„Und du, Al?“
„Ich muss mich wehren. Was bleibt mir weiter übrig. Aber ich werde es mit ihm allein ausmachen. – Also, du reitest morgen zurück.“
Sie schaute ihm nach, wie er die Treppe hinunterstieg. Seine Bewegungen erschienen ihr eckig und hölzern. Als er sein Pferd unten vor dem Corral sattelte, da klappte das nicht so wie an anderen Tagen, da sie ihn beobachtet hatte.
Sie schaute ihm nach, wie er fortritt, und plötzlich beschlich sie ein unangenehmes Gefühl. Irgend etwas war anders, als es immer gewesen war. Irgend etwas verschwieg er ihr.
Sie stand mit einer langsamen Bewegung auf, schob den Holzsessel zurück und stützte die Hände auf das Geländer. Ihr Blick folgte der wehenden Staubfahne, die von den Hufen seines Pferdes hochgeschleudert wurde und träge in der flimmernden Luft hing.
Was war es?
Immer wieder hatte sie das Bild eines Mannes vor Augen, der wie aus dem Boden gewachsen neben dem Weg gestanden hatte, die Winchester 73 in der Armbeuge. Ein Mann, an dem irgend etwas anders war als an anderen Männern – anders als an Garett, anders als an Sheriff Riley, als an Vane und Spears – und auch anders als an Alan Troger.
Sie wusste, dass dieser Mann durch seine Art, durch sein unerschrockenes Auftreten Eindruck auf sie gemacht hatte. So wie Troger mit seiner Riesenranch Eindruck auf sie machte. Plötzlich fühlte sie den tiefen Zwiespalt in ihrer Seele. Doch sie wusste noch nicht, dass es zu viele Dinge waren, die sie liebte und haben wollte.
Die Sonne stand weit im Westen. Die Hitze des Frühlings hatte etwas nachgelassen.
Sheriff Riley lag drüben unter dem Vorbau vor seinem Haus im Schaukelstuhl und lauschte der knarrenden Begleitmusik zu den Bewegungen der Kufen. Er blickte nicht auf, als er den Reiter unten im knirschenden Sand hörte. Er hatte ihn vorhin gesehen. Er wartete auf Garett. Troger interessierte ihn jetzt nicht.
Aber Troger beachtete den Sheriff auch nicht. Er ritt genauso schweigend an den anderen vorbei, hielt vor dem Saloon an, weil es sonst keinen Saloon in der Stadt gab. Er stieg ab, schlang die Zügel lose um den Holm und stieg die Stufen zum Stepwalk hinauf.
Als er sich durch die Schwingtür geschoben hatte, blieb er stehen und zog die Augen zusammen. Er sah den Mann in der Ecke sitzen, und er wusste sofort, dass das der Mann war, von dem Maude Freese gesprochen hatte, von dem sie fasziniert war, obwohl sie das nicht gesagt hatte.
Troger wusste alles. Er wusste es so klar und deutlich, als wäre gestern der Tag gewesen, an dem er mit dem unfertigen Johnny vor den Geldscheinen auf dem Tisch gestanden hatte.
Achttausend Dollar!
Die Summe hatte alle seine Hemmungen über den Haufen geworfen.
Er, Troger, hatte etwas vorgehabt; etwas ganz anderes, das sich mit der Hälfte des Geldes nicht durchführen ließ. Es war plötzlich alles ganz einfach gewesen.
Ein schneller, glatter Schuss, ein noch schnelleres Pferd, ein anderer Name.
Am Ende: freies Land, billige Zuchtrinder und Geld, mit dem sich eine Menge anfangen ließ. Und schließlich noch James Garett, der dafür sorgte, dass es einem rauen Mann hier oben nicht langweilig werden sollte.
Und nun saß er dort.
Das also war Matt Wister, von dem Johnny oft gesprochen hatte.
Er hatte so oft an ihn gedacht, dass er sich vorgestellt hatte, dieser Matt Wister wäre ein Supermensch. Nun sah er ganz normal aus. Ein kantiges, hartes, scharf geschnittenes Gesicht, mattschwarzes Haar und graue Augen. Gar nichts Besonderes. Und doch ein Mann, der aussah, als würde er in dieser Welt zu Hause sein. Ein gutes Dutzend solcher Kerle, und man könnte mit ihnen Felsen auseinandersprengen.
Matt Wister hatte seine Haltung nicht verändert. Er saß ruhig, die Beine etwas vorgestemmt und die rechte Hand unter dem Tisch.
