Weit hinter sich sah er zwei Punkte, die sich zu bewegen schienen. Er konnte nicht erkennen, ob sich die Punkte näherten. Aber er wusste, dass es die beiden Weidereiter waren, die einen weiten Fußmarsch vor sich hatten, wohin sie sich auch wenden mochten.
Vor dem ersten Holzhaus war ein Pfahl in den Boden gerammt, an dem ein Brett angenagelt war. Mit Teerfarbe stand ein Name darauf geschrieben:
WATERTOWN
Matt ritt weiter. Er sah einen kleinen Mann vor einem Haus auf der linken Seite stehen. Der Mann trug ein ledernes Jagdhemd. Er mochte sechzig Jahre alt sein. An seinem Hemd funkelte ein silberner Stern.
Wister hielt vor dem Sheriff an. Er tippte an seinen Hut und sagte: „Zwei Männer fielen über eine Frau her, die aus dieser Stadt kam. Das sind die Pferde der beiden. Ich sah keine andere Möglichkeit, sie von dem Mädchen abzuhalten.“
„Von Maude Freese?“
„Ich weiß nicht, wie sie hieß, Sheriff.“
Der Mann nickte finster. „Wer waren die beiden?“
„Der eine nannte sich Hal. Der andere Les.“
„Les Vane?“
„Ich weiß nicht. Er war ein nicht sehr großer, wuchtiger und finsterer Bursche.“
„Das war Vane“, meinte der Sheriff. „Er ist James Garetts Vormann. Ich glaube, Sie haben einen Fehler gemacht, Fremder.“
„Matt Wister, Sheriff. – Wieso?“
Der Sheriff rieb sich über das Kinn. Er sah nachdenklich aus.
„Das ist so eine Sache“, meinte er nach einer Weile. „Ich möchte sagen, eine Sache, gegen die wir alle zusammen machtlos sind. Ich, Sie, die ganze Stadt. Es gibt hier im Tal zwei Rancher. Alan Troger und James Garett. Sie sind beide noch nicht lange da. Garett etwa zwei Jahre. Troger ein halbes Jahr weniger. Beide kamen mit Geld. Beide kauften Herden. Beide wollten alles Land am Big Sioux River. Und beide streiten seither darum. Es ist ein harter, erbitterter Kampf, und er wird von Tag zu Tag grausamer. Im Grunde genommen hat keiner der beiden Recht. Mister Garett hat zwölf Cowboys. Troger nur zehn. Es sind alles Kerle, so hart und zäh wie Sattelleder. Dagegen sind wir machtlos. Wenn Garett befohlen hat, das Mädchen abzufangen, so ist das nur ein Teil dieses Kampfes. Maude ist selber schuld. Ich habe ihr oft genug gesagt, sie sollte sich aus der Sache heraushalten.“
„Und warum macht sie das nicht?“
„Sie hat anscheinend an Troger einen Narren gefressen. Sie ist mit ihm so gut wie verlobt. Ihr gehört hier in der Stadt der Drugstore. Sie erbte ihn von ihrem Vater. Aber offenbar hatten es ihr schon immer die Weiden und die Rinder angetan. Troger macht nicht gerade einen schlechten Eindruck. Soll ich Ihnen einen Rat geben?“
„Bitte.“
„Reiten Sie schnell weiter. Vane und Hal Spears sind keine Männer, die für lange Fußmärsche geeignet sind. Sie werden hierherkommen. Das ist ihnen im Moment vielleicht wichtiger als der Auftrag von ihrem Boss. Können Sie sich denken, was die beiden wollen? Kein Mann in dieser Stadt würde mir helfen, wenn ich mich da einmische, denn jeder arbeitet für die beiden Rancher. Sie sind der Lebensnerv dieser Stadt. Ohne sie ist Watertown ein totes Nest, das der Sand bald zudecken wird.“
„Ich verstehe.“
„Dann reiten Sie.“
„Mein Pferd braucht Futter und einen kühlen Stall, Sheriff. Es tut mir leid.“
Der Sheriff schob die Hände in die Hosentaschen und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Er nickte, als hätte er verstanden.
„Sie können natürlich unter diesen Umständen bei Troger einsteigen“, sagte er. „Sie haben sich gut eingeführt. Das ist Ihre Sache. Aber Vane und Spears müssen Sie aus dem Wege gehen.“
„Werden Sie mir nicht helfen?“
„Kann ich nicht. Die beiden machen es bestimmt so, dass es fair aussieht.“
Matt lehnte sich gegen seinen Sattel und musterte den alten Mann eine Weile schweigend.
