Das Ergebnis in einem Markt mit Mengenwettbewerb hängt auch von der Zahl der im Markt aktiven Unternehmen ab. Gäbe es nicht nur zwei, sondern vier gleiche Unternehmen im Markt, dann beträfen die Auswirkungen einer Mengenerhöhung eines Unternehmens jetzt nur noch zu 25 % das eigene Unternehmen –75 % des Effektes entfielen auf die anderen drei Unternehmen und werden bei einer Entscheidung nicht berücksichtigt. Ein Unternehmen würde daher eine größere Menge anbieten, da der Preissenkungseffekt von geringerer Bedeutung wäre. Je größer die Anzahl der Unternehmen im Markt ist, desto geringer ist der Anteil des Effektes, der auf das eigene Unternehmen entfällt. Dies legt die Vermutung nahe, dass mit wachsender Zahl der Unternehmen auch insgesamt eine größere Menge angeboten wird. Man kann zeigen, dass im Fall einer sehr großen Zahl von Unternehmen das Marktergebnis dem bei vollkommenem Wettbewerb entspricht.87 Umgekehrt gilt natürlich, dass bei einer geringeren Zahl von Unternehmen die am Markt angebotene Menge abnimmt und im Grenzfall mit einem Unternehmen der Monopolmenge entspricht. Zunehmende Konzentration in einem Markt mit Mengenwettbewerb geht also mit geringeren Mengen und steigenden Preisen einher.
d) Bertrand-Wettbewerb mit differenzierten Gütern
Die bisher getroffene Annahme homogener Güter ist zur Beschreibung vieler Märkte weniger geeignet, denn die meisten Güter, auch wenn sie sich sehr ähnlich sind, unterscheiden sich in gewissen Aspekten, sind also nicht vollkommen homogen. Daher wird im Folgenden die Analyse oligopolistischer Gleichgewichte auf den Fall differenzierter Güter übertragen.88 Im Bertrand-Modell mit homogenen Gütern führte die große Preiselastizität der Nachfrage zum gleichen Resultat wie bei vollkommenem Wettbewerb. Bei differenzierten Gütern hingegen ist die Preiselastizität der Nachfrage deutlich geringer, da die Nachfrager, ähnlich wie im Modell der monopolistischen Konkurrenz, unterschiedliche Präferenzen für die Varianten des Gutes haben.89 Ein Konsument wäre daher nicht so leicht bereit, die von ihm präferierte Variante durch eine andere zu substituieren – differenzierte Güter sind nur unvollkommene Substitute. Wenn nun ein Unternehmen den Preis seines Produktes erhöht, dann weichen nicht mehr alle Konsumenten auf andere Güter aus, sondern nur diejenigen, deren Präferenz für das betrachtete Gut am wenigsten ausgeprägt ist, die marginalen Konsumenten. Dem Unternehmen verbleibt eine gewisse „Stammkundschaft“, die das Produkt selbst bei gestiegenem Preis weiterhin erwirbt und der gegenüber er über eine gewisse „Marktmacht“ verfügt. Die Anzahl der marginalen Nachfrager hängt natürlich auch vom Ausmaß der Preiserhöhung ab – je stärker die Preissteigerung, desto mehr Konsumenten werden auf Substitute ausweichen. Die geringere Preiselastizität der Nachfrage bei differenzierten Gütern erlaubt es einem Unternehmen, einen Preis zu verlangen, der über dem Wettbewerbspreis liegt, ohne gleich die gesamte Nachfrage zu verlieren.
Wenn nun ein Unternehmen den Preis für sein Produkt erhöht, würden einige Nachfrager auf Substitute ausweichen und die Nachfrage nach diesen Substituten würde zunehmen. Diese Unternehmen könnten daher eine größere Menge absetzen. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage würden sie nun ihrerseits auch den Preis ihres Produktes etwas anheben. Diese Preiserhöhung wird geringer ausfallen, als die anfängliche ihres Konkurrenten.90 Analog kann man bei einer Preissenkung eines Unternehmens argumentieren: Senkt ein Unternehmen den Preis seines Produktes um einen bestimmten Betrag, dann wird das Unternehmen nur einen Teil der Kunden anderer Unternehmen dazu bewegen können, zum günstiger gewordenen Produkt zu wechseln. Viele Nachfrager werden jedoch weiterhin die relativ teurer gewordenen Produkte der Konkurrenten erwerben. Da aber die Nachfrage für diese Unternehmen zurückgegangen ist, werden diese, um den Nachfragerückgang auszugleichen, ihre Preise ebenfalls etwas senken, allerdings nicht im gleichen Maße, denn sie verfügen über eine „Stammkundschaft“, die nicht so leicht bereit ist, zu einem für sie unvollkommenem Substitut zu wechseln, selbst wenn dieses etwas günstiger ist. Die Preisreaktionen der Oligopolisten verlaufen also in die gleiche Richtung: Bei einer Preiserhöhung eines Unternehmens werden die Konkurrenten ihre Preise ebenfalls etwas anheben, bei einer Preissenkung müssen sie mit ihren Preisen ebenfalls heruntergehen. Die Preise im Bertrand-Modell mit differenzierten Gütern werden daher als strategische Komplemente bezeichnet.91
Ein Nash-Gleichgewicht in einem oligopolistischem Markt mit differenzierten Gütern und preissetzenden Unternehmen besteht also aus einer Strategienkombination in Form einer Liste von Preisen, bei denen kein Unternehmen ein Interesse daran hat, den eigenen Preis zu senken oder zu erhöhen, wenn die anderen Unternehmen ihre Preise nicht ändern. Die Preise im Gleichgewicht werden über den Grenzkosten liegen, weil die Güter nur unvollkommene Substitute sind und die Unternehmen daher gegenüber ihrer „Stammkundschaft“ über eine gewisse Marktmacht verfügen. Dabei ist die Abweichung von den Grenzkosten eng mit dem Grad der Substituierbarkeit der Güter verknüpft: Bei vollkommenen Substituten ergibt sich wieder das Resultat des ursprünglichen Bertrand-Modells, d.h. Wettbewerbspreise in Höhe der Grenzkosten. Nimmt der Differenzierungsgrad zwischen den Gütern zu, werden die Preise für die Güter steigen – im Grenzfall, d.h. wenn die Güter überhaupt nicht mehr substituierbar sind, ist jedes Unternehmen Monopolist in Bezug auf sein Gut und wird den Monopolpreis verlangen. Man kann aus diesen Überlegungen die folgenden Schlüsse ziehen: 1. Je höher der Preis eines Unternehmens, desto höher werden die Preise der Konkurrenten sein; 2. je enger die Substituierbarkeit zwischen den Gütern, desto niedriger sind die Preise.
