Und deutete mit dem Kopf auf Fanny, der das gar nicht gerne sah und mir einen fragenden Blick zuwarf.
»Wir haben Fingerabdrücke verglichen. Der Mann ist uns kein Unbekannter, wenngleich wir ihm bislang nichts nachweisen konnten. Er ist aus Moldawien. Russe aus Transnistrien, genauer gesagt, er ist dort aufgewachsen. Irgendwann kam er ohne Papiere zu uns. Ein Mann fürs Grobe. Wir rechnen ihn zur DDBC-Organisation. Das ist Russisch ‚Деньги делают вас счастливым‘ und heißt so viel wie ‚Geld Macht Glücklich‘. Das kannst du doch auch bestätigen, Doktor!? «
»Nein, kann ich nicht. Seit die mich beim LKA in der Maillingerstraße gefeuert haben, fehlen mir monatlich ein paar Tausend Euro! Ich muss mich verdammt einschränken. Kann keine Recherchen auf eigene Faust anstellen. Aber DDBC sagt mir was. Irgendwie habe ich das schon mal gehört mit den Moldawiern.«
Fanny nickte schon wieder zustimmend.
Bis jetzt hatte er aufmerksam zugehört und ständig in alle Richtungen geschaut. Sie wissen – er riecht die Gefahr.
Dann kam auch schon sein Mammutsteak in der Größe eines Fußballfeldes für lauffaule Fußballprofis und von diesem Moment an waren wir ausgeblendet. Das heißt, nicht ganz. Kaum war das Steak für ihn gekommen und unsere French Icône – ich hatte sie wieder geordert, konnte einfach nicht widerstehen –, da klingelte Marios Smartphone.
»Was gibt’s?«
Dann war Stille am Tisch. Nur unter dem Tisch hörte man anfangs noch Fanny schmatzen, laut, wie zwei Models nach einer Hungerkur wegen des letzten Jobs in Milano…
Mario sagte nur hin und wieder „hm“, oder „aha“, dann „wo? “, dann „bist du sicher? “, „aha“, „Irrtum ausgeschlossen? “, „OK“, „nein! “, „ich bin in dreißig Minuten da, nein, sagen wir vierzig“.
Er legte das Handy weg und schwieg.
Ich schaute Fanny an, der sein Fressen während des Telefonats plötzlich ruckartig unterbrochen hatte, und mir war klar, dass Mario-Hauptcommissario soeben die Nachricht erhalten hatte, dass sie den dazugehörigen Körper zur Hand mit dem Messer gefunden hatten.
Was unweigerlich den Schluss zuließ, dass auch der Körper nicht mehr lebte.
Fanny war sich zu 100 Prozent sicher. Sein Blick sagte alles. Er hatte es gehört! Sein Gehör ist eben x-mal besser als das von uns Menschen … Er kann Geräusche besser filtern als wir. Er kann sich auf einen Sound total fixieren und seine Gehörmuscheln drehen, so dass er rundum hören kann. Er kann unwichtige Geräusche ausblenden und erinnert sich an jedes Detail. Das Telefonat hatte meinen Mastiff erschüttert. Das sah ich sofort und sein Blick bestätigte mir seine Vermutung.
Ich sagte zu Mario:
»Ihr habt die Leiche gefunden. Zur Hand mit dem Messer, richtig?«
»Scheiße. Woher weißt du das. Kann man so gut in meinem Gesicht lesen? Dann bin ich kein guter Bulle. Scheiße …«
»Nein. Fanny hat mitbekommen, dass bei dir irgendetwas oberfaul sein muss, schau ihn dir an!«
Nun warf mir Fanny einen vorwurfsvollen Blick zu. Biss leidenschaftlich und wütend in sein riesiges Stück Fleisch und mir war klar, was er mir sagen wollte:
Doktor, du bist ein Arschgesicht. Verrätst uns hier!
Und er hatte nicht unrecht. Es war ein Spiel mit dem Feuer. Ich musste es eingehen. Mario würde mir schon sagen, was abgelaufen war.
An unserem Tisch war nun wieder das nervöse und gierige Schmatzen von Fanny zu hören. Zwischen jedem Bissen schaute er mich an. Fragend und wütend.
Ich beruhigte ihn mit Blicken.
»Ja, sie haben den Mann gefunden. Am Flaucher. Allerdings nur den Körper. Ohne Kopf. Sauber abgetrennt. Dennoch war die Zuordnung leicht. Wer liegt schon im Wasser mit nur einer Hand und ohne Kopf. Das wird richtig eklig. Die, die ihn beseitigt haben, wissen nicht, dass wir diese Fingerabdrücke bereits vorher hatten. Sie glauben, dass wir ihn nicht identifizieren können. Spuren in der Isar zu finden, ist nicht einfach. Die müssen ihn von der Brücke geschmissen haben. Gegen drei Uhr morgens, sagt der Doc.«
»Scheiß Tag für dich. Tut mir leid.«
Was sollte ich auch anderes sagen.