„Das Mädchen sollte offenbar verschleppt werden“, sagte er schließlich. Der Sheriff schüttelte den Kopf. „Wenn Vane und Spears hierherkommen, und Sie würden einen solchen Verdacht äußern, würden die beiden lachen. Und was glauben Sie, welchen Beweis Sie dann gegen zwei Stimmen an treten könnten?“
„Maude Freese wird mir zustimmen.“
„Glaube ich nicht. Troger wird ihr das ausreden. Er ist es gewöhnt, seine Sachen selbst auszufechten. Alles spielt sich draußen auf der Weide ab. Hier ist es ruhig. Maude wird nichts sagen. Troger wird ihr beigebracht haben, dass sie zu schweigen hat. Wie lange wollen Sie bleiben?“
„Ich weiß noch nicht.“
„Wenn Sie zu sehr in der Sache rühren, wird auch Troger Sie nicht mehr nehmen wollen. Er hat es nicht gern, wenn ein Cowboy eigenmächtig zum Sheriff geht. Verstehen Sie das?“
„Ja, ich denke. Wo kam Troger her, als er sich hier niederließ?“
„Aus Arizona. Er war da unten schon Rancher, vertrug aber das Klima nicht.“
„Aha.“
„Kennen Sie ihn?“
„Nein.“
„Also, meine Meinung kennen Sie“, brummte der Sheriff und wandte sich ab. Er stieg die beiden Stufen zum Vorbau hinauf und verschwand hinter der knarrenden Tür seines Office.
Matt zog sein Pferd weiter die Straße hinauf. Er würde bleiben. Vielleicht konnte er sich den Kampf auf der Weide zunutze machen. Denn es gab gegen Troger keine andere Handhabe. Er hatte gesagt, woher er kam, und es würde unmöglich sein, das nachzuprüfen. Es würde sich wahrscheinlich auch niemand finden, der das machen würde. Der Sheriff schien zufrieden zu sein, die Ruhe in der Stadt bewahren zu können. Was draußen auf den Weiden passierte, kümmerte ihn nicht.
Matt Wister brachte sein Pferd im Mietstall unter. Als er auf die Straße zurückkam, sah er die beiden Punkte, die sich auf die Stadt zuschoben.
Vane und Spears kamen. Sie kamen mit der sturen Beharrlichkeit von Männern, die ihrem Instinkt folgten.
Matt ging über die Straße und betrat den kühlen halbdunklen Schankraum des Saloons. Er setzte sich in eine Ecke, wartete, bis der Keeper aus der Küche kam, und bestellte Essen und Whisky Soda.
Der Keeper schlurfte mit gleichgültigem Gesicht zurück und begann zu hantieren. Er schien allein zu sein.
Ein Mann kam herein, ging zur Theke und lehnte sich dagegen. Er trank einen Whisky, den er sich selbst einschenkte, blickte Matt eine Weile an, ging dann wieder hinaus, ein Geldstück auf der schimmernden Theke liegenlassend.
Matt wartete, dass weitere Männer kommen würden, aber das geschah nicht. Vielleicht waren Vane und Spears schon zu nahe.
Da wurde ihm klar, dass diese Stadt Angst hatte – Angst um die Ruhe, in der sie lebte.
Als Spears und Vane sich müde und schwitzend in den Saloon schleppten, hatte Matt Wister sein Steak gegessen und den Teller zur Mitte des Tisches geschoben.
Die beiden kamen bis zur Theke, lehnten sich nebeneinander dagegen, und blickten den Keeper dahinter stumpf an.
„Whisky“, sagte Vane.
Sie nahmen von Matt keine Notiz, taten, als wäre er gar nicht da. Sie tranken den Whisky pur, bis die Flasche zur Hälfte leer war, dann stellten sie sich gerade und wandten sich um. Sie kamen nebeneinander heran und bauten sich vor Matts Tisch auf.
„Eure Pferde stehen drüben vor dem Haus des Sheriffs“, sagte Wister.
„Wir haben sie gesehen“, meinte Vane. „Als wir sie bemerkten, dachten wir schon, du wärst weitergeritten.“
Matt lächelte.
„Manchmal irrt man sich, Les“, sagte er.
„Ja, manchmal. Hal und ich, wir freuen uns, dass wir uns geirrt haben. Nicht wahr, Hal?“
„Ja, das stimmt. Es ist gut, dass du kein Spielverderber bist. Weißt du, was es heißt, mehr als zwei Meilen unter der glühenden Sonne zu marschieren?“
„Sicher, Hal, ich habe das auch mal machen müssen. Es ist hart für einen Mann. Aber ich finde, es ist eine noch härtere Sache, ein Mädchen zu verschleppen. Findest du das nicht auch?“
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