e) Cournot-Wettbewerb mit differenzierten Gütern
Die Unterschiede zwischen einem Modell des Mengenwettbewerbs mit differenzierten Gütern und einem mit einem homogenen Gut sind gering und hängen vom Differenzierungsgrad ab: Je engere Substitute die Güter sind, desto ähnlicher ist das Marktergebnis dem bei einem homogenen Gut, d.h. dem ursprünglichen Cournot-Modell.92 Je größer der Differenzierungsgrad, d.h. je schlechtere Substitute die Güter sind, desto unabhängiger sind die Oligopolisten von einander, desto höher sind die resultierenden Preise und desto geringer die angebotenen Mengen. Im Grenzfall der völligen Unabhängigkeit der Güter ist jedes Unternehmen Monopolist bezüglich des von ihm angebotenen Gutes und wird die Monopolmenge zum Monopolpreis anbieten.
f) Weitere Modelle oligopolistischen Wettbewerbs
In den bisher dargestellten Modellen oligopolistischen Wettbewerbs wurde implizit davon ausgegangen, dass die Unternehmen ihre Preis- bzw. Mengenentscheidungen in Unkenntnis der Entscheidungen ihrer Konkurrenten treffen bzw. dass sie simultan über Preise und Mengen entscheiden. Es können jedoch auch Situationen auftreten, in denen erst ein Unternehmen seine Preis- oder Mengenentscheidung trifft und dann die anderen Oligopolisten, in Kenntnis dieser Entscheidung, ihre Strategien wählen.93 Die Gründe dafür, dass ein Unternehmen zum Preis- oder Mengenführer wurde, können darin liegen, dass es durch eine erfolgreiche Innovation als erstes in einen Markt eingetreten ist und die anderen Unternehmen als Nachzügler erst nach dem Preis- oder Mengenführer agieren können.
Ein preisführendes Unternehmen kann bei seiner Preispolitik die Reaktionen der Konkurrenten in sein Entscheidungskalkül miteinbeziehen, während die Konkurrenten den vom Preisführer gesetzten Preis als gegeben hinnehmen müssen.94 Offensichtlich spielt es bei Preiswettbewerb mit einem homogenen Gut keine Rolle, ob die Preise simultan oder sequentiell gesetzt werden, das Ergebnis wird immer das gleiche sein wie bei vollkommenem Wettbewerb. Bei differenzierten Gütern ist die Situation jedoch eine andere: Der Preisführer muss damit rechnen, dass der Preisfolger den von ihm gesetzten Preis etwas unterbieten wird, um sich einen größeren Teil der Nachfrage zu sichern.95 Er wird dieses Verhalten des Preisfolgers antizipieren und daher von vornherein einen höheren Preis verlangen als bei simultaner Preissetzung. Dieser höhere Preis bietet dem Preisfolger nun die Möglichkeit, seinen Preis ebenfalls zu erhöhen, was wiederum einen positiven Effekt auf die Nachfrage für den Preisführer hat. Durch diese insgesamt höheren Preise wird der Wettbewerb in diesem Markt stärker beschränkt als bei simultaner Preissetzung und beide Unternehmen realisieren dadurch höhere Gewinne. Dabei erhält der Preisführer, aufgrund der Tatsache, dass der Preisfolger ihn etwas unterbieten kann, einen geringeren Gewinn als der Preisfolger. Dieses Modell macht deutlich, dass es bei Preiswettbewerb im Interesse aller Unternehmen liegt, ein Unternehmen als Preisführer zu akzeptieren, da sich hierdurch alle Unternehmen einen höheren Gewinn sichern können.96 Allerdings wäre jedes Unternehmen lieber Preisfolger, da dieser einen höheren Gewinn realisierten kann als der Preisführer.97
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