»Du weißt schon, was die DDBC aus Transnistrien, einem dämlichen und ziemlich öden Landstrich im Nordosten Moldawiens, macht, oder?«
Ich zog nur die linke Augenbraue hoch.
»‚Geld Macht Glücklich’. Eine Mafia-Organisation. Nicht groß, aber effektiv, wie wir glauben. ‚Macht‘ schreiben die immer in Großbuchstaben. Doppeldeutig. Weil – Geld ist Macht. Die handeln im großen Stil mit Währungen. Echt und falsch zugleich. Aus welchen Geschäften auch immer. Eine perfekte Waschmaschine. Das vermuten wir. Jedenfalls waren wir damals verdammt nah dran, als wir einen toten Usbeken in einem Schwulenpuff auf der Landsberger fanden und Fingerabdrücke von dem suchten und im Puff abnahmen. Sie stammten, das weiß ich nun, von dem Typen, der letzte Nacht seine Hand auf mysteriöse Weise verloren hat. Mit einem Messer dran. Was hatte er wohl vor, der diensthabende Killer? Das Messer war sauber. Kein Blut dran …«
Pause.
»Der tote Usbeke im Stricherpuff hatte einen Stick in der Tasche, den der/die damals übersehen haben mussten. Darauf war überwiegend nur perverses Zeug, aber auch ein kurzer Ausschnitt einer Logistik, die nur mit Geldtransfers im großen Umfang zu tun haben konnte. Wir gaben das weiter an euren Verein. Aber da warst du schon nicht mehr bei dem Haufen. So ist das wahrscheinlich untergegangen. Oder deine Ex-Kollegen basteln noch daran. Na ja, das ist nicht mein Revier. Ich muss mich um die verfickten Morde in dieser Stadt kümmern! Das ist nervig genug. Heute ist wieder so ein Tag. Wo finde ich nun den passenden Kopf?«
Mario stand auf. Er ging davon aus, dass ich wieder bezahlen würde. Machte ich ja auch. Sagte nicht „Servus“, beachtete Fanny nicht, der ihm beleidigt und erleichtert zugleich hinterherschaute. Ich bestellte noch einen French Icône mit viel Wodka. Das war irgendwie ein guter Tag für Fanny und mich. Bis jetzt verdächtigte uns keiner und wir waren ja letztlich schuldlos am Tod des Handlangers, der mir das Lebenslicht hinterrücks ausstechen sollte.
Dann die Begegnung mit der Frau des Trainers, die ich ein wenig trainiert hatte, was gar nicht so übel war. Nach ihren Infos zusammen mit dem, was mir Mario heute nicht gesagt und doch ausgeplaudert hatte, war ich auf der richtigen Fährte.
Geldwäsche.
Und Mario hatte mir sehr geholfen mit dem Erwähnen der DDBC. Die kannte ich zwar nicht näher, aber ich wusste jetzt, wo ich ansetzen konnte. Um den Wichser im Ministerium greifen zu können, der vielleicht ziemlich sicher mit Geldwäsche zu tun haben könnte, hatte ich noch viel zu erledigen. Ich hatte schon eine ziemlich genaue Vorstellung, in welchem Bereich ich suchen müsste und wer er sein könnte, doch ohne handfeste Beweise konnte ich nichts gegen ihn machen.
Mir war klar, dass ich in den sauren Apfel beißen musste, auf eine komplizierte Reise zu gehen. Es würde eine elende Reise werden, so viel stand fest … Die kostete nicht nur Geld, sondern war nicht ohne Gefahren. Fanny konnte ich leider dorthin nicht mitnehmen. Weil …
Jetzt musste ich meinen Entschluss, in den Südosten Europas zu reisen, nur noch Anna verklickern. Ich war mir unsicher, wie weit ich sie einweihen sollte, oder besser gar nicht. Letztlich war das eine Abwägung der Gefahren. Am liebsten hätte ich Anna zur Tarnung mitgenommen. Doch das ging aus einem anderen Grund nicht, den ich Anna aber nicht erklären konnte. Vielleicht war es auch besser so.
Ich musste das alleine durchziehen.
Ich zahlte, Fanny sprang auf. Keine Handtasche in der Nähe, die er vom Tisch wedeln konnte. Alles ging gut. Wir hatten kein Ticket am Angeberschlitten und sprangen gemeinsam forsch auf die Ledersitze. Auf dem Weg zur Fischer machte ich einen Umweg zu meiner Bank. Der Schleimer war heute nicht da, aber die Schöne an der Kasse. Sie strahlte mich an wie eine Hiroshima-Bombe.
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