In diesem Augenblick tauchte der Körper unmittelbar neben den beiden auf. Gary verfluchte seinen Heldenmut und Blacky gleichzeitig mit, der ihn dazu animiert hatte.
Aber das Tier zeigte sich sehr gesellig, und es war keinesfalls scheu. Ganz langsam und sehr dicht schwamm es neben ihnen her und stieß hin und wieder dieses keckernde Geräusch aus, das sich anhörte, als wolle das Tier ihnen etwas mitteilen.
Es umkreiste sie und schien zu lachen. jedenfalls sah es so aus.
Blacky tastete vorsichtig mit der Hand zu dem geschmeidigen glatten Leib hinüber und erwartete, daß der Delphin jetzt erschreckt auf die Berührung reagieren würde. Doch das Tier störte sich nicht im mindesten daran, es empfand die Berührung eher als angenehm.
„Der hat schon öfter mit Menschen zu tun gehabt“, sagte Blacky überzeugt. „Los, wir reiten mal auf dem Kollegen.“
Ohne Garys Antwort abzuwarten, griff Blacky nach der gebogenen Rückenflosse und hielt sich fest. Gary packte die Schwanzflosse. Der Delphin hielt still, es schien ihm zu gefallen, und er ließ zu, daß sich Blacky auf seinen Rükken schwang.
Vom Schanzkleid aus wurde das von den Seewölfen mit lautem Beifall quittiert.
Auch Gary Andrews verlor nun seine letzte Scheu vor dem Tier, das wieder laute gluckernde Geräusche von sich gab und sich dann in Bewegung setzte. Zuerst langsam, dann schneller, glitt der Delphin los, auf dem Rücken den grinsenden Blacky, an der Schwanzflosse Gary Andrews, der in seinem ganzen Leben noch nie so schnell geschwommen war wie jetzt, da der Delphin ihn zog.
Erst als sie drei, vier Kabellängen von der „Isabella“ entfernt waren, wurde es Gary mulmig.
„Wenn der noch weiter schwimmt“, rief Gary, „dann wird es riskant für uns. Der Bursche setzt uns weit draußen ab, und dann können wir zurückschwimmen.“
Seltsam – als hätte der Delphin die Worte verstanden, drehte er langsam um und nahm wieder Kurs auf die „Isabella“. Erst dicht vor der Bordwand stoppte er und ging dann langsam in die Tiefe.
„Mann, das gibt’s doch gar nicht“, sagte der Profos oben vom Schanzkleid und schüttelte verwundert den Kopf. „Der ist ja zutraulicher als unser Arwenack.“
Jetzt, nachdem sich ihnen dieses Schauspiel geboten hatte, wollten auch Hasards Söhne nicht länger zurückstehen. Noch ehe Carberry sie hindern konnte, sprangen sie über Bord, um an dem Spielchen teilzuhaben. Des Profoses Fluch verhallte ungehört. Er warf eine Leine über die Bordwand und ließ Gary und Blacky aufentern.
„Und ihr auch!“ rief Ed den Zwillingen zu, doch die schienen ihn nicht zu hören.
„Laß sie doch“, meinte Blacky, „das Tier ist wirklich ganz zahm. Es tut ihnen nichts.“
Die Zwillinge tollten schon herum, als der Delphin sich spielerisch vor ihnen tummelte. So, wie sie es bei Blacky und Gary gesehen hatten, ließen auch sie sich von dem gutmütigen Tier durchs Wasser schleifen und brüllten begeistert, als der Delphin sie in einem weiten Bogen wieder zurückbrachte.
„Los, unter der ‚Isabella‘ durch“, sagte Hasard junior. „Das schaffen wir spielend.“
„Einverstanden!“ rief Philip begeistert.
Vor ihnen glitt der Delphin in fünf, sechs Yards Tiefe als grünlicher Schatten dahin, als wolle er sie führen.
Die Zwillinge tauchten noch tiefer, über sich den Rumpfboden der „Isabella“ wie ein drohender Schatten.
Die zehn Yards schafften sie spielend, erst dicht bei der Feluke wurde ihnen die Luft knapp, und sie tauchten auf. Niemand sah sie, außer den Männern, die noch immer oben am Schanzkleid standen und auf das Händlerschiff blickten.
Ibrahim und seine bunten Gesellen waren damit beschäftigt, den Seewölfen Lampenöl zu verkaufen und andere Sachen zu verschachern.
Der Delphin kehrte wieder zurück, umkreiste sie einmal und glitt dann weiter an der Feluke entlang.
Die Zwillinge verstanden sich auch ohne Worte, blickten sich nur an und tauchten am Heck der Feluke erneut. Dort entdeckten sie etwas, das sie in Staunen versetzte.
