Aufpasser unerwünscht!
»Versprochen, Hannelore, ich komme morgen wieder. Leider habe ich jetzt einen Termin in der Redaktion und bin schon fast überfällig.«
Wir standen zeitgleich auf, sie drückte sich heftig an mich und ich spürte ihr Verlangen.
»Bis morgen. Gegen elf Uhr, passt dir das, André?«
Aha, da muss der Alte wieder zu seinem Verein, das erste Training des Tages .
»Gegen Elf.«
Ich war so angefressen von der Sache, dass ich es in Kauf nehmen musste, von Hannelore vergewaltigt zu werden.
Wenn es denn der Sache dient …?
Fanny schaute mich schon wieder beleidigt an.
»Mein Alter, ich nehme dich jetzt mit ins Brenner. Abgemacht. Kannst dich entspannen, okay?«
Fanny verstand.
Selbst „Devils Haircut“ vom schrägen Kalifornier Beck ließ ihn nicht an mir verzweifeln: „Somethin’ wrong cause my mind is fading / Ghetto blastin’ disintegrating / Rock ‘n’ roll, know what I’m saying? / Everywhere I look there’s a devil in waiting / Got a devil’s haircut in my mind / Got a devil’s haircut in my mind…“
Mir standen mehrere Prüfungen bevor. Schon wieder war der Teufel im Spiel. Bei Beck.
Stimmt: Something wrong. Vase my mind is fading …
Nicht zuletzt Rock’n‘Roll.
Mit Hannelore …
Wir bekamen im Brenner einen Platz an der Sonne. Na ja, fast. Sonne scheint draußen zwischen den Häusern nicht durch. Nur im Juni/Juli. Da steht die Sonne hoch genug und kann auf uns runterschauen. Sonst? Wenn überhaupt, dann nur gespiegelt über ein Fenster von irgendwoher. Es war aber besser, als drinnen zu sitzen. Fanny ist nämlich kaum zu halten. Er räumt den Models und leichteren Mädels in Gucci und Trallala mit seinem prächtigen Schwanz – nicht den, den Sie meinen! – den Latte Macchiato vom Tisch und den Herren Advokaten und solchen, die es gerne wären, ihr Carpaccio di Tonno. Da steht er drauf.
Aufräumen.
Fanny scheint zu verstehen, wer und was im Leben wichtig ist …
Kaum saßen wir, sagte mir mein Kumpel auf den Kopf zu, wonach ich suchte.
»Du willst wissen, was ich weiß, was am Samstag direkt vor der Einfahrt zu den Bavaria Filmstudios passiert ist. Stimmt‘s? Nun schau nicht so blöd. Meine Kollegen machten Fotos von allen Autos, die während der Zeit da vorbeigefahren sind. Darunter warst auch du mit deinem Angeberschlitten, den ich aber sehr cool finde. Ich stand schon immer auf Jaguar. Aber bei meiner Gehaltsklasse …!«
Ich war von den Socken.
Hätte mir ja denken können, dass die Bullen nicht so blöd sind. Aber dass sie gleich Fotos machten? Nicht vom Unfallwagen, sondern von denen, die sich dort aufhielten oder vorbeikamen, das sagte viel aus. Hatten sie den Herrn Staatssekretär auch auf dem Kieker und beobachteten ihn? Wussten sie sofort, dass das kein Unfall war?
»Sag an, Mario. Du gibst mir doch Recht, dass das kein Unfall war, oder?«
»Das hat uns die Streife schon nach dreißig Sekunden gesagt. In den Wagen war ein kleines, feines Bömbchen eingebaut. Es gab keine Fremdeinwirkung, keine Fahrerflucht und auch keinen Motorschaden, der den Audi so hätte zerlegen können. Deshalb haben wir sofort ein Sonderkommando an die Stelle geschickt. Die Reste des Audis werden gerade noch untersucht. Die Staatsanwaltschaft lässt wegen Mordes gegen Unbekannt ermitteln. Wir stehen vor einem halben Rätsel. Halb deswegen, weil wir kein Motiv sehen. Bis jetzt nicht. Der Tote war zwar Staatssekretär im Bauministerium, vermutlich weißt du das längst, aber irgendwie dort nur geparkt. Abstellgleis, wenn du verstehst, was ich meine.«
Mein Kumpel war redseliger, als ich mir das erhofft hatte. Wenn er was weiß, erfahre ich es. Das war schon mal klar. Jetzt hatte ich die Gewissheit, dass die Sache zum Himmel stank. Nun konnte ich meine Recherchen beginnen und meiner Spürnase heute einen Schampus ausgeben, weil sie mal wieder richtig geschnuppert hatte.