Der Keeper rutschte mit dem Rücken ungemütlich am Regal hin und her. Es war sonst kein Gast im Saloon. Matt saß immer noch ruhig und abwartend, blickte den leicht gedrungenen Mann mit dem satten Gesicht an, und schwieg.
Troger ging weiter in den Saloon hinein; Schritt um Schritt, bis er an der Theke stand. Er legte die rechte Hand auf die Messingplatte, und er spürte, wie die Unruhe in ihm hochstieg.
Dieser Matt Wister war doch nicht wie andere. Er war anders. Eine überlegene Ruhe strahlte von ihm aus, als habe er sich alles zu diesem Auftritt zurechtgelegt.
Es war sein Auftritt; Troger spürte es. Es war sein großer Auftritt, auf den er wahrscheinlich lange gewartet hatte.
„Einen Whisky“, sagte der Rancher zu dem Keeper.
Der Mann schenkte mit zitternder Hand ein. Auch auf ihn war die Unruhe übergegangen.
„Kümmere dich um mein Pferd“, redete der Rancher weiter. „Es muss abgerieben werden und braucht Futter. Gib ihm erst nach zehn Minuten zu trinken.“
„Ja, Mr. Troger“, brummte der Keeper übellaunig und kam um die Theke herum. Er warf dem ruhig sitzenden Matt noch einen Blick zu, ging dann an Troger vorbei hinaus.
Das Knarren der schlecht geschmierten Angeln reichte bis in den letzten Winkel des Saloons, und dazwischen war das leise Wimmern des Verletzten in einem Zimmer des Obergeschosses zu hören.
Matt blickte den Mann an der Theke an. Er sah, dass dessen Hand nicht ganz ruhig war, als sie das Glas hob. Und er sah den goldenen Zahn, als Troger den Mund öffnete.
Er schwieg. Er wartete. Er war weit und lange geritten, und er war nun genau dort, wohin er wollte. Er musste jetzt ganz ruhig bleiben, um über einen der zwei mächtigsten Männer in diesem County einen Sieg erringen zu können.
Troger hatte den Keeper auf mindestens fünfzehn Minuten fortgeschickt. Vielleicht war das die Zeit, die er dachte zu gebrauchen.
Der Rancher kam jetzt von der Theke her näher. Er hatte sein Glas in der Hand, hielt es vor die mexikanische Weste und blickte Matt durchbohrend an.
„Suchen Sie einen Job?“, fragte er.
„Ich weiß noch nicht genau“, erwiderte Matt mit unbewegtem Gesicht.
„Sie haben Miss Freese vor Unannehmlichkeiten bewahrt.“
„Es war nicht der Rede wert.“
„Sind Sie Cowboy?“
„Ja.“
„Ich habe eine Ranch. Ganz hier in der Nähe. Ich könnte vielleicht noch einen guten Mann gebrauchen. Wie ist es, Mister?“
„Ich habe darüber noch nicht nachgedacht.“
Troger trank sein Glas aus und stellte es neben sich auf einen Tisch.
„Ich zahle fünfzig im Monat für einen guten Mann“, sagte er. „Sie müssten sich die Sache aber schnell überlegen. Übrigens: Miss Freese und ich sind verlobt.“
Matt antwortete nicht.
„Deshalb bin ich Ihnen sehr zu Dank verpflichtet“, redete der Rancher weiter. „Ich würde Ihnen einen guten Job anbieten.“
„Welchen?“
„Ich könnte Ihnen ein Weidecamp übergeben, Wister. Sie sind dann der Vormann da draußen.“
„Das ist ein gutes Angebot für einen Fremden, nicht wahr?“
„Allerdings. Wollen Sie?“
Matt fragte sich, worauf Troger hinaus wollte. Er wusste genau, dass der Mann wusste, wen er vor sich hatte. Es konnte für ihn keinen Zweifel geben, dass es allein der Wunsch nach Sühne war, die Matt Wister hierher getrieben hatte.
„Ich muss mir das bis morgen überlegen“, sagte er. „Verstehen Sie, ich war mir noch nicht im Klaren, ob ich hierbleiben will. Ich komme aus Texas. Hier oben ist das Klima rauer.“
„Nicht im Sommer, Wister. Ich komme aus Arizona, da ist das gleiche Klima.“
„Was Sie nicht sagen!“
„Mir bekommt das Klima hier sehr gut. – Gut, reden wir morgen noch einmal darüber.“
Es blieb ruhig zwischen ihnen. Das leise Wimmern des Verletzten drang wieder in den Saloon.
„Wer ist das?“, fragte Troger.
„Les Vane. Ich habe ihn angeschossen. Er wollte mich töten.“
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