Unter Wasser, neben dem Ruderblatt, befand sich ein halbschräg nach oben führender dunkler Schacht, für den Hasard und sein Bruder keine Erklärung fanden. Abwechselnd spähten sie hinein, aber es ließ sich nur erahnen, daß dieser eingebaute Schacht irgendwo wieder, vielleicht durch einen Senkkasten, an Deck der Feluke führen mußte.
Im festen Glauben, wieder etwas entdeckt zu haben, tauchten sie auf und schnappten nach Luft. Dann zeigte Philip nach unten.
Als sie wieder tauchten, um das Geheimnis näher zu ergründen, glitt der Delphin dicht vor ihnen in die Öffnung. Er paßte bequem hinein, nur seine Schwanzflosse ragte noch ein Stück heraus. Sie hörten deutlich, wie er mit der Schnauze an Holz stieß und dieses Anstoßen noch dreimal wiederholte, dann glitt er aus dem Kasten und zog sich zurück.
Hasard blickte mit weit geöffneten Augen in die schiefe Ebene aus Holz. Die Dunkelheit wurde milchigtrüb, offenbar wurde an Deck eine Klappe oder ein kleines Luk geöffnet. Gleich darauf fiel ein größerer Fisch durch den Schacht. Er trudelte durchs Wasser.
Die Klappe wurde geschlossen, der Delphin schnappte zu, und damit war der Fisch verschwunden.
Die Zwillinge sahen sich unter Wasser aus erstaunt aufgerissenen Augen an. Dann tauchten sie dicht am Ruderblatt auf, lautlos, damit niemand sie bemerkte, und sofort legte Hasard den Finger an die Lippen, damit sein Bruder sich nicht verriet.
Zweifellos hatten sie hier ein seltsames Geheimnis entdeckt, aber sie begriffen nicht, was das alles sollte. Der Delphin jedenfalls war abgerichtet und dressiert, und er wußte auch, wo und wie er am leichtesten sein Futter kriegte.
Hasard junior grinste hinterhältig, dann glitt er in die Tiefe, schwamm in den hölzernen Kanal, bis er ein kleines Schott erreichte, und klopfte viermal mit der flachen Hand dagegen.
Der Erfolg war verblüffend.
Trübe Helligkeit fiel herein, graugrünes Dämmerlicht. Hasard erkannte eine riesengroße verschwommen wirkende Hand, und dann flog ihm zu seiner großen Verblüffung ein dicker Fisch vor die Nase. Hastig zog er sich zurück, als das Luk geschlossen wurde, und überließ den Fisch dem Delphin, der ihn sofort schnappte.
Grinsend tauchten beide am Ruderblatt wieder auf.
„Zurück an Bord“, raunte Hasard seinem Bruder zu. „Unter der Feluke durch und dann zur anderen Seite, damit uns niemand sieht.“
Philip nickte nur, dann holten sie tief Luft und schwammen die Strekke zurück, bis sie mit knallroten Köpfen drüben an der Bordwand der „Isabella“ wieder auftauchten.
Der Delphin umkreiste sie weiter, aber jetzt wollten sie an Bord, um ihre Neuigkeit loszuwerden.
An der Leine enterten sie auf, und als sie klatschnaß auf den Planken standen, sahen sie genau in Carberrys narbiges Gesicht. Sein mächtiges Rammkinn war vorgeschoben, ein Zeichen dafür, daß es gleich Ärger geben würde. Außerdem hatte der Profos noch die Arme in die Seiten gestemmt und sah finster drein.
„Wir sollten mal wieder gemeinsam zum Tampentänzchen aufspielen“, sagte er drohend. „Ihr kennt das Spielchen ja aus Erfahrung, und es wird euch sicher ganz guttun, mal wieder quiekend über Deck zu hüpfen, was, wie? Ihr wißt, daß wir vor dem Händler auf der Hut sein sollen, aber ihr umschwimmt sorglos den Kahn, obwohl das niemand erlaubt hat.“
„Es hätte nichts passieren können, Mister Carberry“, sagte Hasard noch etwas außer Atem. „Die anderen haben uns ständig gesehen. Aber wir haben etwas entdeckt, eine merkwürdige Sache.“
Ed lehnte sich ans Schanzkleid und sah die beiden an. Sein düsterer Blick verschwand, und auch das Kinn zog sich merklich zurück.
Eigentlich hatte er sich ja nur geärgert, weil die beiden Lümmel einfach über Bord gesprungen waren, und auf sein Gebrüll nicht reagiert hatten. Aber jetzt war sein Zorn wieder verraucht, und er schob den Vorfall beiseite.
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