Old Donegal wollte zu einer geharnischten Antwort ansetzen, aber da sagte Vater Hasard: „Dem pflichte ich bei. Du behauptest zwar etwas, Old Donegal, aber beweisen kannst du es nicht. Oder?“
„So was weiß man eben, oder man weiß es nicht“, sagte Old Donegal unwirsch. „Und ich weiß es, weil mich die schwarze Katze gewarnt hat.“
„Welche schwarze Katze?“
„Als wir anlegten, saß eine schwarze Katze dort hinten auf dem Schuppendach!“ Old Donegal deutete zu dem Schuppen rechts des Kais.
Hasard holte tief Luft, um dem alten Zausel den Marsch zu blasen, einen flotten Marsch mit Pauken und Trompeten.
Doch da sagte Philip junior grinsend: „Stimmt, da saß ’ne schwarze Katze! Die war aber nicht damit beschäftigt, Granddad zu warnen – wie denn auch, nicht wahr? Nein, die war scharf auf einen Piepvogel, der auf dem anderen Ende des Daches herumhüpfte und zwischen den Schindeln nach Insekten pickte. Als sie zum Sprung ansetzte, flog das Vögelchen davon, und die schwarze Katze stand ziemlich bescheuert da!“
Diese letztere Formulierung traf auch für Old Donegal zu.
„Ähem!“ äußerte er sich.
„Jaja“, sagte Vater Hasard mit Spott. „Da haben wir also eine Katze, die zufällig schwarz ist, und sie geht auf die Pirsch, wie das eben bei Katzen üblich ist. Daraus abzulesen, daß sie dich warnte, ist nicht nur absurd, sondern geradezu hirnverbrannt.“
„Schwarze Katzen sind Vorboten von Unheil!“ verkündete Old Donegal wütend.
„Das ist Altweibergewäsch“, sagte Hasard grob. „Hör auf, uns hier Quatsch zu erzählen. Schluß der Debatte!“
Die wäre sowieso beendet gewesen, denn der Junge tauchte auf, etwa zehn Jahre alt, ein pfiffiges Bürschchen mit schwarzen Igelhaaren und einer Stupsnase.
„Ich bin Achmed“, sagte er ohne Scheu, „und soll die Inglis zum Kaufmann Kymet bringen.“ Er sprach türkisch, und Philip junior übersetzte wieder.
„Schon mal einer, der offenbar nicht ins Silberbergwerk verschleppt wurde“, sagte Dan O’Flynn und grinste seinen Alten an.
Philip junior griff das Stichwort auf und fragte Achmed: „Gibt es hier ein Silberbergwerk?“
Achmed blinzelte verdutzt. „Silberbergwerk? Was ist das?“
Philip erklärte es ihm sehr genau und exakt.
Aber da lachte das Bürschchen und schüttelte den Kopf. „So was haben wir hier nicht. Zu was auch? Wir haben alles, was wir brauchen.“
Old Donegal hörte Philips Übersetzung und sagte giftig: „Der Lümmel lügt!“
„Leg dich schlafen, Old Donegal“, sagte Hasard, „und träum von Silber und schwarzen Katzen.“
„Ich will aber nicht schlafen“, sagte Old Donegal störrisch, „und was ich träume, bestimme ich selbst. Das lasse ich mir von niemandem vorschreiben, auch von dir nicht!“
Hasard wurde scharf: „Und ich verbitte mir dein dummes Geschwätz, alter Mann! Allmählich reicht’s mal wieder. Man sollte meinen, du seist nicht mehr ganz richtig im Kopf!“
Natürlich schnappte Old Donegal ein. Seine hellen Augen funkelten vor Zorn, aber er sagte nichts mehr.
Hasard teilte die Mannen ein, die den Kaufmann Kymet aufsuchen sollten: der Kutscher, Mac Pellew, Stenmark und die Zwillinge als Dolmetscher. Philip erkundigte sich, ob es weit bis zu dem Kaufmann sei. Nein, im Ort hinter der Kommandantur, erklärte das Bürschchen. Und der Kaufmann habe auch Karren, um den Proviant zum Steg bringen zu lassen. Der kleine Trupp zog los.
Dieser Mehmed Kymet war kein kleiner Krämer, wie sich herausstellte. Das heißt, er verkaufte nicht nur Lebensmittel, sondern nahezu alles, was es an Bedarfsgütern gab. In dem großen, ummauerten Hof, der einem Basar glich, war alles gestapelt, was das Herz begehrte. Das Angebot reichte von Geschirr und Haushaltswaren über Kleiderstoffe, Werkzeuge, Lederwaren und Möbel bis zu Teppichen, Fischerei- und Schiffsbedarf, darunter Segeltuch und Seilereiwaren. Die Lebensmittel waren allerdings in kühlen Gewölben gelagert.