Ich tätschelte Fanny und er lächelte zurück. Nur für mich erkennbar …
Wenn nun noch morgen die zwanzig Mille auf meinem Konto eingehen würden, könnte ich mit Volldampf loslegen.
Wohin mich die Reise mit der Familie Wille am Hacken noch treiben würde, davon hatte ich an diesem Spätnachmittag keine Ahnung.
Ich lud meinen Kumpel noch auf einen French Icône ein, das relativ neue In-Getränk der Münchener In-People: 2 cl Wodka, 1 cl Rose-Sirup, 2 Barlöffel Sommerbeerentee, 15 cl Champagner. Der Kellner musste erst noch einmal nachfragen, ob sein Barkeeper das Zeug mixen kann. Er war wohl nicht auf dem Laufenden oder neu in der Branche. Entzückt servierte er uns wenig später die Drinks und ich muss sagen – dieser French Icône, erfunden vom Barkeeper von Klaus Hoppe vom ›Charles Hotel‹ hinterm Bahnhof, ein edler Schuppen, hat Zug, schmeckt und geht ab wie ‘ne Rakete.
Côte d’Azur-Feeling.
Wird Zeit, dass ich Geld verdiene, damit ich mir den öfter leisten kann …
Ich ließ Fanny das Glas auslecken. Er schmatzte, wie nach einem Rinderfilet frisch vom Grill, medium! Dann kam der Rülpser. Laut und deutlich.
Fanny!
»Wollen wir uns morgen um die gleiche Zeit wieder hier treffen, Mario? Ist mir sicherer als das Handy.«
»Geht klar, Kumpel. Pass auf dich auf und grüß Anna von mir, ja?!«
Wunder über Wunder.
Sooo eng waren wir nun auch wieder nicht. Dass er sich um mich Sorgen macht und Anna grüßen lässt? Vielleicht weiß er doch schon mehr, als er mir sagte.
Ich schnalzte mit dem Finger. Signal für Fanny, dass die Reise weitergeht. Er wedelte noch mal kurz mit dem Schwanz und schob ganz lässig eine hässliche Handtasche mit MCM-Werbung drauf zur Seite, die etwas sehr viel teurer war als die Rechnung, die ich gerade cash beglichen hatte.
Morgen werden die zwanzig Mille da sein, redete ich mir schon wieder ein. Ist ja auch Scheiße, wenn man immer klamm ist.
Ich wusste, dass ich von nun an noch vorsichtiger sein musste, als ich es ohnehin war.
Der Teufel lauert überall, hat tausend Gesichter und eine Kugel mehr im Lauf …
Bei Anna angekommen, die Fahrt verlief ohne Zwischenfälle und ich wurde auch nicht verfolgt, musste ich ihr wohl oder übel reinen Wein einschenken.
Es war nicht das erste Mal, dass ich in Gefahr war.
Daran hatte sie sich inzwischen widerwillig gewöhnt. Aber diesmal befürchtete ich nach Lage der Dinge, dass ich es mit einer besonderen Spezies von Gegnern zu tun haben würde. Oder schon habe.
Das hieße, dass auch die Fischer auf einem brennenden Ast sitzt.
»Anna, ich bin inmitten eines neuen Falles. Aber anders als sonst glaube ich, dass du auch in Gefahr bist. Bevor ich nicht weiß, wer meine Gegner sind, werde ich in meiner Bude wohnen. Hier, bei deinen Eltern, bist du sicherer als bei mir oder wenn ich hierbleibe. Wenn du willst, lasse ich dir Fanny zu deinem Schutz da. Ja, ich weiß, du bist kein Fan von ihm, aber …«
»„Aber …“ Was soll das? Ich hasse dich, Richter! Du bockst rum, schweigst dich aus, verschwindest, wann du willst, machst immer nur dein Ding und ich bin dein dämliches Anhängsel. So läuft das nicht. Spielst den Macho. Aber ich kenne dich besser! Ja, hau einfach ab. Lass mich allein!«
Anna war drauf und dran, sich in Rage zu reden. Fanny schaute sie an, ich schaute Fanny an. Wir waren beide der Meinung, dass es in dieser Stimmung besser wäre, wenn wir uns verziehen. Fanny sprang hoch, wedelte freudig mit dem Schwanz – das kann die Töle wirklich gut –, schmiss aber nichts um und ich drückte Anna einen letzten Kuss auf die Stirn. Morgen würde alles schon wieder anders aussehen. Wir schlenderten zum F-Type und beim Umdrehen sah ich, dass Anna weinte. Also hielt ich noch mal kurz am Haupthaus, klingelte bei den Fischers.
Der Alte kam zur Tür, sah mich hasserfüllt an, wie immer. Ich sagte nur:
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