Stephen Curry ist nicht nur der beste Dreipunkteschütze aller Zeiten, er ist der beste „tiefe“ Dreipunkteschütze aller Zeiten. Er bewegt sich hinter der Dreierlinie in einem immer wachsenden Bogen, versenkt Langdistanzwürfe so sauber, dass das Netz wegschnappt wie frische Wäsche durch eine Brise. Ein Highlight ist die schiere Absurdität seiner Würfe und die Quote, mit der er die am weitesten entfernten von ihnen trifft.
„Stephens Hand-Augen-Koordination ist so gut, wie ich sie noch bei niemandem zuvor gesehen habe“, sagt sein Trainer bei den Warriors, Steve Kerr, der als Spieler selbst ein hervorragender Dreipunkteschütze zu Zeiten Michael Jordans bei den Chicago Bulls war.
Curry hat gewaltige Kraft in seinen Handgelenken, um seine perfekte Wurfform beizubehalten, wenn er aus zwölf bis fünfzehn Metern abdrückt. In der Geschichte der NBA hat kein Spieler Reichweite, Vielzahl und Effizienz von der Dreipunktelinie so gut kombiniert wie Curry. Sein Schuss ist so tödlich, dass er zum effizientesten Scorer des Planeten wurde. Seine Reichweite und Effizienz hat den Spieleentwicklern von „NBA 2K“ Kopfzerbrechen verursacht, da Currys Fähigkeiten nicht auf dem Bildschirm repliziert werden können. Obwohl Curry zum Zeitpunkt des Schreibens noch als Spieler aktiv ist, ist er bereits jetzt einer der Größten aller Zeiten.
Stephen Currys familiärer Hintergrund ebnet seine Heldentaten der Gegenwart. Sein Vater Dell ist selbst eine Legende in der NBA. In seinen 16 Profijahren, von denen er zehn bei den Charlotte Hornets verbrachte, nennt Stephens Dad immerhin den Titel „Bester sechster Mann der Liga 1994“ als größten individuellen Triumph sein Eigen und war wie der Sohn Dreipunkte-Spezialist.
Als Stephen Curry am 14. März 1988 geboren wird, spielt Vater Dell als 23-Jähriger eine Saison bei den Cleveland Cavaliers, sodass Stephen in Akron, Ohio, zur Welt kommt – übrigens im gleichen Krankenhaus wie LeBron James, der zu seinem größten Konkurrenten in den NBA-Finals werden würde. Nach nur einer Saison in Cleveland wird Curry Senior zu den Charlotte Hornets getradet, sodass Sprössling Steph in North Carolinas größten Stadt seine Kindheit verbringt.
Während heute Curry-Highlights die YouTube-Szene bestimmen, ist der Mini-Curry bereits in den 1990ern im Fernsehen zu sehen, in einer Burger-King-Werbung mit seinem Vater. In dem Werbespot fragt Stephen seinen Dad, was es braucht, um „solch ein großartiger NBA-Spieler wie du zu werden?“.
„Du musst es wirklich wollen, du musst es schmecken, du musst es riechen und du musst wirklich hungrig danach sein!“, antwortet sein Dad, worauf der kleine Stephen sagt: „Ich bin wirklich hungrig. Können wir zu Burger King gehen?“
Damals ist die NBA-Karriere von Stephen Curry noch eine Utopie. 20 Jahre später würde er seinen Vater nach nur wenigen Jahren in der NBA in allen statistischen Kategorien überholt haben – mit der Trikotnummer 30 wohlgemerkt, um seinen Dad zu ehren. Wenn man ehrlich ist, hätte Curry keinen Finger krumm machen müssen, hat er doch schon als Kind für den Rest seines Lebens ausgesorgt. Dennoch lodert von Beginn an Feuer im Körper des Millionärssohns.
Seit Steph fünf Jahre alt ist, spielt er Basketball. Oft nimmt Vater Dell seine Söhne, Stephen und dessen zwei Jahre jüngeren Bruder Seth (er hat es ebenfalls in die NBA geschafft!), mit zu seinen Spielen, wo die Kids beim lockeren Einwerfen der Profis mit auf die Körbe ballern. Während ihr Wurf anfangs einer Kugelstoßbewegung ähnelt, lernt der Curry-Nachwuchs schnell das harmonische Zusammenspiel des gesamten Körpers vom Fuß bis zu den Fingerspitzen, welches beim Wurf entscheidend ist, zu verbessern. Vorbilder rennen schließlich genug über das Parkett, wie zum Beispiel Tyrone „Muggsy“ Bogues, der neun Jahre mit Dell bei den Hornets spielt. Der mit 1,60 Meter kleinste NBA-Spieler aller Zeiten wird zu Stephens Lieblingsspieler.
