a) Spieler, Strategien und Auszahlungen
Zur Beschreibung eines nichtkooperativen Spiels im Sinne der Spieltheorie muss festgelegt werden, wer die Beteiligten an einer solchen strategischen Entscheidungssituation sind, d.h. es muss definiert werden, wer die „Spieler“ sind. Weiterhin müssen die Handlungsmöglichkeiten bzw. die Strategien der Spieler beschrieben werden und drittens ist zu bestimmen, welche Ergebnisse mit den verschiedenen Strategien der Spieler, so genannten Strategiekombinationen, verknüpft sind. Diese drei Komponenten werden in der Spieltheorie als die Spielermenge, die Strategienmengen der Spieler sowie deren Auszahlungsfunktionen bezeichnet. In einem oligopolistischen Markt mit Preiswettbewerb besteht die Spielermenge aus den Oligopolisten, die Strategienmenge eines jeden Unternehmens aus allen möglichen Preisen, die das Unternehmen verlangen könnte, und die Auszahlungsfunktion eines Spielers gibt für jede mögliche Kombination der Strategien, d.h. der von den Oligopolisten gesetzten Preise, seine Auszahlung, z.B. seinen Gewinn an. In einem oligopolistischen Markt mit den drei Unternehmen A, B und C, die mittels Preisen konkurrieren, beschreibt die Auszahlungsfunktion des Unternehmens A seinen Gewinn in Abhängigkeit der von den drei Unternehmen A, B und C gesetzten Preise.72 Die Auszahlungsfunktion verbindet also die Strategien mit den Resultaten, die sich aus der strategischen Interaktion ergeben. So wird bei Preiswettbewerb auf einem Markt mit einem homogenen Gut im Allgemeinen davon auszugehen sein, dass die Konsumenten tendenziell bei der Unternehmung kaufen, die den niedrigeren Preis verlangt. Im Ergebnis wird also die Unternehmung, die den höheren Preis verlangt, ihr Produkt nicht absetzen können, also keinen oder nur einen geringen Gewinn erwirtschaften, während die Konsumenten ihren Bedarf bei der anderen Unternehmung decken. Die Gewinne eines jeden Unternehmens hängen also von den Strategien aller Unternehmen im Markt ab. Mittels der Auszahlungsfunktionen wird also die strategische Interdependenz zwischen den Spielern erfasst.
Neben der formalen Beschreibung eines Spiels ist zu untersuchen, welches Ergebnis sich einstellen wird, bzw. welche Strategien die Spieler wählen. Eine allgemeine Aussage über das Resultat eines Spieles ist ein sogenanntes „Lösungskonzept“. Das in der Theorie nichtkooperativer Spiele zentrale Lösungskonzept ist das des Nash-Gleichgewichts.73 Bei diesem Gleichgewicht handelt es sich um eine Strategienkombination, bei der keiner der Spieler einen Anreiz hat, einseitig, d.h. bei gegebenen Strategien der anderen Spieler, von seiner Strategie abzuweichen. Die Strategien sind also wechselseitig beste Antworten. Ein Nash-Gleichgewicht hat daher die Eigenschaft, anreizkompatibel zu sein.
Die Idee des Nash-Gleichgewichts kann anhand einer einfachen strategischen Entscheidungssituation mit 2 Spielern, A und B, illustriert werden, die jeweils über 3 Strategien verfügen. Der Spieler A kann zwischen den Strategien 1, 2 und 3, der Spieler B zwischen den Strategien a, b und c wählen. Die Resultate der neun möglichen Strategiekombinationen werden in einer so genannten Auszahlungsmatrix zusammengefasst, die in den einzelnen Zellen die Auszahlungen angibt, die jeder Spieler bei jeder möglichen Strategienkombination erhält. Dabei bezeichnet die erste Zahl die Auszahlung für den Spieler A, die zweite die für den Spieler B. Der Spieler A kann also die Zeile der Matrix wählen, der Spieler B die Spalte.