Offenbar belieferte Kymet die gesamte westliche Schwarzmeerküste samt dem Hinterland mit Waren aller Art.
Der Kutscher schenkte Achmed eine Silbermünze, nachdem er sie zu dem Kaufmann gebracht hatte. Pfeifend verschwand der Kleine.
Wie der Hafenkommandant war auch Kymet ein rundlicher Mensch. Sie schienen beide ein gutes Essen zu lieben. Die Arwenacks störte die Beleibtheit nicht. Dicke Menschen waren meistens gemütlich und genossen die angenehmen Seiten des Lebens.
Kymet war ein bißchen kurzatmig. Er hatte listige Augen, eine Knubbelnase und ein Doppelkinn. Und er strahlte, als der Kutscher durch Philip vortragen ließ, was er alles einzukaufen gedenke.
„Haben wir, haben wir!“ rief er. „Alles erstklassige Ware, frisch und gut erhalten, beste Qualität. Sie werden sehen. Bitte mir zu folgen!“
Sie verließen den Hof, der keineswegs menschenleer war, und folgten dem dicken Handelsmann, der geschäftig voranwatschelte. Es ging eine breite Steintreppe hinunter, die zu den Gewölben führte. Sie schnupperten, denn der unverkennbare Geruch von Gewürzen drang ihnen entgegen, ein sehr angenehmer Duft, der verriet, daß der Kaufmann auch mit den Spezereien des fernen Ostens bestens eingedeckt war.
Sie waren im Schlaraffenland gelandet.
Zur Einstimmung ließ ihnen Mehmed Kymet einen mundigen Rotwein kredenzen, zusammen mit kleinen Käsehappen und Stücken von Fladenbrot. Er trank aus demselben Faß mit, ein Genießer, der die Lippen spitzte und die listigen Augen verdrehte, als er kostete.
Mac Pellew hätte an dem Faß am liebsten Wartestellung bezogen, was allerdings nicht nur mit dem vorzüglichen Wein zusammenhing, sondern auch mit der Lady, die hier ihres Amtes waltete. Sie hatte Glutaugen, rosige Wangen, einen Kirschmund und blitzende Zähne. Die Rundungen unter dem Gewand verrieten gleichfalls, daß die Schöpfung an nichts gespart hatte.
„Reiß dich zusammen!“ knurrte der Kutscher seinen Mac an, denn der stierte auf die Rundungen wie ein Hahn auf einen fetten Käfer – besser auf zwei fette Käfer, denn diese Rundungen waren ja immer zweifach anzutreffen. „Wir sind nicht hier, um uns zu verlustieren, verstanden?“
Philip junior feixte und fragte, ob er das für den Kaufmann übersetzen solle.
„Untersteh dich!“ schnappte der Kutscher.
„Nie darf man was“, maulte Mac Pellew. „Da kann ich auch gleich ins Kloster gehen.“
„Dem steht nichts entgegen“, sagte der Kutscher spitz. „Ich halte dich bestimmt nicht auf. Am besten nimmst du deinen Zechkumpan Carberry dann gleich mit, damit endlich Ruhe ist.“
„Das sage ich ihm“, erklärte Mac giftig, „und dann kriegst du was aufs Maul …“
Mehmed Kymet sagte etwas, und Philip junior übersetzte: „Er fragt, ob Mac der Wein nicht geschmeckt habe, weil er so sauer aussehe!“
Der Kutscher hätte am liebsten laut geflucht. Verdammt peinlich war das mal wieder.
„Nein, nein“, erwiderte er hastig. „Sag dem Mister Kymet, Mac sehe immer so aus. Das habe nichts zu bedeuten. Und der Wein sei hervorragend. Von dem möchte ich sechs Fässer ordern.“
„Sechs Fässer!“ motzte Mac Pellew. „Die sind ja für’n hohlen Zahn!“
„Wer kauft hier ein – du oder ich? Wer ist denn für den Proviant verantwortlich?“ fragte der Kutscher scharf.
„Ich jedenfalls nicht“, erwiderte Mac pampig.
„Dann spar die deine Kommentare über die Mengen, die ich einkaufe. Rechnen kannst du sowieso nicht. Aber Busen begaffen, das kannst du. Und am Zapfhahn hängen. Und bilde dir bloß nicht ein, du hättest Chancen bei dem Mädchen – mit deinem bunten Horn auf der Stirn!“
„Das werden wir ja sehen!“ trumpfte Mac auf.
Stenmark sprang dem Kutscher bei, dem die ganze Geschichte immer peinlicher wurde.
„Mac, halt’s Maul“, sagte er knapp. „Wir sind hier, um einzukaufen. Hör auf, herumzumeckern. Wenn dir das hier nicht paßt, dann troll dich. Wir kommen auch ohne dich zurecht.“
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