„Mein Vater spielte zwar zu dieser Zeit in der NBA, aber die besten Basketballspiele, an die ich mich aus meiner Kindheit erinnere, waren die zwischen meinem kleinen Bruder Seth und mir auf unserem Hinterhof-Basketballplatz in Charlotte“, berichtet Stephen Curry. „Wir spielten stundenlang, oft bis weit in den Abend hinein mit einer hellen Lampe, die auf den Platz leuchtete, bis unsere Mutter aus dem Fenster schrie, damit wir hereinkommen. Diese Spiele würden ziemlich hitzig werden, aber das war die Norm für Brüder, die so nah wie wir waren.“ 2019 würden Steph und Seth zum ersten Brüderpaar in der NBA-Historie werden, welches in den „Conference Finals“ gegeneinander antritt: Steph mit Golden State und Seth mit den Portland Trail Blazers – für beide geht damit ein Traum in Erfüllung, auch für ihre Eltern Sonya und Dell, die jedes Spiel der beiden von der Tribüne mitverfolgen. Stephen gewinnt das Bruderduell mit einer überragenden Leistung (36,5 Punkte, 8,3 Rebounds, 7,3 Assists) und die Warriors die Serie 4-0. „Das war die coolste Erfahrung, die ich je gegen ihn hatte und das auf solch einer großen Bühne“, strahlt Steph nach Spiel zwei und lobt seinen jüngeren Bruder. „Er war großartig heute. Jede Minute, die er gespielt hat, war er in der Verteidigung eine Pest, hat drei wichtige Würfe im vierten Viertel getroffen, genau zur richtigen Zeit. Für unsere Eltern ist die gesamte Serie die Hölle, weil sie uns beide den Erfolg wünschen. Aber heute hat es perfekt funktioniert: Seth hat gut gespielt und wir haben gewonnen.“
Die ganze Familie Curry ist sich sehr nah, auch in der Schule. Mutter Sonya, die nebenbei bemerkt eine herausragende Volleyballerin am College war, gründet 1995 eine christliche Montessori-Schule in Huntersville, North Carolina, als Stephen in die erste Klasse kommt. Alle drei Curry-Kinder, neben Steph und Seth auch Tochter Sydel, würden diese Schule besuchen. „Unsere Mutter war Schulleiterin, unsere Tante war unsere Lehrerin und unsere Großmutter war die Köchin“, erzählt Steph. „Mein Bruder, meine Schwester und ich waren gesegnet, so große Einflüsse in unserem Leben zu haben und ich kann ehrlich sagen, dass meine Mutter und mein Vater die Besten waren.“ Die Kinder werden christlich erzogen, besuchen jeden Mittwoch den Jugendbibelunterricht und gehen sonntags in die Kirche zum Gottesdienst.
„ER IST ETWAS BESONDERES“
„Ich wollte in die Fußstapfen meines Vaters auf das Hartholzparkett treten und hatte während meiner Highschool-Zeit Virginia Tech im Visier“, berichtet Curry über seine Zukunftspläne als Heranwachsender. „Leider waren die Hokies und andere Collegeprogramme nicht an mir interessiert.“
Es sind riesige Fußstapfen, in die Stephen Curry bei den Virginia Tech Hokies treten möchte. Sein Vater Dell ist dort eine Legende, Teil der „Hall of Fame“, zweitbester Scorer und bester Balldieb mit den meisten Steals der Schulgeschichte. Parallel zu seinen vier Jahren auf dem Basketballcourt feierte Curry Senior mit den Hokies auf dem Baseballfeld Erfolge und wurde schließlich in beiden Sportarten in die Profiligen, MLB und NBA, gedraftet.
Obwohl der Sohn die athletischen Gene seines Vaters in sich trägt, bekommt Stephen zu dessen großer Enttäuschung kein Sportstipendium von Virginia Tech angeboten. Gleiches gilt für alle anderen namhaften Collegeprogramme in den Vereinigten Staaten. Der schmächtige Körperbau der 72,5 Kilogramm schweren „Zahnlücke“ lässt die Hochschulen an der Physis des Curry-Nachwuchses zweifeln. Einzig das Davidson-College mit Bob McKillop als Cheftrainer wirbt um Curry seit er in der zehnten Klasse ist. „Der Coach erklärte seine Vision für meine Karriere bei Davidson und wie er mir helfen konnte, meine Ziele zu erreichen“, erinnert sich Curry.
Schon bevor Curry sein erstes Spiel mit den Davidson Wildcats absolviert, prognostiziert Coach McKillop: „Wartet ab, bis ihr Steph Curry seht. Er ist etwas Besonderes.” Mit der Rekrutierung von Curry beweist McKillop ein goldenes Händchen eines verkannten Talents. Curry schlägt auf dem Davidson-College ein, wie ein Punch von Muhammad Ali gegen Joe Frazier. In seinem ersten von drei Jahren wird er zweitbester Punktesammler unter allen „Freshmen“ des Landes. Einzig Kevin Durant von den Texas Longhorns, mit dem er später zwei NBA-Meisterschaften gewinnen sollte, erzielt mehr Punkte als College-Neuling.
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