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B |
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a |
b |
c |
A |
1 |
32,32 |
41,30 |
48,24 |
2 |
30,42 |
40,40 |
50,36 |
3 |
24,48 |
36,50 |
48,48 |
Das Nash-Gleichgewicht dieses Spiels ist durch die Strategienkombination 1,a gegeben, da nur bei dieser kein Spieler einen Anreiz hat, einseitig von seiner Strategie abzuweichen. Bei jeder anderen Strategienkombination würde entweder Spieler A oder Spieler B seine Strategie ändern wollen. So würde z.B. bei der Kombination 3,c der Spieler A lieber die Strategie 2 wählen, vorausgesetzt Spieler B bleibt bei der Strategie c. Das Nash-Gleichgewicht in diesem Spiel macht deutlich, dass die Verfolgung der individuellen Interessen dazu führen kann, dass sich im Gleichgewicht ein Ergebnis einstellt, das für beide Spieler nicht optimal ist. Die Strategienkombinationen 2,b oder 3,c geben beiden Spielern höhere Auszahlungen, aber sie bilden kein Nash-Gleichgewicht, da jeder Spieler einen Anreiz hat, davon abzuweichen. Individuelle und kollektive Rationalität können also sehr verschieden sein, wie in dem hier dargestellten Fall eines Gefangenendilemmas. Hier gibt es genau ein Nash-Gleichgewicht, es können jedoch auch Fälle eintreten, in denen es mehrere Strategienkombinationen gibt, die ein Nash-Gleichgewicht bilden, oder keine Strategienkombination existiert, die die Bedingungen für ein Nash-Gleichgewicht erfüllt. In diesen Fällen kann dann entweder keine eindeutige Aussage über das zu erwartende Resultat getroffen werden, oder eine Prognose ist nicht möglich.74
2. Gleichgewichte auf oligopolistischen Märkten
Das Konzept des Nash-Gleichgewichtes kann dazu verwendet werden, das Marktergebnis bei oligopolistischem Wettbewerb zu untersuchen.75 Ein wichtiger Aspekt oligopolistischen Wettbewerbs betrifft die von den Unternehmen eingesetzten Wettbewerbsparameter, d.h. ihre Strategien. Dabei wird in der Regel zwischen Preis- und Mengenwettbewerb unterschieden. Der Grund für eine solche Unterscheidung liegt vor allem darin, dass in bestimmten Industrien die Mengenentscheidung, z.B. aufgrund der gewählten Produktionskapazität, nur schwer revidiert werden kann, während der Preis ohne größere Probleme den Marktverhältnissen so angepasst werden kann, dass die produzierte Menge auch abgesetzt wird, wie das z.B. bei homogenen Massengütern wie Zement, Beton, oder Getreide der Fall ist. Diese Industrien sind also eher durch Mengenwettbewerb gekennzeichnet, der auch als Cournot-Wettbewerb bezeichnet wird.76 In anderen Branchen hingegen ist eine Preisanpassung kurzfristig nur schwer möglich oder sehr kostspielig, weil z.B. umfangreiche Kataloge gedruckt wurden. Hier kann allerdings die Menge häufig recht schnell variiert werden, indem man z.B. von anderen Herstellern bezieht. In solchen Industrien würde man also eher einen Preiswettbewerb, einen sogenannten Bertrand-Wettbewerb erwarten.77 Anders als beim Monopol spielt der Wettbewerbsparameter in einem Oligopol für das Marktergebnis eine wichtige Rolle. Die folgende Darstellung geht davon aus, dass zwischen den Oligopolisten keine Verhaltensabstimmung bzw. Kollusion stattfindet oder anderweitige Vereinbarungen etc. getroffen werden und es wird unterstellt, dass kein Marktzutritt in diesen Markt erfolgt. Die Oligopolisten verhalten sich, gegeben die Marktstruktur und die Wettbewerbsparameter, wettbewerblich, berücksichtigen bei ihren Entscheidungen jedoch die strategischen Interdependenzen. Die Bedingungen, unter denen eine Verhaltenskoordination auftreten kann, werden auf den Seiten 458–522 untersucht.
a) Bertrand-Wettbewerb: Preiswettbewerb mit homogenen Gütern
In einem Markt, in dem die Unternehmen ein homogenes Produkt herstellen, keinen Kapazitätsbeschränkungen unterliegen, mit konstanten und gleichen Stückkosten produzieren und der Wettbewerbsparameter der Preis ihres Produktes ist, führt das Nash-Gleichgewicht zur gleichen Menge und zum gleichen Preis wie im Fall des vollkommenen Wettbewerbs.78 Im Bertrand-Modell mit homogenen Gütern verlangt jedes Unternehmen im Nash-Gleichgewicht einen Preis, der den Grenzkosten bzw. den Stückkosten entspricht.79 Der Grund dafür kann am Beispiel mit zwei Unternehmen verdeutlicht werden. Würde ein Unternehmen seinen Preis unter denjenigen senken, der seinen Grenzkosten entspricht, also unter den Preis, der bei vollkommenem Wettbewerb herrschen würde, dann könnte es zwar die gesamte Nachfrage auf sich ziehen, würde aber einen Verlust erwirtschaften. Ein Abweichen mit dem Preis nach unten wäre also nicht lohnend. Würde es dagegen einen höheren Preis verlangen, dann könnte das Unternehmen nichts mehr absetzen, denn alle Konsumenten würden nun beim günstigeren Konkurrenten kaufen. Es besteht daher auch kein Anreiz, mit dem Preis nach oben abzuweichen. Da also kein Unternehmen einen Anreiz hat, einseitig seine Strategie zu ändern, handelt es sich bei diesen Preisen um ein Nash-Gleichgewicht. Man könnte sich auch vorstellen, dass sämtliche Unternehmen den gleichen Preis verlangen, der aber über den Grenzkosten liegt. In diesem Fall könnten die Unternehmen einen positiven Gewinn erwirtschaften. Aber ein solcher Preis wäre kein Nash-Gleichgewicht, denn würde ein Unternehmen seinen Preis geringfügig senken, dann könnte es die gesamte Nachfrage auf sich ziehen und dadurch einen deutlich höheren Gewinn erzielen – der Gewinn pro Stück wäre fast gleich geblieben, aber die abgesetzte Menge hätte drastisch zugenommen. Das andere Unternehmen würde „leer“ ausgehen und hätte seinerseits nun wieder einen Anreiz, seinen Preis unter den des Konkurrenten zu senken, um die gesamte Nachfrage an sich zu ziehen. Diese Überlegungen machen deutlich, dass sich im Nash-Gleichgewicht die gleichen Preise, Mengen und Gewinne ergeben wie bei vollkommenem Wettbewerb. Entscheidend für diesen starken Wettbewerbsdruck zwischen den Unternehmen ist die Reaktion der Nachfrage auf eine Preisänderung: Eine kleine Preissenkung unter den Preis des Konkurrenten führt zu einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage, eine Preiserhöhung über den Preis des Konkurrenten führt zu einem völligen Verlust jeglicher Nachfrage.
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