um einen evidenten Unterschied handelt, der eine Vergleichbarkeit der Angebote i. S. v. § 23 Abs. 1 UVgO nicht zulässt. Anderenfalls käme es zu einer unzulässigen Wettbewerbsbeeinflussung. Das Angebot hätte lediglich als Nebenangebot berücksichtigt werden können. Gem. § 25 UVgO muss der Auftraggeber allerdings Nebenangebote ausdrücklich zulassen; tut er dies – wie im vorliegenden Fall – nicht, sind Nebenangebote unzulässig. Das hat zur Folge, dass ein dennoch abgegebenes Nebenangebot gem. § 42 Abs. 1 Nr. 6 UVgO zwingend auszuschließen ist. Die Nichtberücksichtigung erfolgte somit zu Recht.
Fall 3:Kein Auftrag trotz Wissensvorsprungs
Sachverhalt:
Die Stadt V möchte ihren Flughafen ausbauen und beauftragt die Anlagenbau GmbH mit der Ausschreibung eines ersten Bauabschnittes. Vor Submission besichtigte einer der Bieter, die Großbau GmbH, den betroffenen Teil des Flughafens in Begleitung eines Vertreters der Anlagenbau GmbH sowie eines Vertreters der auf einem Teil des Flugplatzes ansässigen Bundeswehr. Letzterer erklärte, dass eine bestimmte Erdaufschüttung im Rahmen der Bauarbeiten zur Errichtung der Befeuerungsanlagen beseitigt werde und die Kosten hierfür nicht in das Angebot einzubeziehen seien. Die Auftraggeberin und der Mitbieter, die Grundbau GmbH, wurden vom Ergebnis der Besichtigung nicht informiert. Bei Submission stellte sich heraus, dass das Angebot der Grundbau GmbH i. H. v. 1.200.000 € auch die Beseitigung der Erdaufschüttung umfasste, das Angebot der Großbau GmbH i. H. v. 1.050.000 € hingegen nicht. Daraufhin wurde entschieden, beide Angebote ohne die besagte Position zu werten, was dazu führte, dass nun das Angebot der Grundbau GmbH preisgünstiger war und schließlich den Zuschlag erhielt. Die Großbau GmbH beantragte hiergegen ein Nachprüfungsverfahren. Ist dieses begründet?
Lösung:
Die hier erteilte Auskunft bzgl. der Erdaufschüttung ist eine wichtige Aufklärung, da sie den Leistungsumfang bestimmt und somit unerlässliche Kalkulationsgrundlage ist. Sie hätte somit auch der Grundbau GmbH unverzüglich mitgeteilt werden müssen. Das Unterlassen dieser Mitteilung stellt zugleich einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar, denn die Grundbau GmbH verfügte nicht über die gleichen Informationen für die Angebotserstellung. Auch die anschließende Herausnahme der betreffenden Position war unzulässig, da die Angebote im Rahmen der Angebotswertung mit ihren Inhalten verbindlich sind. Sie stellen eine Willenserklärung i. S. von § 145 BGB dar. Die Vergabe war somit in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig. Der Antrag erweist sich als begründet.
3.Gleichbehandlungsgrundsatz
§ 97 Abs. 2 GWB verpflichtet die öffentlichen Auftraggeber, alle Teilnehmer in allen Phasen des Verfahrens gleich zu behandeln und ihnen gleiche Chancen beim Zugang zum Wettbewerb zu gewähren. Eine Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Teilnehmer darf nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen erfolgen und muss auf nachvollziehbaren, auftragsbezogenen Erwägungen beruhen. Der so normierte Gleichbehandlungsgrundsatz (Diskriminierungsverbot ) 10ist damit einfachgesetzlicher Ausdruck des allgemeinen gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 18 AEUV). Er gilt somit unabhängig von der Anwendbarkeit des GWB und der Erreichung der Schwellenwerte nach der Vergabeverordnung bei sämtlichen Beschaffungsvorgängen der öffentlichen Hand.
Den Auftraggebern ist es untersagt, einzelne Anbieter zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Dies verbietet nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit 11, sondern auch alle Formen versteckter bzw. mittelbarer Diskriminierung,die bei Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale de facto – wenn auch subtiler – zum selben Ergebnis führen. 12
Fall 4:Unzulässige Diskriminierung?
Sachverhalt:
Die Ausschreibung einer sächsischen Stadt, die Erd- und Abbrucharbeiten sowie Altlastenbeseitigung umfasst, enthält als Mindestbedingung in der Bekanntmachung unter anderem folgendes Erfordernis: „Standortnachweis Produktionsstätten Neue Bundesländer“. Ist dies zulässig?
Lösung:
Eine solche Ausschreibung ist rechtswidrig. Der Standort ist kein Kriterium, das einen Nachweis für die Eignung eines Bieters darstellt. Es liegt somit ein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A vor, wonach der Wettbewerb nicht auf Unternehmen, die in einer bestimmten Region ansässig sind, beschränkt werden darf. Es handelt sich hierbei um eine Ausprägung des allgemeinen Diskriminierungsverbots.
Der Auftraggeber muss allen Bietern gleichzeitig die gleichen Informationen zukommen lassen und ihnen die Chance geben, innerhalb gleicher Fristen und zu gleichen Anforderungen Angebote abzugeben und an nachträgliche Änderungen der Auftragsbedingungen anzupassen. Daher wäre es etwa unzulässig, wenn die Vergabestelle als Termin der Angebotsabgabe einen vor dem Eröffnungstermin liegenden Tag bestimmt, dann aber die Angebotsfrist bis zum Eröffnungstermin verlängert, ohne sämtliche Bieter zu informieren bzw. (nach der neuen Frist) verspätete Angebote zu werten. Ebenso müssen von den Auftragsbedingungen abweichende und (zumindest grundsätzlich auch) verspätete Angebote vom Wettbewerb ausgeschlossen werden.
Das Gleichbehandlungsgebot ist ebenfalls verletzt, wenn der Auftraggeber Nebenangebote wertet, obwohl diese in der konkreten Vergabe nicht zugelassen sind. Die Bieter sind an ihre Angebote gebunden und dürfen diese nicht nachträglich ändern und ergänzen. 13Der Gleichbehandlungsgrundsatz fordert zudem eine marken- und produktneutrale Ausschreibung. 14
Eine Diskriminierung liegt hingegen nicht vor, wenn die unterschiedliche Behandlung sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßigist. So kann es u. U. gerechtfertigt sein, für den Fall der Auftragserteilung eine Präsenz vor Ort zu verlangen, z. B. bei einem Auftrag zur Bauüberwachung, oder die Ausschreibung eines Baugrundstücks für ein Verwaltungsgebäude auf das Gemeindegebiet beschränken. 15Auch die Mitteilung abweichender Zielvorstellungen in verschiedenen Ausschreibungen zum selben Auftragsgegenstand kann aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein. 16
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